# taz.de -- Flüchtlinge in Israel: Die gute Frau von Tel Aviv
       
       > Aus Eritrea und Sudan machen sich Opfer von Krieg und Not auf den
       > gefährlichen Weg Richtung Israel. Schwester Asisa kümmert sich um die,
       > die es schaffen.
       
 (IMG) Bild: Der Weg nach Israel führt für viele Flüchtlinge durch den Sinai. Dort lauern ihnen Geiselnehmer auf.
       
       Tegisti Tekla winkt ab. Die 22-jährige Eritreerin will nicht mehr mit
       Journalisten reden. An ihrer Situation würden die doch nichts ändern. Tekla
       lebt zusammen mit zwei anderen Frauen und deren Kindern in einer winzigen
       Einzimmerwohnung, die das African Refugee Development Center mit UN-Geldern
       im Süden von Tel Aviv den weiblichen Flüchtlingen zur Verfügung stellt.
       Einer der wenigen Menschen, dem sie sich anvertraut, ist Schwester Asisa.
       
       27 Frauen und noch einmal so viele Kinder haben in den kleinen Wohnungen
       Unterschlupf gefunden. Schwester Asisa kennt alle. In Kopftuch, Sandalen
       und Bluse sieht die 55-Jährige, die mit bürgerlichem Namen Azezet Kidane
       heißt, bei den Frauen rein, die entweder noch schwanger sind oder vor nicht
       allzu langer Zeit entbunden haben.
       
       Sie kommen zumeist aus Eritrea, wie Schwester Asisa selbst, oder aus dem
       Sudan. Auf ihrer Flucht vor Kriegen oder Hunger werden viele der Frauen
       Opfer von Entführungen, Folter und sexuellem Missbrauch. Vor gut zwei
       Jahren entdeckten Beduinenbanden das gruselige Geschäft mit den
       Flüchtlingen. Sie jagen sie in den Grenzzonen und entführen die völlig
       Schutzlosen in den Sinai, wo sie niemand daran hindert, ihre Geiseln so
       lange festzuhalten, bis die Familien hohe Lösegelder zahlen.
       
       „Manchmal kann ich gar nicht aussprechen, was diesen Menschen angetan
       wurde, es ist zu beschämend“, sagt Schwester Asisa. Rund 1.500
       Zeugenaussagen hat sie in den vergangenen zwei Jahren gesammelt. Die
       gelernte Krankenschwester trifft die Flüchtlinge in der Klinik der Ärzte
       für Menschenrechte in Tel Aviv, wo sie an zwei Nachmittagen in der Woche
       ehrenamtlich tätig ist. Für die israelische NGO kommt Schwester Asisa, die
       fließend Englisch, Sudanesisch-Arabisch und Tigrinya spricht, wie gerufen.
       Für ihre Dokumentation der Zeugenaussagen bekam Asisa eine Auszeichnung des
       US-Außenministeriums.
       
       ## „Es nimmt kein Ende“
       
       „Wir wurden geschlagen und in Ketten gelegt“, heißt es in dem Bericht einer
       30-jährigen Frau. Über vier Monate blieb sie gefangen. „Es ging zwölf
       Stufen abwärts, ich habe während meiner Gefangenschaft nie die Sonne
       gesehen.“ Vier der 68 Geiseln mit ihr starben. „Sie gaben uns jeden Tag nur
       ein Brot zu essen.“
       
       Mehrere hundert Menschen sollen die Banden derzeit in ihrer Gewalt haben.
       „Es nimmt kein Ende“, schimpft Schwester Asisa. „Erst gestern erzählte mir
       ein junger Familienvater, dass sein Neffe entführt wurde.“ Bis zu 40.000
       US-Dollar verlangen die Entführer von den Mittellosen. Um den Druck auf die
       Familien zu erhöhen, schrecken sie auch vor der Misshandlung nicht zurück
       oder davor, die Menschen, die nicht zahlen können, einfach verhungern zu
       lassen.
       
       Wer sich den Weg nach Israel einmal gebahnt hat, dem droht Gefängnis. Seit
       Juli bringen die israelischen Behörden alle neu ins Land kommenden
       Flüchtlinge in Gewahrsam. Mit der entlang der ägyptischen Grenze
       errichteten Trennanlage ist den Flüchtlingen die Einreise ohnehin kaum noch
       möglich.
       
       Tekisti Tekla und ihre Freundinnen leben beengt, aber wenigstens in
       Sicherheit. Auf einer Herdplatte backen die Frauen Fladenbrot. Außer einem
       Tischchen und den Betten passt kein Möbelstück mehr ins Zimmer. Schwester
       Asisa hilft den Frauen bei Übersetzungen, begleitet sie zu Ämtern und vor
       Gericht. „Ich kann nicht sagen, dass ich es mag“, sagt sie. „Aber ich werde
       hier gebraucht.“
       
       9 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
 (DIR) Susanne Knaul
       
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