# taz.de -- Debatte um Länderfinanzausgleich: Klage vor festlicher Kulisse
       
       > Hessen und Bayern beschließen den Länderfinanzausgleich anzufechten. Das
       > sei ein „Akt politischer Notwehr“, so die Länderchefs.
       
 (IMG) Bild: Sind zahlungsunwillig: Horst Seehofer und Volker Bouffier.
       
       WIESBADEN taz | Im kalten Wind vor der ehemaligen Residenz der Fürsten von
       Nassau knatterten drei Flaggen: hessischer Löwe, bayerische Rauten,
       Deutschlandfahne. Unter dem wohlwollenden Lächeln von Bayerns
       Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Hessens Ministerpräsident Volker
       Bouffier (CDU) schmetterte ein Polizeiorchester die „Bayernhymne“.
       
       In dieser mondänen Kulisse, wo sich sonst Frischverheiratete ablichten
       lassen, trafen sich am Dienstag die Kabinette der beiden Landesregierungen,
       um mit einer gemeinsamen Sitzung ihren Gang nach Karlsruhe feierlich zu
       besiegeln.
       
       Die Länder wollen „in vier bis sechs Wochen“ vor dem
       Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich klagen. Warum
       genau, das schien den beiden Landesfürsten lange selbst nicht ganz klar zu
       sein. Schließlich war die bestehende Regelung von den Ministerpräsidenten
       Roland Koch (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) mit ausgehandelt worden. Die
       2001 beschlossene Finanzverfassung läuft 2019 aus, ebenso wie das
       „Maßstäbegesetz“ – gegen das sich die Klage nun richtet.
       
       Dabei ist alles ganz einfach. In Artikel 107 des Grundgesetzes steht:
       „Durch das Gesetz ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche
       Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird.“ Karlsruhe muss nun
       erneut entscheiden, was unter „angemessen“ zu verstehen ist. In früheren
       Urteilen stellten die Richter fest, dass die Lebensverhältnisse in
       Deutschland gleichwertig sein müssten, ohne dass es eine „Nivellierung“
       geben dürfe.
       
       ## Populistische Rhetorik
       
       Auch müsse jedes Land in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen. Und die
       Geberländer dürften durch den Ausgleich in finanzieller Hinsicht nicht
       schlechter gestellt werden als der Durchschnitt. Das aus dem letzten Urteil
       von 1999 resultierende „Maßstäbegesetz“ wird nun von Hessen und Bayern
       angefochten.
       
       Dabei geht es vor allem um angebliche Schieflagen, die sich aus der
       Unterscheidung von Flächen- und Stadtstaaten ergeben. Ein Streitpunkt ist
       die sogenannte „Einwohnerveredelung“, nach der die Einwohnerzahl größerer
       Gemeinden um den Faktor 1,35 erhöht wird und diese Gemeinden entsprechend
       mehr Geld bekommen. Zwar fallen mit der Größe einer Gemeinde mehr Kosten
       für Infrastruktur an.
       
       Trotzdem lässt sich dieser Punkt populistisch ausbeuten, wie
       CSU-Finanzminister Markus Söder mit einer rhetorischen Frage demonstrierte:
       „Warum sind Berliner mehr wert als Münchner?“ Die Hauptstadt müsse „neu
       bewertet“ und aus Bundesmitteln subventioniert werden, so die Geberländer.
       
       Tatsächlich stehen 13 Nehmerländern nur noch 3 Geberländer gegenüber, die
       mit bisweilen bis zu zwei Dritteln ihrer Überschüsse andere Länder
       mitfinanzieren. So hat allein Berlin im vergangenen Jahr mit 3,3 Milliarden
       Euro fast die Hälfte des mit 7,9 Milliarden Euro gefüllten Etats des
       Länderfinanzausgleichs eingestrichen.
       
       ## Bayern an der Spitze
       
       Größter Einzahler war Bayern mit 3,9 Milliarden Euro, gefolgt von Hessen
       (1,33 Milliarden) und Baden-Württemberg (2,69 Milliarden), das sich der
       Klage „vorerst“ nicht anschließen will. In Stuttgart wird befürchtet, dass
       das Land nach einer Klage noch schlechter abschneiden könnte – dort setzt
       man lieber auf eine Reform durch Verhandlungen, wie sie ohnehin bald
       anstehen.
       
       Doch im September stehen die Ministerpräsidenten Bouffier und Seehofer in
       Hessen und Bayern erstmals zur Wiederwahl. Vor allem Bouffier, der sich im
       Stil bisher deutlich moderater präsentiert hat als Roland Koch, kann sich
       nun einmal mehr von seinem Vorgänger absetzen. Beide Ministerpräsidenten
       werden sich im Wahlkampf als kompromisslose Verfechter der Interessen ihrer
       Länder präsentieren.
       
       Tenor: Wer erfolgreich wirtschafte, dürfe dafür nicht bestraft werden. Wer
       wollte da widersprechen? Seehofer und Bouffier bezeichneten die Klage
       unisono als einen „Akt der politischen Notwehr“. Eine Entscheidung der
       Karlsruher Richter wird nicht vor 2014 erwartet.
       
       5 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
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