# taz.de -- „Kein-Castor“-Ticker: Ohne Atommüll im Wendland
       
       > Die grüne Bürgermeisterin von Dannenberg ist unzufrieden mit ihrer
       > Partei. Die Tagesbilanz der Polizei im Wendland ist nach ersten
       > Informationen gemischt.
       
 (IMG) Bild: Der Liveticker sagt Gute Nacht.
       
       ## 20.00 Uhr: Berlin/Hitzacker
       
       Und Tschüß: Genau vor einem Jahr blickte ganz Deutschland ins Wendland, als
       CastorgegnerInnen einen Atommülltransport so lang aufgehalten hatten wie
       noch nie. Heute ist die Politik bei der Lösung der Endlagerfrage kaum
       weiter gekommen. Im Wendland gibt es allerdings mehr als blockierte
       Schienen, seine unbeugsamen Bewohner sind mehr als einbetonierte
       Aktivisten.
       
       In den über 30 Jahren Protest gegen den Castor ist hier ein eigenes
       Völkchen entstanden, dass nicht nur die „Freie Republik Wendland“
       ausgerufen hat, sondern vormacht, wie regionale Identität als alternative
       Lebensform auch ohne Lederhosen funktioniert. Es ist eine Art
       Gesellschaftslabor. Das taz-Fazit lautet daher: Wir brauchen unbedingt
       überall Atommüll. ... Kleiner Scherz. Und vielen Dank für die
       Aufmerksamkeit.
       
       Es berichteten aus dem Wendland Ingo Arzt und Sebastian Erb, unterstützt in
       Berlin von Cédric Koch und Daniél Kretschmar. 
       
       ## 19.58 Uhr: Hitzacker
       
       Der Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Martin Donat,
       hauptberuflich Gärtner, genießt in einem Restaurant Wildbraten mit
       Kollegen. Der Blick auf die Elbe wäre schön, es ist aber zu dunkel. Er
       fasst nochmals zusammen, was den Atomkraft-Gegnern in der Region auf der
       Seele brennt
       
       „Das ist alles ziemlich perfide. Momentan gibt es nur deshalb keine
       Castortransporte, weil die Öffentlichkeit abgelenkt werden soll“, sagt er.
       Das momentan diskutierte Endlagersuchgesetz ist für ihn ein
       Endlagerdurchsetzungsgesetz, das lediglich Gorleben als Atomklo
       legitimieren soll. Ein Gesetz könne man schließlich nicht durch eine
       Sitzblockade aufhalten.
       
       ## 19.52 Uhr: Irgendwo im Internet
       
       Seit dem vergangenen Wochenende haben die Aktivisten im Wendland einen
       neuen politischen Unterstützer. Die Piratenpartei hat auf ihrem
       Bundesparteitag in ihr Wahlprogramm geschrieben, dass sie Gorleben als
       Endlager ablehnt. Die Piraten sind sogar grundsätzlich gegen
       Atommüllendlager.
       
       „Die Piratenpartei Deutschland will, dass nuklearer Müll grundsätzlich nur
       so gelagert wird, dass bei Bedarf eine Rückholung erfolgen kann“,
       [1][Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA188:heißt es im Wahlprogramm
       2013]. Auch im Wendland gibt es einen Piraten. Zumindest sei er der
       einzige, der hier wohnt, sagt Philipp Horstmann aus Hitzacker, der auch bei
       den [2][@antiatompiraten] aktiv ist. Bei den Protesten kümmert er sich um
       das Wlan-Netz. Aber er ist gerade nicht im Wendland. Und sein Mobiltelefon
       ist aus. Deshalb kann er jetzt nicht noch mehr erzählen.
       
       ## 19.27 Uhr: Per Mail – Elke Mundhenk, Bürgermeisterin von Dannenberg
       
       Elke Mundhenk ist seit 2011 die Bürgermeisterin von Dannenberg. Ihre
       Partei: die Grünen. Und das bringt Probleme mit sich, denn Mundhenk ist
       schon lange im Wendländer Widerstand, sie ist über die Kirche dazu
       gekommen. Gerade liegt sie krank im Bett, aber sie hat per Mail einen
       Zeitungsausschnitt geschickt. „Hiesige Grünen unzufrieden“ heißt die
       Überschrift.
       
       Die Kreistagsfraktion der Grünen, zu der auch Mundhenk gehört, ist nämlich
       nicht einverstanden mit dem Parteitagsbeschluss der Grünen. „Nach allen
       Erfahrungen der vorigen 35 Jahre fehlt uns jegliches Vertrauen in die
       Lauterkeit und Unvoreingenommenheit der Akteure und in ihren Willen zur
       Ergebnisoffenheit“, wird Mundhenk zitiert. Die Befürchtung: Es läuft am
       Ende doch auf Gorleben hinaus, weil die geschaffenen Fakten schließlich
       mehr ins Gewicht fallen als die geologische Eignung.
       
       ## 19.16 Uhr: brandaktueller Veranstaltungstip aus der Elbe-Jeetzel-Zeitung
       
       Madsen lässt es krachen: Am 21. Dezember geben die vier Rocker aus dem
       Wendland ihr Weihnachtskonzert in Hitzacker im Verdo.
       
       ## 19.03 Uhr: irgendwo im Wendland
       
       Clara Tempel hat es eilig, sie muss zur Fahrschule, heute ist ihre letzte
       Theoriestunde. Sie ist noch jung, in zwei Wochen wird sie 17. Trotzdem hat
       sie schon viel Protest-Erfahrung; sie geht in die 11. Klasse der
       Waldorfschule, fast alle ihrer Klassenkamaraden engagieren sich gegen
       Atomkraft.
       
       Schon als Kind war Clara auf Demonstrationen dabei, erzählt sie. Mit 12 das
       erste Mal beim Castor. Sie hat darüber nachgedacht, ob es das ist, was sie
       auch selber will und nicht nur ihre Eltern. Ihre Antwort war: ja. Sie
       machte bei Sitzblockaden mit und organisierte welche im Rahmen von 365x,
       der Kampagne von X-tausend mal quer, jener Kampagne, bei der auch ihre
       Mutter mitmacht.
       
       Clara gefällt das Wendland, „es ist einfach wunderwunderschön“. Sie mag die
       Landschaft und die „netten Leute“, das Gemeinschaftsgefühl durch den
       Widerstand. Da nimmt sie es gerne in Kauf, dass es ein Stück weiter ist,
       wenn sie mal auf ein Konzert will. [3][Madsen] hört sie gern oder Tomte.
       Bald wird alles einfacher, ein paar Praxisfahrstunden fehlen noch, die
       Prüfung, dann hat sie ihren Führerschein. Die Fortbewegung übers Land wird
       so ein bisschen einfacher werden.
       
       ## 18.56 Uhr: Berlin – Erinnerungen
       
       Zu den All-Time-Favourites der Mobilisierungsvideos für die
       Gorlebenproteste gehört jenes von „Atomkraft wegbassen“, wo Angela Merkel
       zur Aufrührerin wird.
       
