# taz.de -- Flattr-Chef über Paywalls: „Wir respektieren die Privatsphäre“
       
       > Linus Olsson über den Onlinespendendienst Flattr, eine Revolution, die
       > ausgeblieben ist, und die deutsche Diskussion über Paywalls.
       
 (IMG) Bild: „Wir sind nicht darauf angewiesen, die Nutzer auszuspionieren und sie dann an den zu versteigern, der am meisten bietet“, sagt Linus Olsson.
       
       Als [1][Flattr] vor zwei Jahren gestartet ist, wurde es vor allem in
       Deutschland intensiv genutzt, ähnlich wie das vergleichbare US-Startup
       [2][Kachingle]. Keiner konnte genau erklären, woran das lag. Ist es heute
       immer noch so? 
       
       Linus Olsson: Wir zwingen die Leute nicht, uns zu sagen, woher sie kommen.
       Wir können aber sehen, dass andere Inhalte zwar aufgeholt haben,
       deutschsprachige Inhalte aber immer noch vorne sind. Im Moment müssten es
       noch um die 50% sein.
       
       Nach dem großen Hype [3][stagnierte] die Verbreitung von Flattr. Was war
       das Problem? 
       
       Es hat nicht stagniert, aber die technischen Anforderungen sind bis heute
       zu hoch. Deswegen ist es schwer, Leute zu erreichen, die keine Techies
       sind. Wenn jemand Inhalte erstellt, ihm aber die technischen Fähigkeiten
       fehlen einen Flattr-Button einzubauen, kann ihn niemand flattern. Es gibt
       auch viele Plattformen, auf denen sich der Button in seiner ursprünglichen
       Form gar nicht einsetzen lässt: das betrifft die großen Content-Plattformen
       wie Youtube oder Flickr, aber auch die Sozialen Netzwerke. Deswegen
       verändern wir gerade grundlegend die Art, wie Flattr funktioniert.
       
       Wie sieht das aus? 
       
       Flattr soll an bestehendes Verhalten im Netz andocken. Das beste
       Nutzungs-Szenario wäre: jemand hat einen Account, wenn er dann Inhalte
       konsumiert und zu erkennen gibt, dass sie ihm gefallen, flattert er sie
       automatisch. Sie werden in der Lage sein, einen Tweet zu flattern einfach
       indem Sie ihn „favorisieren“. Wir ermöglichen es auch, dass unsere Partner
       ein Szenario schaffen, bei dem der reine Konsum ausreicht. Das heißt,
       beispielsweise, wenn Sie ein Lied auf der Plattform Grooveshark hören,
       flattern Sie damit den Künstler.
       
       Sie arbeiten also gerade mit den großen Plattformen und Netzwerken an einer
       Integration von Flattr... 
       
       Wir müssen gar nicht wirklich mit ihnen zusammenarbeiten. Das ist das
       schöne an der Standardisierung von Programmierungsschnittstellen. Wenn Sie
       einen Tweet flattern, ist das ganz einfach der API von Twitter zu
       verdanken, und nicht einer Partnerschaft zwischen uns und Twitter.
       
       Auf welchen Plattformen ist Ihr Dienst bis jetzt integriert? 
       
       Auf [4][Twitter], aber auch auf den Plattformen [5][Flickr], [6][Vimeo],
       [7][500px], [8][GitHub], [9][Instagram], [10][Soundcloud] und
       [11][//join.app.net/:App.net].
       
       Das Gesicht von Flattr war anfangs Peter Sunde, der Gründer der legendären
       Filesharing-Plattform Pirate Bay. Viele haben in Flattr deswegen eine Art
       nicht-kommerzielles Hacker-Projekt gesehen. Jetzt haben Sie Investoren und
       scheinen sich klar in Richtung eines klassischen Startups entwickelt zu
       haben. Wie kam es zu diesem Wandel? 
       
       Flattr ist nie ein nicht-kommerzielles Hacker-Projekt gewesen. Ohne eine
       Firma, ohne eine Geschäftsführung und Kapital im Hintergrund hätten wir
       nicht die nötigen Lizenzen bekommen, um Geld zu verwalten.
       
       Das heißt, Flattr ist ein normales Startup ...? 
       
