# taz.de -- Kommentar Ausschreitungen in Ägypten: Mursi braucht eine Vision
       
       > Muhammad Mursi kündigt den Notstand an. Doch er muss vor allem auf die
       > Opposition zugehen. Und nach konstruktiven Lösungen suchen.
       
 (IMG) Bild: Kann Mursi den Notstand und die Ausgangssperre von 21 bis 6 Uhr morgens überhaupt durchsetzen?
       
       Zwei lange und blutige Tage hat es gedauert, bevor der ägyptische
       Präsidenten Muhammad Mursi nach andauernden Straßenschlachten mit Dutzenden
       Toten vor die Kamera getreten ist. [1][Er verkündete den Notstand] für die
       Suezkanal-Städte Port Said, Ismailyia und Suez und er lud die Opposition
       ein, an einem Dialog teilzunehmen.
       
       Das wirft sofort zwei wichtige Fragen auf. Kann Mursi den Notstand und die
       Ausgangssperre von 21 bis 6 Uhr morgens überhaupt durchsetzen? Die
       Jugendlichen in Port Said haben bereits angekündigt, ihre Demonstrationen
       für 21 Uhr anzusetzen. Und Mursi kann sich nicht sicher sein, dass die
       beiden wichtigsten Institutionen zur Durchsetzung, das Innenministerium und
       die Armee, nicht ihr eigenes Süppchen kochen.
       
       Politisch entscheidender ist die zweite Frage: Folgt die Opposition der
       Einladung für Montagabend? Bisher hat die größte Oppositionsgruppe, die
       Nationale Rettungsfront, alle Gespräche mit dem Muslimbruder Mursi
       abgelehnt wenn es dafür keine Tagesordnung und keine genau umrissenen Ziele
       gibt.
       
       Das ist auch diesmal der Fall: Mursi will diese erst im Dialog festlegen,
       heißt es aus dem Präsidialamt. Die Rettungsfront hatte vor zwei Tagen ihre
       Bedingungen für ein Ende der Proteste festgelegt: Sie will an einer
       „Nationalen Rettungsegierung“ beteiligt werden und sie fordert, dass die
       neue Verfassung umgeschrieben wird.
       
       In Wirklichkeit stehen beide, Mursi und die Opposition, unter Zugzwang.
       Stellt sich die Rettungsfront auf stur, dann setzt sie sich dem Vorwurf
       aus, als Opposition ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht zu
       werden. Das gilt auch für Mursi, wenn er den Dialog nur einläutet, um Zeit
       zu gewinnen. Politisch voran kommt Ägypten nur, wenn beide eine Vision
       entwickeln, wie es mit dem Land weitergehen soll.
       
       Dabei geht es nicht um die Verfassung, um islamistische oder liberale
       Konzepte oder darum, wer in einer möglichen Rettungsregierung sitzt. Es
       geht darum, für die darniederliegende Wirtschaft, die steigenden Preise und
       die nicht vorhandenen Arbeitsplätze eine gemeinsame Lösung zu finden.
       
       Es gilt konstruktive Lösungen zu finden. Ansonsten wird die Wut der Ägypter
       blind, und dann kann sie weder die Regierung noch die Opposition
       kontrollieren. Die jetzigen Auseinandersetzungen wären dann nur Vorboten
       für noch düstere Zeiten am Nil.
       
       28 Jan 2013
       
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