       ## 18.40 Uhr: Am Telefon – Thorben Becker vom BUND
       
       Manche Anti-Atom-Aktivisten werden sogar nostalgisch angesichts des
       „Kein-Castor“-Livetickers: „Ich wäre heute auch gerne ins Wendland
       gefahren, um dort etwas Schlimmes zu verhindern“, sagt Thorben Becker,
       Energiereferent für die [4][Naturschutzorganisation BUND]. Trotzdem findet
       er es positiv, dass das Atommüll-Zwischenlager dieses Jahr nicht weiter
       anwächst.
       
       Abseits von Protestnostalgie ist der Baustopp im möglichen Endlager
       Gorleben auch für ihn eine „positive Entwicklung“. Er fordert jedoch einen
       Ausschluss des Salzstocks bei der Suche nach einer endgültigen
       Lagerungsstätte für Atommüll – im Gegensatz zur Entscheidung des
       Grünen-Parteitags vom vorletzten Wochenende. „Da darf man nicht von
       abrücken“, sagt Becker.
       
       Würde das Wendland weiter in Betracht kommen, würde es seiner Meinung nach
       „wahrscheinlich ausgewählt werden, aus Kostengründen und weil kein anderer
       Standort seine Bevölkerung von einem Atommüll-Endlager überzeugen will“. In
       die Erkundung des Salzstocks sind bisher bereits schätzungsweise 1,4
       Milliarden Euro geflossen.
       
       ## 18.33 Uhr: Berlin
       
       Auch die Räume der taz leeren sich. Der Online-CvD hat seine Punk- und
       Metal-Playlist angeworfen. Die unvermeidlichen Sambagruppen im
       protestierenden Wendland wären jetzt eine ganz willkommene Alternative.
       
       ## 18.24 Uhr: Elbufer in Hitzacker
       
       Es ist dunkel. Vor dem Rewe schiebt ein älterer Herr seinen Rollator durch
       den Abend. Sonst keine Vorkommnisse. Gar keine.
       
       ## 18.21 Uhr: Am Telefon – Polizeidirektion Lüneburg
       
       Die Bilanz der Polizei ist am Abend eines langen Tages gemischt. „Ruhig ist
       immer relativ“, sagt Kai Richter, Sprecher der für das Wendland zuständigen
       Polizeidirektion Lüneburg. Es habe mehrere hundert Einsätze im Zuge des
       Ermittlungsschwerpunktes Einbruchskriminalität gegeben. Dafür sei ohne
       Castor-Transport nun mehr Zeit.
       
       ## 18.11 Uhr: Metzingen
       
       Kurz vor dem Ortseingang liegen drei gelbe Fässer mit Atomwarnzeichen am
       Straßenrand. Sie strahlen im Dunkeln nicht.
       
       ## 17.54 Uhr: Pretzetze
       
       Kerstin Rudek ist im Wendland aufgewachsen, sie war nie weg, „Ich bin
       Eingeborene“, sagt sie. Sie lebt sehr gerne hier, jede zweite Woche mit
       zwei ihrer Kinder, die anderen sind schon aus dem Haus, und drei bis fünf
       Katzen und einem Hund.
       
       Nur eines gefällt der 44-Jährigen nicht. Wenn sie aus der Türe geht, und es
       ist dunkel ist, leuchtet der Himmel orange. „Das ist der einzige Makel
       hier“, sagt sie, „Das ist das Zwischenlager“. Drei Kilometer Luftlinie
       entfernt. Sie habe recht konservative Eltern gehabt, die sich früher nicht
       für Gorleben interessant haben, erzählt Kerstin Rudek. Sie zog alleine los
       und bei ihrer ersten Aktion geriet sie gleich in Konflikt mit der Polizei.
       
       „Ich habe von Anfang an mitbekommen, dass wir es nicht nur mit Atomkraft zu
       tun haben, sondern auch mit polizeistaatlichen Methoden.“ Seitdem ist sie
       aktiv. Die vergangenen fünf Jahre bis April dieses Jahres war sie
       Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, ein Vollzeitjob,
       ehrenamtlich. „Mein Engagement ist nur möglich, weil meine Familie
       mitmacht.“ Es ist ein Herzensanliegen.
       
       Sie spornt an, dass sie immer wieder Dinge hört, die ihr Angst machen. Ende
       September war sie auf dem Endlagersymposium der Aachen Institute for
       Nuclear Training. 999,60 Euro Teilnahmebeitrag. Ihr Eindruck: „Da glaubt
       niemand an den Atomausstieg.“ Im Prinzip sei es ein Gorleben-Symposium
       gewesen, es würden Strategien entwickelt, wie Gorleben als Endlager
       durchgesetzt wird.
       
       Sie fordert: „Die Atomkraftwerke sofort abschalten, alle Atommülltransporte
       stoppen. Wenn die Badewanne überläuft, dreht man erstmal den Hahn ab. ...
       Die können sich nicht hinstellen und sagen, es gibt die und die
       Erkenntnisse.“ Rudek erinnert an Tschernobyl und Fukushima: „Es ist nicht
       sicher.“ Das gelte im Übrigen auch für Flugzeugabstürze. Und noch etwas ist
       ihr wichtig: An den Alternativen arbeiten: erneuerbare Energie, Wärme,
       Mobilität. Der kommunale Energieversorger bekam vor Kurzem den 1000.
       Kunden. Das freut sie. Wohin soll der Atommüll, wenn nicht nach Gorleben?
       
       „Man muss einen geeigneten Ort finden“, sagt sie. Sie weiß, dass es sehr
       schwierig wird, den bestmöglichen Standort zu ermitteln und zuammen mit der
       Bevölkerung umzusetzen. Im Moment drücke der Schuh mehr bei der Asse. „Die
       Politik muss dafür sorgen, dass dort der Müll herausgeholt wird.“ Und dann
       eine ausführliche wissenschaftliche Aufarbeitung.
       
       Rudek hat eine Ausbildung zur Heilpraktikerin und Homöopathin gemacht. Aber
       arbeiten will sie in diesem Beruf erstmal nicht. „Ich habe mir überlegt, wo
       kann ich mein ganzes Wissen anwenden?“ Sie will jetzt in die Politik. Sie
       ist jetzt Kandidatin für den niedersächsichen Landtag, Listenplatz 7, wenn
       es die Linkspartei in den Landtag schafft, ist sie drin. Rudek ist
       zuversichtlich, dass es klappt. „Gorleben ist unser
       Alleinstellungsmerkmal.“ Dann sei aber Schluss mit Blabla. Sie kenne sich
       schließlich aus. „Da wird es viel zu reden geben.“
       
       ## 17.46 Uhr: Dannenberg
       
       In einem Schuhgeschäft ein Kurzinterview mit einer Verkäuferin über Sinn
       und Unsinn eines atomaren Zwischenlagers. Fazit: „Irgendwo muss man den
       Atommüll doch artgerecht lagern.“
       
       ## 17.39 Uhr: Am Telefon – Stefan Wenzel, Landtagsfraktion der
       niedersächsischen Grünen
       
       Obwohl die niedersächsischen Grünen beim Parteitag in Hannover vorletztes
       Wochenende beschlossen haben, den Salzstock zunächst als Endlager im Rennen
       zu lassen, sieht der grüne Spitzenkandidat Stefan Wenzel darin keinen
       Kurswechsel: „Wir haben festgestellt, dass Gorleben als Endlager geologisch
       ungeeignet und politisch verbrannt ist“, sagte er taz.de.
       
