# taz.de -- Fukushima-Folgen heruntergespielt: Atomlobby verfasst WHO-Gutachten
       
       > „Gefährliche Verharmlosung“ ist nur ein Vorwurf, den eine
       > Ärzteorganisation der WHO macht. Deren Fukushima-Bericht sei weder
       > unabhängig, noch wissenschaftlich.
       
 (IMG) Bild: Strahlend schön: AKW Fukushima Dai-ichi.
       
       GENF taz | Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die
       Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima war längst nicht so unabhängig,
       wie es schien. Zu diesem Schluss kommt [1][eine Analyse] der atomkritischen
       Ärzteorganisation IPPNW.
       
       Im Gegenteil: Die 30 AutorInnen des [2][WHO-Berichts] arbeiteten sämtlich
       für die atomenergiefreundliche Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in
       Wien oder für regierungsabhängige nationale Nuklearkommissionen und
       Strahlenschutzbehörden. Aus Deutschland gehörten Florian Gering und
       Brigitte Gerich vom Bundesamt für Strahlenschutz zu den AutorInnen des
       Berichtes.
       
       Die „vorläufige Dosiseinschätzung“ über die radioaktive Strahlenbelastung
       der japanischen Bevölkerung in einer detaillierten Analyse sei
       unwissenschaftlich und eine gefährliche Verharmlosung des Problems, so die
       Kritik der Ärzteorganisation. Die WHO müsse ihre „medizinische Forschung
       über die Gesundheitsfolgen der atomaren Katastrophe von Fukushima erheblich
       ausweiten“. Das fordert die IPPNW nun in einem Schreiben an
       WHO-Generaldirektorin Margaret Chan, das der taz vorliegt.
       
       In dem Brief plädieren die Ärzte für die Durchführung „unabhängiger
       epidemiologischer Studien sowie die baldige Einrichtung eines umfassenden
       Registers, im dem alle Menschen erfasst werden, die aufgrund der
       Katastrophe von Fukushima vermutlich mehr als ein Millisievert (mSv)
       Strahlung pro Jahr durch unterschiedliche Quellen ausgesetzt waren“.
       
       ## Keine Schilddrüsenkrebs-Prävention
       
       Die WHO hingegen hatte in ihrem Bericht die von japanischen Behörden
       gemessenen Strahlenbelastungen von 1–50 mSv als „sehr gering“ bezeichnet.
       Sie lägen unterhalb der als bedenklich geltenden Grenzwerte. Eine
       internationale Delegation der IPPNW hatte Ende August bei einem Besuch der
       Präfektur Fukushima immer noch Strahlenwerte von bis zu 43 mSv pro Stunde
       gemessen. Jodtabletten zur Verhinderung von Schilddrüsenkrebs wurden in den
       betroffenen Regionen nicht verteilt.
       
       IPPNW fordert die WHO zudem auf, künftige Untersuchungen „nicht auf das
       Schilddrüsen-Screening von Kindern zu begrenzen“. Sondern es müssten auch
       Fehlbildungen, Tot- und Fehlgeburten sowie alle anderen Erkrankungen
       erfasst werden, die nach der Tschernobylkatastrophe von 1986 auftraten.
       
       ## Mehr verschwiegen als veröffentlicht
       
       In der von Axel Rosen, Kinderarzt an der Universitätsklinik Düsseldorf,
       verfassten IPPNW-Analyse des WHO-Berichts heißt es: „Von all den klaren
       Erkenntnissen zur Strahlenexposition, zu Dosisschätzungen und möglichen
       gesundheitlichen Folgen der Nuklearkatastrophe von Fukushima wird im
       WHO-Bericht mehr verschwiegen als tatsächlich veröffentlicht.“
       
       Einige der Annahmen des Expertengremiums seien „fragwürdig, wenn nicht
       sogar schlichtweg falsch“. Der Bericht lese sich „wie ein Versuch, die
       Folgen der Katastrophe von Fukushima herunterzuspielen, und nicht wie ein
       sinnvoller wissenschaftlicher Ansatz, die Strahlenbelastung der Bevölkerung
       zu ermitteln“.
       
       6 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.fukushima-disaster.de/deutsche-information/super-gau.html
 (DIR) [2] http://www.who.int/ionizing_radiation/pub_meet/fukushima_dose_assessment/en/index.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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