# taz.de -- Kommentar Stuttgart: Der schwäbische Traum
       
       > Die Grünen können das Stuttgarter Erfolgsmodell nicht einfach kopieren.
       > In anderen Städten müssen sie stärker auf Sozialpolitik setzen.
       
       Dass in Stuttgart jetzt zum ersten Mal ein Grüner eine Landeshauptstadt
       regiert, wäre ohne die Stimmen der bürgerlichen Mitte wie der Einwanderer,
       die in der Schwabenmetropole ein gutes Viertel der Bevölkerung stellen,
       kaum möglich gewesen. Wie aber konnten sich beide Milieus auf den
       Kandidaten einer Ökopartei, die angeblichen „Multikulti-Illusionen“
       nachhängt, einigen?
       
       Wer den Erfolg von Fritz Kuhn verstehen will, sollte Muhterem Aras kennen.
       Als Stuttgarter Direktkandidatin erzielte sie bei den Landtagswahlen im
       vergangenen Jahr das beste Ergebnis für ihre Partei. Ihr 42,5-Prozent-Sieg
       in Stuttgart hat den Weg ihres Parteikollegen ins Rathaus quasi
       vorgezeichnet.
       
       Die Biografie von Muhterem Aras sagt viel darüber aus, wie gut Integration
       in Deutschland funktionieren kann, wenn die Voraussetzungen stimmen:
       Aufgewachsen in einem anatolischen Dorf, in dem es weder fließendes Wasser
       noch Strom gab, kam sie erst mit zwölf Jahren ins Schwabenland, wo sie dann
       später als Steuerberaterin Karriere machte. Zu den Grünen kam Aras einst
       wegen „Multikulti“, nicht wegen der Ökologie. Heute verkörpert sie den
       schwäbischen Traum, dass Aufstieg durch Fleiß und eigene Anstrengung
       gelingen kann.
       
       Mit „Neukölln ist überall“ führt Heinz Buschkowsky derzeit die
       Bestsellerlisten an. Doch seine plakative Warnung ist schlicht falsch. Denn
       der Berliner Bezirk ist ein Sonderfall, während Städte wie Stuttgart,
       München und Frankfurt am Main die bundesdeutsche Normalität spiegeln. Der
       Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund ist dort sogar höher als in
       Berlin. Aber sie haben weniger Integrationsprobleme als in der Hauptstadt –
       einfach weil es hier ausreichend Jobs gibt, sodass auch ehemalige
       Einwanderer meist gut in Lohn und Brot stehen.
       
       Die Union hat den Anschluss an diese modernen multiethnischen Milieus in
       den Großstädten verloren. Nach Köln, Frankfurt und Duisburg muss sie darum
       jetzt auch in Stuttgart das Rathaus räumen – von den zehn größten Städten
       der Republik wird nur noch eine – Düsseldorf – von einem CDU-Bürgermeister
       regiert.
       
       Die Grünen aber können das Stuttgarter Erfolgsmodell nicht einfach
       kopieren. In anderen Städten, denen es nicht so gut geht wie der Benztown
       im Süden, driften Einwanderer und Bürgertum viel stärker auseinander. Dort
       müssen die Grünen stärker auf Sozialpolitik setzen und ihrem
       antirassistischen Credo treu bleiben, um in beiden Milieus zu punkten.
       
       22 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
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