       Die Grünen hatten entschieden, Gorleben in den zwischenparteilichen
       Verhandlungen nicht von vorneherein als finalen Atommüll-Friedhof
       auszuschließen. Laut Wenzel bedeutet dies jedoch trotzdem, dass Gorleben
       als Option ausfalle: „Der Beschluss wirkt wie ein Junktim: Wir werden einem
       Gesetz nur zustimmen, wenn sicher ist, dass ungeeignete Standorte wie
       Gorleben endgültig ausscheiden“.
       
       Übrigens wird durch die diesjährige Castorfreiheit im Wendland auch für
       Wenzel ein fester Termin im Kalender frei. „Ich bin wenn ich mich richtig
       erinnere bei jedem Castortransport zu Protestaktionen gegangen“, sagte der
       gebürtige Däne, der bei der Landtagswahl für den Wahlkreis Göttingen
       antritt.
       
       ## 17.20 Uhr: Metzingen
       
       Kein Karneval: Peter-Wilhelm Timmes Hund Leo ist ein großes, schwarzes,
       treuherziges Tier und wahrscheinlich das einzige seiner Art, das schon Mal
       einen Castor geschottert hat. Schottern machen sonst nur Menschen, wenn sie
       den Kies aus dem Gleisbett entfernen, um einen Castor aufzuhalten. Leo
       schottert auch, erzählt Timme, zumindest ist er mal im Fernsehen gewesen,
       als er während eines Atommülltransportes inmitten des Protestchaoses den
       Schotter aus dem Gleisbett gescharrt hat.
       
       Timme ist Landwirt, hat schon mindestens 10 Mal, so genau weiß er es auch
       nicht mehr, Protestcamps auf seinem Hof beherbergt und ist heilfroh, diesen
       Stress in diesem Jahr nicht zu haben. „Das ist ja kein Karneval, wir machen
       das, weil wir ein Ziel haben, wir wollen hier keinen Atommüll“, sagt er.
       
       Timme ist ein gemütlicher Landwirt Mitte 50, hat drei Kinder, baut zum
       Beispiel Rüben oder Mais an. Timme ist auch ein widerborstiger
       Castorgegner, die Anzeigen gegen ihn füllen ganze Ordner, er hat bisher
       alle Prozesse gewonnen. Die Töchter betonieren sich schon mal auf der
       Strecke ein, um den Transport aufzuhalten. Was er von aktuelle Debatte um
       eine bundesweite Endlagersuche hält? „Ich fürchte, die machen am Ende hier
       in Gorleben einfach weiter“, sagt er.
       
       ## 17.06 Uhr: Berlin – Zwischenstand
       
       Eine neue Erfahrung: Ohne Sorge die Ortsnamen aus dem Wendland am Telefon
       zu hören. Hitzacker, Laase, Metzingen, der Hof von Peter-Wilhelm Timme...
       
       Ein falsches Foto mussten wir im Ticker bislang rausnehmen, und das Kreuz
       ist ein X, danke.
       
       ## 16.49: Dannenberg, KdW
       
       Das KdW liegt gegenüber der Polizeiwache, gleich am Marktplatz. Das
       „Kaufhaus des Wendlands“ gibt es jetzt im sechsten Jahr. Die Produktpalette
       ist groß, von Wein, Honig über Kunsthandwerk aus Holz bis zu Klamotten. Und
       den „X-Bier-Senf“ – davon wird ein Euro pro Glas an den Widerstand in
       Gorleben gespendet. Und auch Postkarten mit Szenen des Protests.
       
       26 Kunsthandwerker und Künstler aus dem Wendland betreiben den Laden
       zusammen, so muss jeder nur zweimal im Monat an der Kasse stehen. Gerade
       ist es Kerstin Rüter, 41, sie kam 1998 ins Wendland. Früher war sie
       Tierärztin, bekam ein Burn-out, war eine Weile in Neuseeland und
       Australien. Heute macht sie in „Karten und Batik“. Alle seien sie gegen den
       Castor, gegen das Endlager, sagt sie. „Hier muss man Stellung beziehen.“
       
       Eine junge Frau kommt herein, sie hat eine Einladung mitgebracht zur
       Eröffnung des „Bahnhofs Dannenberg Ost“. Der lag lange brach, jetzt wird
       dort eine Begegnungsstätte eröffnet, initiiert von der Diakonie. Motto:
       „Mehr als ein Bahnhof.“ Und: „Wir eröffnen neue Räume.“ Sie brauchen noch
       Preise für die Tombola.
       
       ## 16.31: Am Telefon – Christoph Bautz von campact
       
       Langjährige Anti-Atom-Aktivisten sind auch im Castor-freien Jahr 2012 nicht
       tatenlos, vor allem die Endlagersuche und das Schicksal Gorlebens bleibt
       ein dringendes Anliegen. „Jetzt ist der Zeitpunkt, um in den Startlöchern
       zu stehen für die Endlager-Entscheidungen“, sagt Christoph Bautz,
       Geschäftsführer der Kampagnen-Spezialisten von [5][campact]. Solange das
       eigentliche Ziel der Transporte, das geplante Endlager in Gorleben, nicht
       vom Tisch sei, werde seine Organisation „natürlich weiter Druck machen“.
       
       Auch für ihn ist der kürzlich erfolgte Erkundungsstopp im Salzstock „ein
       großer Erfolg“, aber es gehe vielmehr darum, den gesamten Suchprozess
       transparenter zu gestalten.
       
       „Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Debatte bei der Endlagersuche“,
       sagt Bautz und fordert eine größere Einbeziehung der Bevölkerung. Ansonsten
       führe dies nur dazu, dass derselbe Widerstand wie im Wendland bald zum
       Beispiel von Menschen in Baden-Württemberg oder Bayern kommen werde. Der
       gegenwärtigen Politik hält er dieses Versäumnis vor: „Wir brauchen nicht
       nur einen Parteienkonsens, wie ihn Altmaier aber auch die Grünen und Sigmar
       Gabriel fordern, sondern einen gesellschaftlichen Konsens“, sagt Bautz.
       
       ## 16.18 Uhr: Kolborn
       
       Protest als Jungbrunnen: Die Grande Dame des Wendländer Widerstandes,
       Marianne Fritzen, hat den Geist einer 35-Jährigen, aber leider den Körper
       einer 89-Jährigen. Das sagt sie über sich, in ihrem über und über mit
       Büchern vollgestopften Haus.
       
