# taz.de -- Hans Nieswandt remixt Hildegard Knef: Angenehm radikal
       
       > „Guten Morgen Paul“ wurde zu „Mmmorgen Paul“: Hildegard Knef in der
       > „Remixed – 12 Versions“-Variante des House-Veteranen Hans Nieswandt.
       
 (IMG) Bild: Nieswandts Mix ist wie ein gegenseitiges Schulterklopfen zwischen der Chanson-Diva und dem Produzenten.
       
       Hans Nieswandt hat schon einiges für die Coolness dieses Landes getan. Er
       ist einer der renommiertesten House-DJs und -Produzenten und landete mit
       Whirlpool Productions und „From Disco To Disco“ einen Hit, der auf jeder
       Party den Dancefloor klarmacht.
       
       Außerdem gehört Nieswandt zum intellektuellen Urgestein der Zeitschrift
       Spex, erreicht mit Büchern wie „Disko Ramallah“ aber auch den Zugang zu
       Belletristik-Fans. Immer mit einem Standbein im Underground, und doch weht
       sein eleganter Seidenschal im Wind der Charts. Das Gleichgewicht muss man
       erst mal halten.
       
       Und nun auch noch die Knef, eine Herausforderung, die den Geruch des
       Scheiterns geradezu hinter sich herzieht. Doch Hans Nieswandt bleibt
       weltgewandt und souverän. Schon vor zehn Jahren hatte er den Knef-Song „Bei
       dir war es immer so schön“ neu interpretiert und damit eine der besten
       Remix-Arbeiten seiner Karriere geleistet.
       
       Nun föhnte Nieswandt bei einem Großteil der Songs die Texte so zurecht,
       dass jeder zusätzliche Inhalt, der die Kernbotschaft verschnörkelt,
       abgetragen wurde und teilweise nur noch textliche Fragmente übrig blieben.
       
       „Guten Morgen Paul“ wurde zusammengedampft zu einem angezerrten „Mmmorgen
       Paul“, bei dem die fröhliche Hintergrundmelodie des Originals elektronisch
       nachgespielt und in den Vordergrund gerückt wurde. Der Original-Song vom
       gut gelaunten Frühaufsteher Paul und einer noch lange nicht ausgeschlafenen
       Hilde wird hier in einer Art musikalischer Karikatur der beschriebenen
       Situation zum Leben erweckt.
       
       ## Fantastisches Material
       
       Das im Original mit schwelgerischen Streichern protzende „Ich schreib dir
       ein Buch“ entstaubte Nieswandt von allen Schlagerfallen, sodass sich ein
       relaxter Groove-Song mit der Botschaft „Mein Gefühl für dich“
       herausschälte. Eigene Interpretationen liegen auch hier wieder vor allem
       beim Hörer selbst.
       
       Der ehemalige im Swing-Gewand daherkommende Titel „Du bist das Salz in der
       Suppe“ durfte sich einen unaufgeregten Offbeat überstreifen. Im Refrain
       dieses Elektro-Reggaes blitzen die Bigband-Bläser nur noch kurz auf. Für
       einen winzigen Moment kann man kaum an sich halten und verspürt
       Bewegungsdrang.
       
       „So oder so ist das Leben“ klingt wie eine Parole mit der Knef als
       abgeklärte Vorsprecherin und könnte fast von Ton, Steine, Scherben kommen.
       „Das Jahr 2000“ ist ebenfalls angenehm radikal und bewegt sich zwischen
       wildem Schlagzeug mit rotzigem Zukunftspessimismus und klaviergetragenem,
       überbordendem Pathos.
       
       Eine Besonderheit, die dem Produzenten sicherlich den einen oder anderen
       ehrfürchtigen Schauer über den Rücken rieseln ließ, war das fantastische
       Ausgangsmaterial. Für seine Remixe wurden Hans Nieswandt die einzelnen
       Tonspuren aus den siebziger Jahren zur Verfügung gestellt.
       
       ## Schulterklopfen zwischen Diva und Houseproduzent
       
       Ein ganzes Orchester, das mit optimalen Bedingungen in perfekter Raum- und
       Klangatmosphäre mit hochwertigen Mikrofonen aufgenommen worden ist, dazu
       die extrahierte Stimme der Knef, die in ihrem rauen Gesang mit winzigen
       stimmlichen Effekten Gefühle von unfassbarer Tiefe ausdrücken konnte.
       
       Mit sensibler Hand, aber keiner falschen Ehrfurcht vor dem Werk
       interpretiert Nieswandt die Sängerin neu und wertet die Songs mit
       intelligenter Interpretation für eine andere Zeit auf. Originalmaterial und
       neue Elemente schmiegen sich aneinander, nur an manchen Stellen hätten die
       Songs vielleicht etwas weniger kühl daherkommen können.
       
       Nieswandts Generalüberholung ist wie ein gegenseitiges Schulterklopfen
       zwischen der Chanson-Diva und dem Houseproduzenten. Sie kriegt noch einmal
       einen verdienten Bund rote Rosen von alten und neuen Fans.
       
       Dennoch ist das Remix-Album eher ein schönes Gimmick als ein für sich
       stehendes Album. Ob die Tracks bei absoluten Nicht-Kennern von Knefs Oeuvre
       funktionieren, ist die Frage. Und letztendlich mag ich sie doch eher mit
       dem Pathos des ganzen Orchesters und möchte bei ihren Liedern auch den
       gesamten Text gesungen bekommen.
       
       Reduziert auf wenige Worte und musikalische Originalpassagen geht einiges
       von der schillernden Person verloren, bei der man auch akustisch auf kein
       Augenzwinkern und keinen Wimpernschlag verzichten möchte. Dabei erinnert
       Hildegard Knef vielleicht ein wenig an Harald Juhnke: im Original einfach
       unangreifbar.
       
       16 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christine Kewitz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) House
 (DIR) Techno
 (DIR) Neues Album
       
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