# taz.de -- Berlins Polizeiführung: Die vertane Chance
       
       > Am Dienstag wird Innensenator Henkel den neuen Polizeichef ernennen - und
       > sich gegen Margarete Koppers entscheiden. Eine vergebene Chance.
       
 (IMG) Bild: Bild aus besseren Tagen: Margarete Koppers und Innensenator Frank Henkel (CDU)
       
       In Kürze wird Innensenator Frank Henkel (CDU) seine Entscheidung verkünden.
       Der Chefsessel der Hauptstadtpolizei war eineinhalb Jahre verwaist. So
       lange hat Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers die Geschäfte geführt.
       Viele würden die Juristin gern als Polizeipräsidentin sehen. Daraus wird
       nun nichts: Alles deutet darauf hin, dass wieder ein Mann an die Spitze der
       Berliner Polizei rückt.
       
       Offiziell bestätigt ist es noch nicht. [1][Nach taz-Informationen aber wird
       Henkel am Dienstag im Senat seine Entscheidung präsentieren]: Der Präsident
       der Bundespolizei Berlin, Klaus Kandt, hat das Rennen gemacht. Der
       52-Jährige hat von der Pieke auf Polizist gelernt und ist im Besitz eines
       CDU-Parteibuchs. Die ganz traditionelle Nummer also.
       
       Schon zum Jahreswechsel hatte Henkel Kandt in einem Vieraugengespräch
       umworben. Wahrscheinlich stand die Entscheidung seither fest. Dass es
       zwischenzeitlich ein Bewerbungsverfahren gab, in dem fünf Kandidaten –
       darunter auch Koppers – zu Vorstellungsgesprächen eingeladen waren, änderte
       nichts. Gesiegt hat wieder einmal Klienteldenken und Parteienproporz.
       Berlin hatte die einmalige Chance, eine Polizeichefin zu bekommen – Henkel
       vertut sie.
       
       Bis Ende der 70er Jahre war die Berliner Polizei eine absolute
       Männerfestung. Inzwischen beträgt der Frauenanteil 22 Prozent. Doch je
       höher es geht, desto dünner wird für sie die Luft. Auf der Führungsebene
       direkt unterhalb des Polizeichefs gibt es überhaupt keine Frau. Selbst die
       Springerpresse hat erkannt, dass die Zeit reif ist. Die BZ – Hauspostille
       der CDU – forderte zu Jahresbeginn: „Mann, gebt dieser Frau den
       Sheriff-Stern“. Eine Frau als oberste Ordnungshüterin – das wäre ein Signal
       für Offenheit und Vielfalt. „Mit Henkels Entscheidung für einen Mann ist
       die Berliner Gesellschaft nicht repräsentiert“, sagt der Parteienforscher
       Gero Neugebauer.
       
       Doch was macht weiblichen Führungsstil aus? „Darunter wird in der Regel ein
       stärkeres Einfühlungsvermögen und Kommunikationsorientiertheit verstanden“,
       sagt Brigitta Sticher. Die Professorin unterrichtet an der Hochschule für
       Wirtschaft und Recht angehende Polizisten in Psychologie und Führungslehre.
       „Frau Koppers strahlt nach außen aus, dass sie stark kommunikativ
       orientiert ist“, sagt Sticher.
       
       Offen, den Menschen zugewandt – mit Attributen wie diesen wird Koppers
       meist beschrieben, hört man sich in der Polizei um. Die 50-jährige Juristin
       ist eine Seiteneinsteigerin. Sie war Vizepräsidentin des Berliner
       Landgerichts, als sie der letzte Polizeipräsident Dieter Glietsch 2010 zu
       seiner Stellvertreterin machte.
       
       Seit Glietschs Pensionierung im Juni 2011 führt sie die 22.000 Mitarbeiter
       zählende Behörde kommissarisch. So lange dauert nun schon die Suche nach
       einer neuen Polizeiführung. Das erste Auswahlverfahren, das noch der
       frühere SPD-Innensenator Ehrhart Körting initiiert hatte, war wegen
       Formfehlern gescheitert.
       