       Seit 1973 hat sie unzählige Male demonstriert, gegen Atomkraftwerke an der
       Elbe, gegen Wiederaufbereitungsanlagen, gegen das Zwischenlager, gegen das
       Endlager. „Das waren noch Zeiten, als wir wie die Wilden durch den Wald
       gelaufen sind“, sagt sie. Heute nimmt sie einen Stuhl zum Protestieren mit.
       Fritzen weiß, worüber gerade diskutiert wird, um das Endlagersuchgesetz und
       sie hält nicht viel davon.
       
       „Die wollen jetzt die Bevölkerung mitnehmen und beteiligen. Bitte, wie soll
       das gehen? Wie will ich die Bevölkerung mitnehmen, wenn ich ein Endlager
       für Atommüll suche?“, fragt sie und hämmert fast mit den Fäusten auf den
       Tisch. Dann zeigt sie noch ein Familienfoto: fünf Kinder, dazu zwei
       angeheiratete, ein Haufen Enkel. Die schreiben sich alle auf Facebook,
       davon hält sie aber nichts. „Wenn einer was will, soll er eine Mail
       schreiben.“ Dann entschuldigt sie sich. Sie muss heute noch nach Hamburg
       weiter.
       
       ## 16.06 Uhr: Gorleben, Betreibergesellschaft
       
       Jürgen Auer ist ein ruhiger Typ mit grauem Vollbart, er trägt ein
       gemütliches Jacket über seinem Pullover. Er ist der langjährige
       Pressesprecher der Gesellschaft GNS, die das Zwischenlager in Gorleben
       betreibt, getragen von den vier großen Stromkonzernen.
       
       Im Prinzip hätten sie sowas wie ein Parkhaus, sagt Auer, sie vermieten
       Stellplätze. Stellplätze für Castor- und andere Atommüllbehälter, 113 sind
       es momentan. Der nächste komme nicht vor 2014, vielleicht auch erst 2015,
       aus Sellafield in England. Auer meint, es sei sicher. Wobei er sich gegen
       den Begriff „absolut sicher“ wehrt. Er sagt es gebe nur zwei Möglichkeiten:
       sicher oder unsicher. Auch ein Flugzeugabsturz hielten sie aus, das müssten
       sie ja auch schon beim Transport. Egal welche Flugzeuggröße, das sei
       getestet worden.
       
       Im Schnitt kommt eine Gruppe am Tag, um sich über das Zwischenlager zu
       informieren, erzählt Auer. Auch aus dem Ausland, gerade haben sich Chinesen
       angekündigt. Fachbesucher zumeist und Kommunalpolitiker. Manchmal kommen
       auch Atomkraftkritiker, aber einen Konflikt habe er mit diesen nicht. "Wir
       haben keinen Auftrag irgendjemanden zu überzeugen. Wir informieren nur, was
       wir machen." Eine Meinung müsse sich jeder selber bilden.
       
       Zur Endlagerfrage will er erst nicht viel sagen, denn da sei seine Firma
       schließlich nicht zuständig, sondern der Bund. Dann erzählt er doch
       einiges. Er berichtet von einem Papier, in dem stand, dass 92 ein Endlager
       eröffnet werde. „Ich bin zuversichtlich, dass das klappt“, sagt Auer und
       freut sich über seinen eigenen Witz, dessen Pointe er gleich ausspricht:
       2092.
       
       ## 15.34 Uhr: Gorleben
       
       Ein paar hundert Meter hinter dem Zaun ist der Salzstock Gorleben, das
       Erkundungsbergwerk; hier entsteht möglicherweise das Atommüll-Endlager. Der
       Wachmann in der neongelben Jacke fragt den taz-Reporter, wer man sei und
       was man wolle. „Castor“, sagt er dann, „den gibt's so bald nicht.“
       
       Das ist genau der Grund, warum Katja Tempel im vergangenen Jahr oft hier
       war. Sie zeigt auf die schmale Straße vor dem Tor. „Mit drei Leuten kann
       man das schon blockieren.“ Mit 18 Leuten kann man das gesamte Gelände
       dichtmachen, denn sechs Tore gibt es insgesamt.
       
       Katja Tempel ist Sprecherin von [6][X-tausendmal quer]. Als absehbar war,
       dass erstmal keine Castortransporte kommen, legten sie den Fokus mit der
       Kampagne auf das potentielle Endlager. Mehr als 120 Blockaden haben sie von
       August 2011 bis August 2012 unter dem Namen 365X gemacht, nicht immer
       allein, es kamen auch Gruppen von außerhalb. Manchmal wurden sie nach zwei
       Stunden von der Polizei weggetragen, manchmal nach sechs.
       
       Sie haben die Aktion verlängert und vor Kurzem ausgesetzt. Denn die
       Erkundungsarbeiten wurden vorläufig gestoppt. Anwohner hatten dagegen
       geklagt, dass der Rahmenbetriebsplan bis Ende des Jahres verlängert wird.
       Die Klage wird erst im kommenden Jahr verhandelt.
       
       Katja Tempel ist Hebamme, sie kam vor 25 Jahren ins Wendland, wegen des
       Widerstands. Dass es eine sichere Endlagerstätte gibt, daran glaubt sie
       nicht. Aber Gorleben sei aus vielen Gründen überhaupt nicht geeignet. Wegen
       der geologischen Beschaffenheit, aber auch wegen des politischen
       Widerstands.
       
       Gegen Tempel und MitstreiterInnen läuft ein Ermittlungsverfahren wegen
       Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Aber das lächelt sie weg. Vor
       Kurzem stand sie vor Gericht, weil sie vor dem Eingang zum
       Erkundungsbergwerk ein Zelt aufgebaut hatte und das Bußgeld nicht bezahlen
       wollte. Das Verfahren wurde eingestellt. Katja Tempel merkt noch an: Die
       gelben Kreuze, die in diesem Live-Ticker mehrfach auftauchen, heißen nicht
       die Kreuze, sondern "X"e. Sie entstanden als man vor dem ersten
       Castortransport nur wusste, dass er am Tag X kommt.
       
       ## 15.22 Uhr: Hintergrund Atommüll VI
       
       Wie ist Gorleben überhaupt zum geplanten Atommüllendlager geworden? Nicht
       erst seit Greenpeace 2010 [7][tausende Akten öffentlich] machte, wird die
       offizielle Version der Findung immer mehr in Frage gestellt. Nicht
       vorurteilsfreie Untersuchung, sondern [8][ökonomisches und politisches
       Kalkül] der niedersächsischen Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU)
       machten den Salzstock zum möglichen Endlager. 
       
