# taz.de -- Kommentar Kroatien: Gradmesser der Reife
       
       > Ministerpräsident Milanović erinnert Kroatien an die Verantwortung für
       > Kriegsverbrechen. Das ist ein Lichtblick. Vielleicht ist Kroatien ja doch
       > reif für Europa.
       
       So überraschend, wie die meisten Medien erklärten, war das Urteil des
       UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag auch wieder nicht. Das Gericht hat
       nur korrigiert, was nach Ansicht vieler Juristen im ersten Verfahren falsch
       gelaufen war: Es sprach die beiden Generäle Gotovina und Markac vom Vorwurf
       frei, als Kommandeure kroatischer Truppen bei der Wiedereroberung der
       serbisch besetzten Gebiete 1995 Verbrechen begangen zu haben. Gotovinas
       Vergangenheit als Fremdenlegionär ist indessen eindeutig. Doch wegen dieser
       Vergangenheit stand er nicht vor Gericht.
       
       Mit dem Urteil fühlen sich jedoch auch viele Kroaten von aller Schuld und
       Verantwortung gegenüber den Opfern von damals freigesprochen. Der
       „Heimatkrieg“, wie die damalige Offensive in Kroatien genannt wird, ist in
       ihren Augen nun „von Europa“ gerechtfertigt.
       
       Dass zehntausende Kroaten 1995 in die wiedereroberten Gebiete strömten,
       serbische Häuser und Dörfer niederbrannten und dabei Serbenen töteten,
       blendet man lieber aus. Die jüngeren Kroaten sogar noch lieber als die
       älteren.
       
       Wie passt das geschichtsvergessene Kroatien zu Europa? Die Integration in
       die EU ist ja für Sommer 2013 angepeilt. Ein wichtiger Gradmesser für die
       demokratische Reife einer Gesellschaft ist, ob sie in der Lage ist, für die
       im eigenen Namen begangenen Verbrechen Verantwortung zu übernehmen.
       
       Dass der kürzlich mit großer Mehrheit gewählte sozialdemokratische
       Ministerpräsident Zoran Milanović jetzt seine Nation an diese Verantwortung
       erinnerte, hat ihm scharfe Kritik aus dem breiten nationalistischen Lager
       eingetragen. Er hat mit seinem Statement die zivilen und demokratischen
       Kräfte und nicht zuletzt die Position der nach Kroatien zurückgekehrten
       Serben gestärkt. Und das ist in der Region Südosteuropa keinesfalls
       selbstverständlich.
       
       18 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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