# taz.de -- Neues Freihandelsabkommen: Transatlantischer Konsumwahn
       
       > Die USA und die EU wollen den größten Markt der Welt mit 800 Millionen
       > Kunden schaffen. Für die Europäer bedeutet das weniger Verbraucherschutz.
       
 (IMG) Bild: Bald lagern hier noch mehr Waren für den atlantischen Handel: Containerterminal Burchardkai am Hamburger Hafen
       
       US-Präsident Barack Obama hat sie in seiner Rede zur Lage der Nation
       angekündigt, und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat die
       Aufnahme von Gesprächen bestätigt: Die USA und die EU wollen sich zu einer
       Freihandelszone zusammenschließen. Dieser Schritt erscheint nur logisch,
       nachdem die Bemühungen um ein multilaterales Freihandelsabkommen im Rahmen
       der Welthandelsorganisation (WTO) als gescheitert gelten können.
       
       Für die Wirtschaft klingt es da erst einmal super, wenn sich wenigstens die
       USA und die EU auf einen Abbau der Handelsschranken einigen. Es entstünde
       ein Markt mit mehr als 800 Millionen potenziellen Kunden, auf dem mehr als
       die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung abgewickelt würde.
       
       Bislang wird der freie Handel noch durch Zölle von durchschnittlich 5 bis 7
       Prozent gebremst und überdies durch alle möglichen Regelungen erschwert –
       zum Beispiel unterschiedliche Zulassungsbedingungen für Medikamente,
       Sicherheitsstandards für Autos oder technische Vorgaben für Telefone. „Das
       Freihandelsabkommen könnte unsere Exporte in die Vereinigten Staaten um
       jährlich 3 bis 5 Milliarden Euro erhöhen“, freut sich der Außenhandelschef
       des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier.
       
       Auch für die Verbraucher erscheint ein Freihandelsabkommen als Fortschritt.
       Wenn der Handel die Kosteneinsparungen an die Kunden weitergibt, könnten
       die Preise für Konsumgüter sinken. Die Auswahl etwa an amerikanischen
       Geländewagen könnte steigen. Angesichts derartiger Vorteile stellt sich
       eigentlich nur eine Frage: Warum existiert die Freihandelszone nicht
       längst?
       
       ## Hormonsteaks für Europa
       
       Dafür gibt es gute Gründe. Nicht alle Handelsbarrieren sind reine Schikane.
       Ein Beispiel: Die USA sind berühmt für ihre leckeren Steaks, doch diese
       sind nicht zuletzt deshalb so zart, weil die Rinder mit Hormonen
       vollgepumpt werden. In Europa darf das hormonbehandelte Rindfleisch bislang
       nicht eingeführt werden, weil die gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht
       gesichert sei. Für die US-Regierung aber stellt diese Regelung nichts
       anderes als ein Handelshindernis dar. Die EU schütze auf diese Weise ihre
       eigenen Landwirte vor der US-Konkurrenz, so der Vorwurf.
       
       Der Streit ging vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation, die
       gemäß der sturen Logik der Freihändler im Einfuhrverbot für Hormonfleisch
       nur eine Form des Protektionismus erkennen konnte. Das Gericht erlaubte
       deshalb den USA, Strafzölle EU-Produkte zu verlangen. Das taten sie – und
       zwar unter anderem für Schokolade. Die ohnehin schon teuren Ritter-Sport-
       oder Milka-Tafeln wurden mit der Verdopplung der Zollgebühren nahezu
       unerschwinglich.
       
       Nicht nur die Versorgung mit Schokolade wurde so aus handelspolitischen
       Gründen zum Problem. Auch anständiger französischer Käse ist in den USA
       nicht erhältlich. Den dortigen Lebensmittelbehörden ist schon der Gedanke
       an Rohmilchkäse unerträglich – was da alles für Keime drin sein könnten!
       Apropos Keime, die hängen auch oft am Hühnerfleisch. Um die
       Salmonellengefahr einzudämmen, wird frisch geschlachtetes Federvieh in den
       USA in ein Chlorbad getaucht. Solche Chlorhühner wollen die Europäer nicht
       importieren. Ebenso wenig wie den Genmais aus den USA.
       
       Bislang haben die europäischen Behörden solche Handelsblockaden immer mit
       dem Verweis auf den Gesundheitsschutz sowie die Gewohnheiten der hiesigen
       Verbraucher verteidigt. In einer Freihandelszone wäre das wohl nicht mehr
       möglich.
       
       ## Kleinere Firmen bedroht
       
       Doch nicht nur Agrar- und Verbraucherlobbys dürften aus diesen Gründen
       gegen ein transatlantisches Freihandelsabkommen Sturm laufen. Selbst die
       Industrie ist mitnichten einhellig begeistert. Denn so manche technische
       Klausel dient kleineren Firmen tatsächlich als heimlicher Schutz vor der
       globalen Konkurrenz. Viele große Unternehmen wiederum, etwa Autokonzerne,
       haben ohnehin längst eigene Werke in den USA und brauchen sich um
       Handelsregelungen nicht mehr zu kümmern.
       
       Kein Wunder also, dass ein schneller Abschluss eines transatlantischen
       Freihandelsabkommens von niemandem erwartet wird – selbst unter der
       angedachten Voraussetzung, dass besonders strittige Produkte wie
       Hormonfleisch und Genmais ausgeklammert werden. Bis 2015 hofft die
       EU-Kommission die Verhandlungen abzuschließen. Dann müssen auch noch das
       Europaparlament und alle 27 Mitgliedsstaaten ihr Plazet geben.
       
       14 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicola Liebert
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