       ## 15.07 Uhr: Gorleben
       
       Ein doppeltes Tor schützt wie immer die Zufahrt zum Zwischenlager Gorleben,
       zwei Zäune sichern es, inklusive Wachpersonal, Videoüberwachung,
       Stacheldraht. 131 Castoren lagern dahinter, bis irgendwann mal irgendwo ein
       Endlager für deutschen Atommüll gefunden ist. Übrigens: Eltern haften für
       ihre Kinder. So steht es am Eingangstor geschrieben.
       
       ## 14.55 Uhr: Berlin
       
       Im taz-Café gibt es heute Nudeln mit Gemüsebolognese. Ein Essen wie aus der
       Vokü im Protestcamp in Hitzacker.
       
       ## 14.37 Uhr: Gorleben
       
       Das Zwischenlager informiert: Das Informationshaus der
       Betreibergesellschaft des Zwischenlagers ist ein altes Fachwerkhaus. Früher
       war hier die Schule. Heute ist eine 32-köpfige Gruppe aus Bad Bevensen in
       der Lüneburger Heide zu Besuch. Eine Selbshilfegruppe von Menschen, die
       einen Schlaganfallpatienten und ihre Angehörigen.
       
       Gorleben sei ja jetzt wieder „im Gespräch in der großen Politik“, sagt
       Walter Kerner, der den Ausflug organisiert hat. Da wolle man sich
       informieren. Jürgen Auer, Pressesprecher der Betreibergesellschaft GNS
       begrüßt die Gruppe. Er zeigt auf ein Metallmodell, dass neben der Treppe
       aufgestellt ist. „Das ist ein Brennelement in Originalgröße“, sagt er.
       
       ## 14.25 Uhr: Dannenberg
       
       Kurt Herzog, der Landtagsabgeordnete der Linkspartei, bereitet sich auf die
       Plenumssitzung kommende Woche vor, die letzte vor der Landtagswahl.
       Gorleben wird auf der Tagesordnung stehen. Die Linkspartei bringt einen
       Antrag ein, den sie bereits 2008 formuliert hat, darauf ist Herzog stolz.
       Sie seien – im Gegensatz zu Schwarz-Gelb – eben keine „Atomwendehälse“.
       
       Für Herzog ist klar: „Man muss bei der Suche nach einem Atommüllendlager
       ganz neu beginnen“, sagt er, „bei Null“. Man müsse eine oberflächennahe
       Lagerung prüfen, fest verbunkert, möglicherweise dezentral. „Ich kann
       verstehen, dass die Leute vor ihrer Haustüre kein Atommülllager wollen.“
       
       ## 14.01 Uhr: Hintergrund Atommüll V
       
       Während Regierung und Opposition in der Endlagerfrage aufeinander zugehen,
       lehnen Umweltschutzorganisationen Gorleben als potentiellen Standort
       weiterhin kategorisch ab. Für die Suche nach einem Endlagerstandort
       [9][hält zum Beispiel Greenpeace es für unerlässlich], die Vorgänge um
       Gorleben restlos aufzuklären und den Salzstock ein für allemal von der
       Liste potentieller Lagerstätten zu streichen. 
       
       ## 13.47 Uhr: Apropos
       
       Im vergangenen Jahr hat die FR [10][Graf Andreas von Bernstorff besucht],
       dem ein Teil des Gorlebener Salzstocks gehört – und der gegen das
       Atommülllager aktiv ist.
       
       ## 13.42 Uhr: Frankfurt am Main
       
       Die KollegInnen bei der Frankfurter Rundschau [11][fragen nach mehr
       Gummibärchen]. Sie hätten bereits alle aus dem Care-Paket verputzt. Also,
       wir haben noch welche von Euren, die Ihr uns damals geschickt habt. ;-)
       
       ## 13.30 Uhr: Dannenberg
       
       Ein Polizist in Uniform eilt an der Kirche vorbei, in der Hand einen bunten
       Rucksack. „Es ist schon gut, dass es in diesem Jahr keinen Castor gibt“,
       sagt er. Wenn man dann Dienst hat, ist es sehr stressig, sei es an der
       Strecke oder auf dem Revier. Wochenlang Stress. „Und in der Freizeit kommt
       man nirgendwo hin.“ Dann muss der Polizist weiter zum Polizeirevier, seine
       Schicht beginnt. Davor steht ein Polizeiauto mit Lüneburger Kennzeichen.
       Warum, ist unklar.
       
       ## 13.19 Uhr: Am Telefon – Stefan Voelkel, Safthersteller
       
       Auch die Wirtschaft im Wendland ist durch Erinnerungen an die Proteste und
       Blockaden gegen den Atommüll geprägt. „Ich bin als Kind damit aufgewachsen
       und war mit meinen Eltern jedes Mal mit dabei“, sagt Stefan Voelkel,
       Geschäftsführer einer Saftfirma aus der Region. Er ist sich nicht sicher,
       ob man die diesjährige Abwesenheit der Transporte als Protest-Erfolg werten
       könne.
       
       Allerdings zeige laut Voelkel etwa der Erkundungsstopp im Salzstock
       Gorleben, den Anwohnerklagen durchgesetzt hatten, dass es sich lohne zu
       kämpfen: „Man muss am Ball bleiben und weiter Druck machen“. Auf die Frage
       hin, ob er ebenfalls bereits einmal bei einer Sitzblockade weggetragen
       wurde, antwortet Voelkel wie selbstverständlich: „Natürlich, das gehört
       doch schließlich dazu“.
       
       Werbung für das Wendland – auch ohne Großproteste und Blockaden – fällt ihm
       nicht schwer, die Region habe auch so sehr viel zu bieten: „Das Wendland
       ist ja eine wahre kulturelle Schönheit“, sagt Voelkel. Bestes Beispiel für
       ihn: Die kulturelle Landpartie, die jedes Jahr zwischen Himmelfahrt und
       Pfingsten im Landkreis Lüchow-Dannenberg stattfindet. Das Wendland sei nun
       mal eine „wunderschöne Region mit hochinteressanten Menschen“, sagt
       Voelkel, Castortransport hin oder her.
       
       ## 13.04 Uhr: Lüchow, Bioladen
       
       Neben dem Weltgeist und dem Geist des Kapitalismus gibt es den Wendländer
       Geist. Deshalb hat sich Elisabeth Frisch hier eine Scheune ausgebaut und
       ist im März hergezogen, nachdem sie jahrelang immer wieder demonstrieren
       war. „Wir lieben den kritischen Geist, der über der Gegend schwebt“, sagt
       sie in einem Bioladen mit allerlei regionalem Gemüse. Das Wendland hat
       mittlerweile Menschen aus ganz Deutschland angelockt. Künstler, Kreative,
       Aussteiger, Unternehmer. „Vielleicht ist das hier eine Keimzelle innerhalb
       Deutschlands, die zeigt, es geht auch anders“, sagt Frisch.
       
       Was es auch gibt im Bioladen: „Salz für Gorleben“, das aber nicht aus dem
       Salzstock Gorleben ist, weil da vielleicht Atommüll rein soll. Woher das
       Salz stammt, steht nicht drauf.
       