       ## Symbolwirkung für andere
       
       Koppers ist eine Anhängerin der liberalen Linie von Dieter Glietsch. In
       ihrem Führungsstil unterscheidet sie sich aber fundamental von ihrem kühl
       wirkenden Vorgänger. Ein Beamter erinnert sich gern an Koppers Besuch auf
       seinem Polizeiabschnitt. „Sie hat sich nach unserem persönlichen Werdegang
       erkundigt.“ Koppers habe bei dem Besuch authentisch und glaubhaft gewirkt.
       „Man nimmt es ihr ab, wenn sie sagt, sie sei für jeden zu sprechen.“
       
       In einem Interview im stern äußerte sich Koppers im März zu den
       Aufstiegschancen von Frauen. „Mein Problem ist, dass ich Frauen erst mal
       motivieren muss, überhaupt Karriere in der Polizei zu machen.“ Eine Frau an
       der Spitze der Berliner Polizei könne eine Symbolwirkung haben, bestätigt
       Professorin Sticher. „Es wäre ein Signal, dass hohe Führungspositionen auch
       für Frauen zugänglich sind.“
       
       In dem streng hierarchisch, zum Teil fast militärisch organisierten
       Polizeiapparat sei Koppers eine Art „Lichtgestalt“, sagt ein Beamter. Ihr
       Blickwinkel als Juristin tue der Behörde gut. „Gleichzeitig spürt man ihre
       Wertschätzung, dass sie sich mit der Polizei identifiziert“, sagt der
       Beamte.
       
       Lobende Worte gibt es auch von Gewerkschaftsseite. „Sie führt. Und sie ist
       konsequent“, sagte der Geschäftsführer Klaus Eisenreich im Sommer. Das
       Entscheidende aber sei: „Mit ihr kann man reden. Nicht mauscheln, nein. Sie
       setzt sich hin, zu jeder Tages- und Nachtzeit.“ Das bestätigen auch die
       Personalräte und der Gesamtpersonalratsvorsitzende Karl-Heinz Dropmann.
       
       Zu Koppers Markenzeichen gehört, dass sie Fehler offen eingesteht und
       ungeschminkt ihre Meinung sagt – auch gegenüber ihrem Vorgesetzten. Sie ist
       parteilos und verhält sich auch so. Als die CDU in den
       Koalitionsverhandlungen im Herbst 2011 forderte, die gerade erst
       eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten zu kippen, trat Koppers in
       einem taz-Interview vehement für diese ein. Die Kennzeichnungspflicht
       blieb.
       
       ## Fehlender Stallgeruch
       
       Keine Frage: „Everybody’s Darling“ ist diese Frau nicht, schon gar nicht
       bei der CDU. Es hat Zeiten gegeben, da schien dies anders. Bei öffentlichen
       Auftritten wirkten Koppers und Henkel so, als passe zwischen sie kein
       Blatt. Sie tuschelten und kicherten und wurden in der Polizei schon nach
       der Zeichentrickserie „Susi und Strolch“ genannt.
       
       Dann kam der 1. Mai. Polizisten fanden bei einer Demonstration drei
       vermeintliche Rohrbomben. Koppers wurde zum Vorwurf gemacht, Henkel,
       Parlament und Öffentlichkeit nicht frühzeitig von den Funden informiert zu
       haben. Die Bomben erwiesen sich als harmlos.
       
       Es folgte die Affäre um den V-Mann Thomas S. Eigentlich wäre es Aufgabe des
       Innensenators gewesen, den NSU-Untersuchungsausschuss über den Vorgang zu
       unterrichten. Henkel indes gab Koppers die Schuld, dass dies nicht
       geschehen war.
       
       In der Polizei gibt es Stimmen, die meinen, man muss eine Polizeilaufbahn
       hinter sich haben und jahrelang Streifenwagen gefahren sein, um die Behörde
       leiten zu können. Koppers fehle der Stallgeruch, heißt es. „Sie hat den
       Laden ruhiggehalten, stimmt. Aber abgesehen davon, dass sie mit dem Fahrrad
       zum Dienst kommt – was macht sie denn anders?“, fragt einer.
       
       Von Journalisten zur Rede gestellt, hat Koppers vorletzte Woche Mutmaßungen
       über mögliche Gründe angestellt, die gegen ihre Ernennung zur Polizeichefin
       sprechen könnten. Es könne sein, dass ihr auf politischer Ebene mit
       Misstrauen begegnet werde. Schließlich sei sie unter der rot-roten
       Vorgängerregierung ins Amt gekommen und habe kein Parteibuch. Die
       CDU-Fraktion reagierte empört. Den Vorwurf der Parteilichkeit will man
       nicht auf sich sitzen lassen. Henkel forderte die Vizepräsidentin auf, sich
       schriftlich zu erklären.
       
       Geschickter wäre es gewesen, Margarete Koppers hätte dieses Mal
       geschwiegen. Nun steht sie als schlechte Verliererin da. Inhaltlich indes
       gibt es keinen Grund, etwas von dem Gesagten zurückzunehmen. „Parteien
       besetzen wichtige Verwaltungspositionen in der Regel mit parteinahen
       Leuten“, sagt der Parteienforscher Neugebauer. „Wer das nicht wahrhaben
       will, leugnet die Wirklichkeit.“
       
       17 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
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