# taz.de -- Alternative Stromlieferer: Ökostrom auf Koks
       
       > Die Verbund AG aus Österreich lieferte Ökostrom für Deutschland. Aber nun
       > setzt die Firma auch auf Schmutzstrom.
       
 (IMG) Bild: Kohle oder Wind? – „Sowohl als auch“, heißt es vielleicht bald für Ökostromkunden.
       
       BERLIN taz | Wo kauft man in Deutschland am besten Ökostrom – ohne
       versehentlich die alte, fossile Energiewirtschaft zu unterstützen? Die
       Antwort der Naturschutzverbände kam bisher stets wie aus der Pistole
       geschossen: bei Greenpeace Energy, Naturstrom, Lichtblick oder EWS Schönau.
       Jetzt haben die drei erstgenannten Anbieter ein Problem an der Backe.
       
       Es befindet sich in der Nähe des Städtchens Tufanbeyli in der türkischen
       Provinz Adana, etwa 100 Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Dort baut die
       österreichische Verbund AG mit ihrem türkischen Partner Enerjisa ein
       450-Megawatt-Braunkohlekraftwerk. Zudem ist der Verbund in den Betrieb der
       Mine eingestiegen. Investitionen: insgesamt 750 Millionen Euro.
       
       Laut einer Studie des britischen Beratungsunternehmens URS könnte das
       Projekt „signifikante negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, die
       unumkehrbar sind“. Die erwartete Luftverschmutzung übersteige die
       Grenzwerte von EU und Weltgesundheitsorganisation.
       
       ## Ohne Einschränkungen – bisher
       
       Damit haben Greenpeace Energy, Naturstrom und Lichtblick direkt zwar nichts
       zu tun. Sie kaufen weiterhin Strom aus Wasserkraftwerken in Österreich –
       von der Verbund AG. Die hat die Naturschutzorganisation Robin Wood, die die
       Lieferanten der drei Ökostromer regelmäßig durchleuchtet, bisher ohne
       Einschränkung empfohlen.
       
       Lichtblick bezieht nach eigenen Angaben Strom aus norwegischen
       Wasserkraftwerken und aus einem Verbund-AG-Kraftwerk. Die Strommenge ist
       nicht bekannt, ebenso wenig wie bei Greenpeace Energy. Dort weiß man nur: 4
       von 16 Lieferanten-Kraftwerken gehören Verbund.
       
       Naturstrom ist präziser: 35 Prozent des Stroms stammten Ende 2010 von
       Verbund, heute sind es nach Angaben eines Sprechers weniger. „Natürlich
       achten wir auch darauf, dass keine Atom- und Kohlekonzerne an den
       Erzeugungsanlagen beteiligt sind“, so die Naturstom-Webseite. Aber: Kann
       man noch mit einem solchen Anspruch auftreten, wenn man Geschäfte mit einem
       Unternehmen macht, das künftig Braunkohle verstromen will?
       
       ## Zurückhaltende Reaktion
       
       Robin Wood sagt: nein. „Wenn Verbund das Braunkohlekraftwerk in Betrieb
       nimmt, gibt es keine Empfehlung mehr für Unternehmen, die von der Verbund
       Strom beziehen“, erklärt unmissverständlich der Energieexperte der
       Umweltorganisation, Dirk Seifert. Die Kollegen von BUND schließen sich an:
       „Die Ökostromanbieter müssen so schnell wie möglich ihre Lieferverträge
       entsprechend ändern, um glaubwürdig zu bleiben“, so Energieexperte Thorben
       Becker.
       
       Die betroffenen Unternehmen reagieren bisher zurückhaltend. „Naturstrom
       kommentiert nicht öffentlich die Geschäftsaktivitäten von Lieferanten oder
       anderen Marktpartnern“, heißt es aus Düsseldorf. Greenpeace Energy verweist
       auf bis 2016 bestehende Lieferverträge, kritisiert aber das
       Braunkohleprojekt. „Bei der Neuverhandlung der Verträge wird dieser Punkt
       eine wesentliche Rolle spielen.“ Lichtblick dagegen bleibt einsilbig: „Die
       Verflechtungen der Energieindustrie sind sehr weitgehend – und daher nicht
       vollständig auszuschließen.“
       
       Alle drei Firmen scheinen überrascht, dass die Verbund AG in Braunkohle
       investiert – bislang werben die Österreicher mit „100 Prozent Wasserkraft“.
       Allerdings: An dem Kraftwerk in Tufanbeyli wird bereits seit August 2011
       gebaut. Im Oktober 2012 kam noch ein Vertrag über den Braunkohleabbau
       hinzu, die Einrichtung der Mine wird derzeit vorbereitet. Robin Wood
       erwähnt das in seinem Bericht über die Ökostromer nicht – man habe die
       Sache schlicht übersehen, entschuldigt sich Seifert. Allerdings verdient
       die Umweltorganisation Robin Wood Geld, wenn über ihre Webseite Stromkunden
       zu den empfohlenen Unternehmen wechseln. Anrüchig?
       
       ## Langfristige Verträge
       
       Nein, sagt Seifert. Lediglich 0,35 Prozent des Umsatzes mache man mit
       Empfehlungen. „Davon lassen wir uns nicht beeinflussen.“ Der BUND dagegen
       stellte seine Kooperation mit Naturstrom ein, um nicht anrüchig zu wirken.
       Über Stromkundenwerbung erwirtschafteten die Umweltschützer im Jahr 2011
       0,12 Prozent ihrer Einnahmen.
       
       Sowohl Becker als auch Seifert betonen aber, dass sie ihre Empfehlung für
       die drei Ökostromer momentan nicht zurücknehmen. Es käme nun ganz auf deren
       Reaktion an. Seifert erwartet eine „öffentliche Reaktion“. „Wir werden uns
       mit den Unternehmen zusammensetzen und versuchen, eine Regelung zu finden“,
       sagt er, „aber man kann seine Lieferanten nicht von heute auf morgen
       ändern, weil es teilweise langfristige Verträge gibt“.
       
       Becker meint, man werde sich die Herkunft des Ökostroms künftig genauer
       anschauen, und verweist auf einen anderen Aspekt: „Wichtiger ist uns, dass
       Ökostrom nicht weiter aus alten Wasserkraftwerken kommt, sondern etwa
       Windkraft direkt vermarktet wird.“ Und da seien zumindest die Naturstrom AG
       und Greenpeace Energy Vorreiter.
       
       15 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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