       ## 12.56 Uhr: Dannenberg
       
       Vor der Kirche parken zwei Autos. Beide haben Aufkleber auf ihren Hecktüren
       kleben. „Genfood? Nein Danke“, der berühmte Spruch von dem letzten Baum,
       dem vergifteten Fluss und dem Geld, dass man nicht essen kann. Und
       natürlich: „Stopp Castor! Stopp Atomkraft!“ und „Castor blockieren“.
       
       ## 12.50 Uhr: Rathaus Gartow
       
       Der Bürgermeister der Samtgemeinde Gartow ist alles andere als ein
       Castorgegner. „Im Wahlkampf habe ich nie einen Hehl daraus gemacht, dass
       ich dem Zwischenlager positiv gegenüberstehe“, sagt der 58-jährige
       Friedrich-Wilhelm Schröder in seinem Amtszimmer im Rathaus von Gartow, das
       wie fast alle Häuser im Wendland in niedlichem Fachwerkklinker-Stil
       errichtet wurde.
       
       Gorleben, das Zwischenlager für die Castoren und das Erkundungsberkwerk als
       potentielles Endlager liegen auf der Gemarkung seiner Gemeinde. Der
       CDU-Politiker Schröder ist 2001 und 2006 mit satter Mehrheit gewählt
       worden. Ist Gorleben als Endlager geeignet? „Das würde ich nicht sagen, es
       gibt ja keine abschließende Erkundung“, sagt er. Ausschließen würde er den
       Standort aber nicht, auf einer bundesweiten Suche nach dem besten Standort
       für den Atommüll.
       
       Darin unterscheidet er sich von den Castor-Gegnern. Beim Verlassen des
       Rathauses fällt auf, dass Säcke mit zerkleinerten Akten im Gang liegen.
       Verfassungsschutz? „Klar, die bringen die zum Schreddern vorbei“, scherzt
       Schröder und verabschiedet sich zum Mittagessen.
       
       ## 12.35 Uhr: Berlin – Erinnerungen
       
       Bei der Videosuche auf [12][diese NDR-Doku] aus dem Jahr 2008 gestoßen. Die
       Bilder geben einen ganz guten Eindruck der Proteste und der Polizeiarbeit
       im Wendland wieder.
       
       ## 12.23 Uhr: Marktplatz Dannenberg
       
       Zwei Polizeiautos stehen am Dannenberger Marktplatz. Die Besatzungen sind
       nirgendwo zu sehen.
       
       ## 12.10 Uhr: Hintergrund Atommüll IV
       
       Durch einen Beschluss der Grünen ist ein Kompromiss etwas wahrscheinlicher
       geworden. Auf ihrem [13][Parteitag] am vorvergangenen Wochenende entschied
       die Partei, dass sie Gorleben nicht kategorisch als mögliche Endlagerstätte
       ausschließt. Auch wenn die Grünen eigentlich kein Endlager in Gorleben
       wollen und seit Jahren dagegen kämpfen. Erstmal soll es nun aber der Liste
       potentieller Lagerstätten bleiben. 
       
       Die SPD, die sich auf Bundesebene weiter für eine Erkundung des Salzstockes
       in Gorleben einsetzt, bekommt Gegenwind aus den eigenen Reihen: Stephan
       Weil, Spitzenkandidat der Genossen für die Landtagswahl, hat sich klar
       dagegen positioniert. 
       
       ## 11.59 Uhr: Dannenberg, Café Sprechzimmer
       
       Ein Ort für den Wohlfühl-Widerstand: Im Café Sprechzimmer gibt es
       Cappuccino und Mandel-Heidelbeer-Kuchen. Möglichst viel ist bio. Heike
       Lenze hängt gerade Christbaumkugeln auf. Zusammen mit Ursula Geiger hat sie
       das Café vor sechseinhalb Jahren eröffnet. Sie kamen aus Hamburg, es zog
       sie aufs Land.
       
       Ein buntes Publikum kommt ins Café, alte, junge, die meisten sind irgendwie
       grün und links. „Es ist ein sehr offener Ort“, sagt Lenze. Ein Treffpunkt
       für die Castorgegener. Aber mehr als das. Ein Atelier, ein Laden. Es gibt
       Notizbücher, Geschirr, Filztaschen. Wichtig ist den beiden, dass die
       Produkte unter fairen Bedingungen hergestellt worden sind. Es gibt nur eine
       Ausnahme: Der Angela-Merkel-Kopf als Zitronenpresse aus Plastik. Die haben
       sie eigentlich aus dem Programm genommen, zwei Jahre hielten sie es durch –
       dann gaben sie den vielen Kundenwünschen nach.
       
       Wenn der Castor kommt, gibt es im Café Soli-Essen. Aber alle seien froh,
       dass in diesem Jahr kein Atommüll rollt, sagen die beiden. Kein
       „Belagerungszustand durch die Bullen“. Alle seien so politisiert, dass es
       trotzdem nicht langweilig wird. In ihrem Café, da machen sie auch
       Veranstaltungen gegen rechts.
       
       ## 11.42 Uhr: Dannenberg
       
       Joachim Noack, blauer Pullover, Mütze, kommt gerade aus seinem Geschäft,
       zur Begrüßung zieht er die Arbeitshandschuhe aus. „Wendawatt“ heißt seine
       Firma, er ist einer der deutschen Solarpioniere. Der 65-Jährige ist hier
       aufgewachsen, zog dann weg, kam aber bald wieder. Arbeitete erst als
       Frisör, dann wurde er Kneipier. Seine Gaststätte sollte zu einem Treffpunkt
       der Castorgegener werden.
       
       Ihm war wichtig, an Alternativen zur Atomkraft zu arbeiten – und so baute
       er sich Solarzellen aufs Dach der Gaststätte. Das war Ende der 70er Jahre.
       Er produzierte mehr Strom als er verbrauchte und strafte jene lügen, die
       sagten, Solarenergie sei allenfalls eine Spielerei. Mit einigen
       Mitstreitern begann er weitere Solaranlagen zu installieren. Auf Infozettel
       schrieben sie damals: „Wussten Sie, dass Solarkraftwerke zwar Energie, aber
       keine Schadstoffe, Schwermetalle, radioaktive Abfälle etc. erzeugen?“
       
       Bei den Protesten und Blockaden war Noack natürlich auch immer dabei. Er
       fühlt sich bestätigt, weil es inzwischen völlig normal ist, mit Solarzellen
       Strom zu erzeugen und fragt, warum dass so lange gedauert hat. Den Fokus
       seines Geschäfts hat er etwas neu ausgerichtet: Er verkauft jetzt vor allem
       Holzpelletsheizungen und -öfen. Die Technik der Kraft-Wärme-Kopplung kennt
       er schon lange, die hat er damals in seiner Gaststätte bereits angewandt.
       
