# taz.de -- Wahl des EU-Gesundheitskommissars: Bedenkliche Ansichten
       
       > Der designierten Gesundheitskommissar Tonio Borg macht sich nicht gerade
       > Freunde. Ihm wird nachgesagt, dass er Homosexuelle diskriminiert und
       > Scheidungen ablehnt.
       
 (IMG) Bild: Hatte sich die Wahl zum EU-Gesundheitskommissar wohl leichter vorgestellt: Tonio Borg.
       
       BRÜSSEL taz | Der designierte Nachfolger des maltesischen EU-Kommissars
       John Dalli, der wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten ist, entzweit das
       Europäische Parlament. Bis kurz vor der Abstimmung am Mittwoch war nicht
       klar, ob der Tonio Borg, bisher Außenminister Maltas, die Zustimmung der
       Mehrheit der Abgeordneten bekommen würde. „Ich hebe nicht die Hand für
       einen, der das Recht auf Scheidung für Frauen ablehnt und Homosexuelle
       diskriminiert“, sagt die grüne EU-Abgeordnete Franziska Brantner.
       
       Die Grünen und die Liberalen wollen geschlossen gegen Borg stimmen – vor
       allem wegen seiner erzkonservativen Ansichten, was Homosexualität,
       Abtreibung und Scheidung angeht. „Borg hat zwar versichert, dass dies seine
       Arbeit als Kommissar nicht beeinflussen würde. Aber gerade bei dem
       Zuständigen für Gesundheitspolitik möchten wir dieses Risiko nicht
       eingehen“, sagt Brantner.
       
       Als sich die Mehrheit der Malteser in einem Referendum 2011 für das Recht
       auf Scheidung ausgesprochen hat, stimmte Borg gegen das neue Gesetz. Bei
       der maltesischen Rentenreform 2009 sprach er sich gegen ein Erbrecht für
       Homosexuelle und unverheiratete Paare aus. „Wir werden nur diejenigen
       schützen, die Schutz verdient haben“, soll er damals gesagt haben.
       
       Als Borg sich in der vergangenen Woche den Fragen der EU-Parlamentariern
       stellte, war er sehr darauf bedacht, seine radikalen Ansichten zu
       relativieren. Immer wieder erklärte er, seine persönlichen Ansichten würden
       keine Auswirkungen auf seine Arbeit in Brüssel haben. Er wolle alle
       EU-Gesetze respektieren.
       
       Die Zustimmung der Abgeordneten ist formell nicht zwingend notwendig.
       Sollte Borg allerdings durchfallen, gilt er als politisch so beschädigt,
       dass die maltesische Regierung wohl einen neuen Kandidaten aufstellen
       würde. Die Konservativen, aus deren Parteifamilie Borg kommt, wollen
       geschlossen für ihn stimmen. Nun hängt es an den Sozialdemokraten. Die
       waren noch unentschlossen. „Fachlich hat sich Borg hervorragend
       vorbereitet. Das spricht für ihn. Allerdings sind einige seiner Ansichten
       durchaus bedenklich“, sagt der SPD-Europa-Abgeordnete Jens Geier.
       
       Er wies er darauf hin, dass die Abgeordneten Borg auch später noch absetzen
       könnten. „Wir haben zwar formell nicht das Recht, einen Kommissar
       rauszuschmeißen. Aber es gibt eine Vereinbarung mit Barroso, dass er einen
       Kommissar entlässt, wenn ihm das Parlament das Misstrauen ausspricht.“
       Sollte Borg also doch eine Politik gegen die Rechte von Frauen oder
       Homosexuellen machen, könnte das Parlament doch noch die Reißleine ziehen.
       
       ## Olaf spricht
       
       Parallel zur Suche nach einem Nachfolger geht der Streit über den Rücktritt
       des bisherigen Gesundheitskommissars Dalli weiter. Ihm wird vorgeworfen,
       nichts unternommen zu haben gegen einen maltesischen Geschäftsmann, der
       damit geprahlt hatte, dafür sorgen zu können, dass Dalli die umstrittene
       Tabakrichtlinie abschwächt. Dafür verlangte er von einem schwedischen
       Tabakhersteller 10 Millionen Euro.
       
       Die EU-Anti-Korruptionsbehörde Olaf behauptet, Dalli hätte davon gewusst
       und den Bestechungsversuch nicht gemeldet. Dalli dagegen beteuert seit
       Wochen seine Unschuld. Er sei vom Präsidenten der EU-Kommission zum
       Rücktritt gezwungen worden, obwohl er sich korrekt verhalten habe. Das
       Europäische Parlament verlangt Einblick in die Untersuchungsakten. Der wird
       ihm bisher von Olaf verweigert.
       
       Tonio Borg hat in der Anhörung im EU-Parlament angekündigt, er wolle als
       Dallis Nachfolger die Tabakrichtlinie in unveränderter Form im Januar
       kommenden Jahres vorlegen.
       
       21 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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