# taz.de -- Sachsen-Anhalt prescht vor: Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung
       
       > Sachsen-Anhalt will ab August nicht nur einen Kitaplatz für unter
       > Dreijährige garantieren, sondern auch deren Ganztagsbetreuung.
       
 (IMG) Bild: Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? Niemand, denn ab August hat jedes Kind in Sachsen-Anhalt einen Anspruch auf einen eigenen Kitaplatz
       
       DRESDEN taz | Nach eineinhalbjähriger Kontroverse hat Sachsen-Anhalt seinen
       rund 115.000 Kindern im alten Jahr noch ein Geschenk gemacht. Kinder von
       der Wiege bis zur sechsten Schulklasse inklusive haben danach ab August
       2013 Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung.
       
       Sachsen-Anhalt prescht damit bundesweit vor. Zwar erhalten Eltern ab August
       2013 in ganz Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für
       Kinder unter drei Jahre und ab dem ersten Geburtstag. Doch in etlichen
       Kommunen ist damit nicht automatisch eine Ganztagsbetreuung verknüpft. Wie
       viele Stunden ein Kind am Tag in die Kita gehen darf, machen diese oft von
       der beruflichen Situation der Eltern abhängig.
       
       Das ostdeutsche Bundesland Sachsen-Anhalt ist schon jetzt Spitzenreiter,
       wenn es um die aushäusige Betreuung für unter Dreijährige geht. Während
       laut Statistischem Bundesamt bundesweit weniger als 28 Prozent der unter
       Dreijährigen in einer Kita oder von einer Tagesmutter betreut werden, sind
       es in Sachsen-Anhalt mittlerweile knapp 58 Prozent. Auch die anderen
       Ostländer können hohe Betreuungsquoten vorweisen, der Westen hingegen hinkt
       hinterher.
       
       In Sachsen-Anhalt bestand zur Zeit der PDS-tolerierten Minderheitsregierung
       von Reinhard Höppner (SPD) bereits einmal Anspruch auf eine
       Ganztagsbetreuung für alle Kinder. Den schränkte die CDU-FDP-Koalition 2003
       auf Kinder berufstätiger Eltern ein. 2005 dann scheiterte ein
       Volksentscheid zur Wiedereinführung der Ganztagsbetreuung nur knapp.
       
       Nach den Landtagswahlen 2011 brachte die SPD das Anliegen in den
       Koalitionsvertrag mit der CDU ein. Lange Zeit gab es nicht nur Widerstände
       aus der CDU, sondern auch von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD). Der
       wollte nur 30 Millionen Euro zusätzlich ausgeben. Jetzt kostet ihn das neue
       Kinderfördergesetz 53 Millionen Euro mehr.
       
       ## 1.400 neue ErzieherInnen
       
       Denn neben dem zehnstündigen täglichen Betreuungsanspruch soll sich auch
       die Qualität in den Kitas schrittweise verbessern. Im Kindergarten soll
       eine Erzieherin statt bisher im Schnitt 14,6 nur noch 12,5 über Dreijährige
       in einer Gruppe haben. Für unter Dreijährige soll sich der Schlüssel ab
       2015 von 6,6 auf 5,5 Kinder verbessern. Dafür stellt das Land 1.400
       ErzieherInnen neu ein. Das Personal werde um 20 Prozent wachsen, sagt die
       Gewerkschaft GEW.
       
       Die Eltern müssen künftig nur für das erste Kind die vollen Kitagebühren
       aufbringen. Für das zweite Kind werden 60 Prozent fällig, das dritte Kind
       kann kostenlos in die Kita gehen. Dennoch geht einigen ErzieherInnen und
       dem Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt das neue
       Gesetz nicht weit genug. Sie bemängeln, dass es künftig nicht mehr Vor- und
       Nachbereitungszeit für PädagogInnen geben wird. Fraglich ist zudem, ob der
       Personalschlüssel für die Inklusion von Kindern mit Behinderungen
       ausreichen wird. Sie sollen künftig alle in Regelkitas betreut werden.
       
       Landrat Uwe Schulz (CDU) sprach sogar vom „kommunalfeindlichsten Gesetz
       aller Zeiten“. Denn künftig werden die Landkreise und nicht die Kommunen
       über alle Kitaangelegenheiten entscheiden. Das kritisieren auch die
       Linkspartei und die Grünen, die kommunalen Spitzenverbände erwägen gar eine
       Verfassungsklage.
       
       Doch SPD-Fraktionssprecher Falko Grube verteidigt das Gesetz. Man sei in
       Sachsen-Anhalt um „Dimensionen weiter“ als im Rest der Republik. Es gehe
       nicht mehr um die bloße Bereitstellung von Infrastruktur, sondern „um
       Qualität und Quantität der Betreuungsleistungen“. Dazu zählt er auch das
       für alle Kitas verpflichtende frühkindliche Bildungsprogramm.
       
       31 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
 (DIR) Michael Bartsch
       
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