# taz.de -- Affäre bei Stiftung Organtransplantation: Mühsame Suche nach Neuanfang
       
       > Komplexe interne Gemengelage: Die Stiftung Organtransplantation erwägt,
       > die Amtszeit ihres umstrittenen Chefs vorerst zu verlängern.
       
 (IMG) Bild: In solchen Styroporbehältern werden Organe transportiert.
       
       BERLIN taz | Die Deutsche Stiftung Organtransplantation will den seit
       Monaten schwelenden Personalkonflikt um die Neubesetzung ihres Vorstands
       nun mit einem Übergangskandidaten lösen. Als Nachfolger für den scheidenden
       Medizinischen Vorstand Günter Kirste werde zum 1. Februar 2013 „nach einer
       Interimslösung“ gesucht, erfuhren DSO-Mitarbeiter am Donnerstag per E-Mail
       des Stiftungsvorstands. Der „intensive Abstimmungsprozess“ werde mit den
       Kassen, der Krankenhausgesellschaft, der Bundesärztekammer und dem
       Bundesgesundheitsministeriums geführt, bestätigte eine DSO-Sprecherin der
       taz.
       
       Zuvor hatte sich der DSO-Stiftungsrat als Aufsichtsgremium am Mittwoch
       erneut mit der Personalfrage beschäftigt. Ein vom Gesundheitsministerium
       favorisierter Kandidat hat abgesagt. Ein weiterer Aspirant ist derzeit
       damit beschäftigt, Vorwürfe zu entkräften, er habe abgeschrieben und Daten
       gefälscht.
       
       Angesichts dieser Gemengelage wurde am Donnerstag in
       DSO-Stiftungsratskreisen nicht mehr ausgeschlossen, dass der Vertrag von
       Günter Kirste selbst, der aus Altersgründen eigentlich zum 1. Februar
       ausscheidet, verlängert werden könnte. Offiziell wurde dies nicht
       bestätigt.
       
       ## Mobbing und Verschwendung
       
       Kirste steht seit Monaten wegen Vorwürfen des Mobbings und der
       Verschwendung von Krankenkassengeld in der Kritik. Er selbst bestreitet
       dies stets. Interne DSO-Dokumente im Zusammenhang mit dem Organskandal an
       der Uniklinik Göttingen belegen nun, dass Kirste eine rasche Aufklärung der
       Vorwürfe des Organhandels durch die Staatsanwaltschaft im Jahr 2011 nicht
       in die Wege leitete, obwohl ihm entsprechende Hinweise bereits vorlagen.
       
       Damals, im Juli 2011, war bei der DSO ein anonymer Anruf eingegangen, der
       auf eine angeblich rechtswidrig erfolgte Lebertransplantation eines
       russischen Patienten in Göttingen hinwies. Der Anruf wird von der DSO
       bestätigt. Er mündete in den bislang größten Transplantationsskandal in
       Deutschland – öffentlich bekannt wurde er jedoch erst 2012. Anstatt bereits
       2011 auch die Staatsanwaltschaft über den Anruf in Kenntnis zu setzen,
       beschloss der DSO-Vorstand, lediglich die Überwachungskommission bei der
       Bundesärztekammer zu informieren.
       
       Dieses interne Gremium geht etwaigen Richtlinienverstößen bei Organspenden
       nach, besitzt aber keinerlei strafrechtliche Ermittlungskompetenz. Auf
       Nachfrage teilte die DSO am Donnerstag mit, sie habe aufgrund der Angaben
       damals nicht erkennen können, ob es sich um einen Richtlinienverstoß
       gehandelt habe. Formaljuristisch war Kirstes Vorgehen wohl korrekt; wie
       jetzt bekannt wird, widersprach es aber der Einschätzung einiger leitender
       DSO-Mitarbeiter.
       
       In einem von Kirste unterzeichneten „Ergebnis-Protokoll“ einer
       Strategiesitzung des DSO-Vorstands mit den Geschäftsführenden Ärzten und
       Bereichsleitern der DSO vom 10. November 2011 heißt es dazu: „In diesem
       Zusammenhang wird eine Lebertransplantation für einen russischen Patienten
       in Göttingen diskutiert, zu der die DSO einen anonymen Anruf erhielt. […]
       Deshalb hat der Vorstand umgehend die Überwachungskommission […]
       informiert. Einige der Geschäftsführenden Ärzte vertreten die Ansicht, die
       DSO hätte sofort die Staatsanwaltschaft informieren sollen.“
       
       ## „System Organspende“
       
       Die Brisanz des Anrufs konnte der DSO-Führungsebene bereits damals bewusst
       sein: „Dabei wurde der Vorwurf von Organhandel erhoben“, heißt es über den
       Anruf laut DSO-Protokoll. Und: Die sechs Geschäftsführenden Ärzte der DSO,
       eine Art Regionalleitung, warnten ihren Vorstand bereits damals vor einem
       Rückgang der Organspendebereitschaft, sollte eines Tages herauskommen, dass
       dem vermeintlichen Regelverstoß nur intern nachgegangen worden sei.
       
       Wörtlich heißt es dazu in dem DSO-Protokoll, das „System der Organspende“
       sei „derzeit deshalb angreifbar, weil von vielen Beteiligten Sachverhalte
       verschleiert werden, anstatt diese in der Öffentlichkeit zu diskutieren“.
       Weiter wird bereits 2011 prognostiziert: „Wenn es durch eine entsprechende
       Diskussion zu einem Rückgang der Organspende käme, wäre dies hinzunehmen,
       um dann rechtliche Rahmenbedingungen zu verabschieden, die keine Zweifel
       mehr zulassen würden.“
       
       1 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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