       Auf jeden Fall. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen uns und
       vielen anderen Startups. Wir hatten vom ersten Tag an ein klares
       Geschäftsmodell: Wir bewegen Geld zwischen Leuten hin und her und verlangen
       dafür eine Transaktions-Gebühr. Kostenlose Dienste wie Facebook müssen mit
       irgendetwas Geld verdienen, meistens mit Werbung. Und je mehr die Betreiber
       über ihre Nutzer wissen, desto mehr Geld verdienen sie.
       
       Flattr kommt ohne Werbeeinnahmen aus ... 
       
       Deswegen können wir die Privatsphäre unserer Nutzer respektieren. Wir sind
       nicht darauf angewiesen, die Nutzer auszuspionieren und sie dann an den zu
       versteigern, der am meisten bietet. Wir haben verstanden, dass wir als
       Firma Geld einnehmen müssen – damit wir die rechtlichen Anforderungen
       erfüllen und technische Stabilität garantieren können. Wir haben Flattr
       nicht als eine Multimilliarden-Dollar-Firma gegründet, die es uns als
       Gründern erlaubt, auf einer eigenen Insel zu leben, weil wir unsere Nutzer
       wie Müll behandeln.
       
       Investoren mögen es nicht besonders, wenn ihre Gründer kein Geld verdienen
       wollen... 
       
       Das war auch das Schwierige: Investoren zu finden, die in Flattr nicht nur
       ein „Business Case“, eine Geschäftsidee sehen.
       
       Solche Investoren gibt es wirklich? 
       
       Natürlich denken viele Investoren ausschließlich an Geld, es gibt aber auch
       die, die sagen: „Okay, das könnte ein gutes Geschäftsmodell sein, es könnte
       aber auch dem Netz einen gewaltigen Dienst erweisen.“ Die grundlegende Idee
       von Flattr ist: wenn wir es möglich machen, für frei zugängliche Inhalte zu
       zahlen, hilft das dem Netz, mehr solcher Inhalte hervorzubringen.
       
       Nicht wenige Medienanbieter sehen statt dessen nur eine Möglichkeit zu
       überleben: die Inhalte hinter einer Bezahlmauer zu verstecken. 
       
       Viele denken, dass man mit den existierenden Bezahlstrukturen nur dann Geld
       verdienen kann, wenn man die Inhalte wegzuschließt und die Leute so zum
       Bezahlen zwingt.
       
       Schließen sich Flattr und eine Paywall gegenseitig aus? 
       
       Unser Dienst ließe sich theoretisch für eine Art Paywall nutzen, zumindest
       würde das unsere API erlauben. Man könnte nicht festlegen, wieviel Geld
       gespendet werden soll, aber man könnte vorschreiben, dass Nutzer flattern
       müssen, um zu irgend- etwas Zugang zu bekommen. Das würde allerdings
       unserem Grundgedanken widersprechen: je offener der Zugang zu Inhalten ist,
       desto mehr Leute werden die Inhalte finden, sie wertschätzen und dann über
       Flattr Geld dafür ausgeben.
       
       Dieses Versprechen scheint nur wenige Medien in Deutschland überzeugt zu
       haben. Die Taz hat bis heute Flattr-Buttons in Online-Artikel integriert,
       der Freitag anfangs auch. Insgesamt waren die Medien aber sehr
       zurückhaltend. Wie erklären Sie sich das? 
       
       Viele Medien-Unternehmen sagen, dass es sich für sie wie Betteln anfühlt.
       Ich halte das für ein seltsames Argument. Wenn Sie am Tresen eines Cafés
       eine Trinkgeld-Büchse aufstellen, bedeutet das nicht, dass Sie betteln. Ein
       anderes Argument lautet: „Wir sind eine Firma, die Geld verdient, ob mit
       Werbung oder mit etwas anderem. Wieso sollten Leute uns noch extra Geld
       geben?“ Das aber ist eine Sache, die einfach mal getestet werden müsste.
       Und dafür müsste es man es ausprobieren.
       
       Und wieso probieren es die großen Verlags-Häuser nicht? 
       
       Das Problem mit den Zeitungen ist, dass sie sich noch in der selben Debatte
       wie vor zwei Jahren befinden.
       
       Nämlich? 
       
       Die Debatte lautet: „Wir müssen Paywalls ausprobieren“. Ich glaube, erst
       wenn sie das getan haben und merken, dass es doch nicht so läuft wie
       geplant, sind sie bereit, etwas anderes auszuprobieren.
       
       2 Jan 2013
       
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