       ## 11.25 Uhr: Dannenberg – Wahlkreisbüro der Linkspartei
       
       Das Wahlkreisbüro der Linkspartei, schräg gegenüber der Kirche.
       „Atomkraft-Nein-Danke“-Tassen im Schaufenster, eine Flagge mit
       Friedenstaube an der Wand. Kurt Herzog hat einen kleinen Button an seiner
       Outdoor-Jacke: Ein weißes X auf blauem Grund. Er ist gegen den Castor,
       schon immer. Seit 30 Jahren wohnt er im Haus seiner Großmutter, direkt an
       der Castorstrecke. Herzog war Ingenieur bei Siemens, bis er den Job nicht
       mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Dann betrieb er hier einen
       Naturkostladen – und wurde Politiker.
       
       Er war bei den Grünen und trat 2000, wie die gesamte Kreistagsfraktion, aus
       der Partei aus. Grund war der Atomkonsens. Herzog sitzt jetzt für die
       Linkspartei im niedersächsischen Landtag, er ist umweltpolitischer Sprecher
       seiner Fraktion und wühlte sich im Asse-Untersuchungsausschuss durch rund
       eine Million Seiten Akten. Für Herzog ist klar: Gorleben ist allein schon
       wegen der geologischen Gegebenheiten völlig ungeeignet als Endlager. Das
       sei schon seit Anfang der 80er Jahre klar.
       
       ## 11.05 Uhr: Am Telefon – Jochen Stay von .ausgestrahlt
       
       Für Jochen Stay vom Anti-Atombündnis [14][.ausgestrahlt] ist das Wendland
       weiterhin ein zentraler Ort des Protests – auch wenn dieses Jahr kein
       Castor-Transport zu stoppen ist: „Es wird natürlich trotzdem weiter
       protestiert. Wir haben dieses Jahr viele Protestaktionen gemacht, zum
       Beispiel zu den Verhandlungen um Gorleben als Atommüll-Endlager“.
       
       Was den derzeitigen Entwurf zum Endlagersuchgesetz angeht, ist Stay
       skeptisch: Er glaube nicht, dass sich etwa die Grünen gegen „die Parteien,
       die weiterhin an Gorleben als Standort festhalten, durchsetzen werden“.
       Daher wird er weiter Druck machen. Sobald die Verhandlungen zur
       Endlagersuche weitergehen, werde .ausgestrahlt „sicher wieder Aktionen
       durchführen“.
       
       Bis dahin gebe es sowieso genug an anderen Orten zu tun. „In Deutschland
       finden weiter regelmäßig Atomtransporte statt, so wie kürzlich nach
       Grohnde“, betont Stay. Mitte November waren Plutoniumhaltige
       Mischoxid-Brennelemente aus der britischen Atomfabrik Sellafield zum
       [15][Atomkraftwerk Grohnde transportiert] worden – und von einem breiten
       Anti-Atom-Bündnis mit Demonstrationen im Zielhafen Nordenham und in Grohnde
       selbst empfangen worden.
       
       ## 10.56 Uhr: Lokalradio
       
       Radio Zusa empfiehlt noch immer Kalender, jetzt aber „die Königsklasse: die
       großformatigen Wandkalender“. Dazu Johnny Cash und inzwischen auch Electric
       Light Orchestra. So macht die Arbeit Spaß.
       
       ## 10.47 Uhr: Kurz vor Weitsche
       
       Einer der berühmten Wendländer Widerstandsbauern brettert mit seinem
       Trecker renitent durch die Gegend. Vermutlich handelt es sich um ein
       Manöver um für den nächsten Castor in Übung zu bleiben.
       
       ## 10.44 Uhr: Verladebahnhof Dannenberg
       
       Ein Bahninspektor in Serviceuniform, Basecap auf dem Haupt und stolzem
       Schnauzbart schaut, ob mit dem Castor-Verladekran alles in Ordnung ist. Die
       Bahnstrecke endet hier in einer mit Stacheldraht und Kameras gesicherten
       Verladehalle [Korrektur 19.56 Uhr: richtig muss es heißen „die Halle in der
       der Verladekran parkt“, denn verladen wird unter freiem Himmel], in der
       Castoren von der Schiene auf die Straße umgeladen werden. Rein darf der
       Inspektor nicht, das darf niemand, nur der Castor, aber der kommt in den
       nächsten Jahren wahrscheinlich nicht. Die Halle harrt der Dinge, die da
       kommen mögen.
       
       ## 10.37 Uhr: Hintergrund Atommüll III
       
       Im Bundesumweltministerium äußert man sich im Oktober diesen Jahres noch
       optimistisch, dass [16][das neue Endlagergesetz] noch 2012 verabschiedet
       würde. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass das klappt. Es gibt noch
       zu viele Streitpunkte: Welche sind die genauen Kriterien für ein
       Atommülllager? Ist das Verfahren wirklich ergebnisoffen oder versucht die
       schwarz-gelbe Bundesregierung nicht einfach nur geschickt, eine
       Entscheidung für Gorleben durchzudrücken? Außerdem wird Ende Januar in
       Niedersachsen gewählt, da stört die Atomfrage nur. 
       
       ## 10.25 Uhr: Lokalnachrichten aus dem Wendland
       
       wendland-net.de, ein lokales Nachrichtenportal, hat für prospektive neue
       Castorproteste den Renntrecker ausgegraben – ein flottes Youtubevideo, dass
       die Herzen der Power-Bauern höher schlagen lassen dürfte. [17][Link zum
       Video.] 
       
       Im Radiostream von [18][Radio Zusa] werden derweil Taschenkalender für 2013
       empfohlen. Dazu spielt: Status Quo.
       
       ## 10.14 Uhr: Erstes Bild aus dem Krisengebiet
       
       ## 9.59 Uhr: Dannenberg, Jeetzelallee
       
       kik verliert: Der Parkplatz vor baugleichen Filialen diverser Modeketten
       ist nicht vom Tränengas der Polizei vernebelt, sondern vom Bratfett des
       Asiaimbiss'. Eine Blitzumfrage zum Anti-AKW-Engagement ergibt: Bei
       Deichmann und Takko Fashion arbeitet immerhin jeweils eine Mitarbeiterin,
       die schon mal gegen den Castor demonstrieren war. kik kackt dagegen ab:
       „Für sowas haben wir keine Zeit“, sagt eine Mitarbeiterin.
       
       ## 9.42 Uhr: Hintergrund Atommüll II
       
       Vor rund einem Jahr ist [19][Bewegung in die Endlagerfrage] gekommen. Bund
       und Länder einigten sich auf einen Neustart bei der Suche nach einem Ort,
       an dem der Atommüll für tausende von Jahren sicher eingelagert werden soll.
       Es soll nun intensiv erforscht werden, welcher Standort und welches
       Gesteinsmaterial am besten geeignet wären – ergebnisoffen. Doch die
       Verhandlungen stockten bald. 
       
       ## 9.37 Uhr: Technische Probleme
       
       Erste Bilder sind per MMS aus dem Wendland abgegangen – an einen
       süddeutschen Ministerpräsidenten, statt nach Berlin in die taz. Der Kollege
       kämpft mit den Tücken seines Telefonadressbuches und der Namensähnlichkeit
       verschiedener Einträge darin.
       
       ## 9.22 Uhr: Danneberg - Neandertal
       
       Gegenüber der Essotankstelle ist auf einem Schild die Geschichte der
       Menschheit verewigt. Demnach befinden wir uns noch immer im ideellen
       Neandertal – wegen der Atomkraft. Beim Jahr 800.00 nach Christus steht auf
       dem Zeitstrahl: „Was machen Frau Merkels Erben?“, denn dann wird Gorleben
       noch immer strahlen.
       
       ## 9.16 Uhr: Dannenberg
       
       Der Ortseingang Gartower Straße ist gesperrt. Es ist unklar, ob es einen
       Zusammenhang mit dem Castor gibt. Nur wenige Schritte von hier entfernt
       befand sich im vergangenen Jahr das große Dannenberger Protestcamp.
       
       ## 9.07 Uhr: Weitsche, zwischen Lüchow und Dannenberg
       
       Nebel über den Feldern. Weit und breit keine Polizei zu sehen. Nur
       vereinzelt sind Autos unterwegs. Auf einem Trafohäuschen aus Ziegelstein
       ist mit weißer Farbe gesprüht: „Stop Castor“.
       
       ## 8.54 Uhr: Hintergrund Atommüll
       
       35 Jahre lang war der Salzstock Gorleben als Endlager für den deutschen
       Atommüll gesetzt – auch wenn es von Anfang an Protest dagegen gab. Wirklich
       auf seine Eignung geprüft wurde Gorleben nicht, wie [20][jüngst die
       parlamentarischen Untersuchungsausschüsse] im Bund und in Niedersachsen
       belegten. 
       
       ## 8.32 Uhr: Irland im Wendland
       
       Lüchow, Otto-Koke-Weg: Die Hühner von Elisabeth und Dieter Reckers haben
       gerade Legepause. Trotzdem gibt es zum Frühstück in einem alten Forsthaus
       Eier aus dem Lokalwarenladen, in dem fast nur Regionales verkauft wird.
       Dieter Reckers ist Schauspieler, hat fast 20 Jahre lang in Irland gelebt,
       Elisabeth Reckers Yogalehrerin, kommt ursprünglich aus Bremen. „Wir warten
       nicht auf den nächsten Castor. Der stört im Prinzip nur“, sagt Dieter
       Reckers. Durch den Castor sei das Wendland zu einem kulturellen Mikrokosmos
       geworden. „Es hat was Irisches hier. Jeder kennt jeden“, sagt Dieter
       Reckers.
       
       ## 8.30 Uhr: Zur Einstimmung ein Film
       
       Alle Jahre wieder mobilisierte die [21][Bürgerinitiative Umweltschutz
       Lüchow-Dannenberg] zu den Protesten gegen die Transporte in das
       Zwischenlager Gorleben. Im Internetzeitalter natürlich auch mit
       Youtubevideos. Eines der schönsten war das zum Tag X 2010.
       
       ## 8.07 Uhr: Guten Morgen aus Berlin und Dannenberg.
       
       Das Wetter im Wendland, wie in der Hauptstadt, ist gnädig. Knappe 10 Grad
       Celsius schmeicheln den wettergegerbten Protestveteranen. In Dannenberg gab
       es bislang keine Zusammenstöße mit der Polizei, in Berlin aber wurde die
       Arbeit der unabhängigen Presse kurzzeitig durch eine polizeilichen Maßnahme
       behindert. Das Problem konnte nach kurzem klärenden Gespräch („Die Ampel
       war höchstens gelb, Herr Polizeiobermeister, und der Strahler muss grad
       erst vom Fahrrad abgefallen sein“) behoben werden.
       
       Die Wendlandkorrespondenten nehmen ihr Frühstück ein. Details folgen bald.
       
       Auf wendländischen Straßen wurde kein Castor gesichtet.
       
       27 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Radlerglück in den Elbauen
       
       Im brandenburgischen Lenzen mäandert die Elbe und in der Burg lässt es sich
       gut wohnen. Mit der Auen-Tour-App des BUND verfährt man sich nicht.
       
 (DIR) Antwort der Bundesregierung: 1.000 geheime Atomtransporte
       
       Seit Anfang 2012 hat es rund 1.000 Atomtransporte gegeben, hat die
       Regierung auf eine Frage der Linkspartei geantwortet. Die Bevölkerung wurde
       nicht informiert.
       
 (DIR) Erinnerungen an die Gorleben-Proteste: Von Wachseiern und Knotenbommeln
       
       Nach Gorleben rollen keine Castoren mehr, zumindest bis 2031. Vier
       taz-Autoren erinnern sich an besoffene ZDF-Reporter und Waldspaziergänge.
       
 (DIR) Nachruf auf Atomkraftgegner Lambke: Der Mann auf dem Trecker
       
       Er war Gründer der „bäuerlichen Notgemeinschaft“ im Wendland und beim
       Atomprotest stets mit dem Trecker dabei. Nun ist Adi Lambke gestorben.
       
 (DIR) Rückbau Atomkraft: Milliardengeschäft mit dem Müll
       
       Kaum ein Unternehmen weiß so viel über den Rückbau von Atomkraftwerken wie
       die Energiewerke Nord. Das macht sie attraktiv für Übernahmen.
       
 (DIR) Lagerung von Atommüll: Kein Pokern mit der Asse
       
       Alle Fraktionen im Bundestag sind sich über ein Gesetz einig, das die
       Rückholung aus dem Bergwerk beschleunigen soll. Bürgerinitiativen sind
       gespalten.
       
 (DIR) Erkundungsstopp in Gorleben: Erst mal Schicht im Schacht
       
       Bundesumweltminister Altmaier ordnet einen Erkundungsstopp in Gorleben an.
       Gegner fordern, den Standort ganz auszuschließen.
       
 (DIR) Erkundungsstopp in Gorleben: Ruhe bis zur Wahl
       
       Bundesumweltminister Altmaier lässt die Erkundung des Gorlebener Salzstocks
       aussetzen – vorläufig. Bis zur Bundestagswahl soll an dieser Front Ruhe
       herrschen.
       
 (DIR) Atommüll-Endlagersuche: „Gorleben hat sich erledigt“? Fast
       
       Ein klares „Jein“ von Niedersachsens Ministerpräsident McAllister: Gorleben
       habe sich erledigt, müsse aber als Standort Teil der Endlagersuche bleiben.
       
 (DIR) Kommentar Atomenergie: Energiewende vorleben
       
       Was bringt unser feiner Atomausstieg, wenn in den Nachbarländern die Meiler
       weiterlaufen? Es hilft aber nichts, sie belehren zu wollen.