# taz.de -- Debatte Italien: Wahre Clowns
       
       > Nun jammern sie wieder, die europäischen Eliten. Dabei haben Grillo und
       > Berlusconi nur bewiesen, dass in der Mitte nichts mehr zu holen ist.
       
 (IMG) Bild: Clowns, wohin man auch schaut.
       
       In den Burgen des Mittelalters war es Aufgabe des Hofnarren, den Herrschern
       unbequeme Wahrheiten zu sagen. Heute sind es die Steinbrück’schen
       „italienischen Clowns“, die die bitteren Tatsachen in die europäischen
       Regierungszentralen und Banktürme hineintragen.
       
       Denkt man über die so verständliche wie billige Polemik Steinbrücks hinaus,
       dann hat das Wahlergebnis von jenseits der Alpen starke, gewiss auch
       spannungsgeladene Botschaften zu liefern. Zu lernen gibt es jedenfalls
       einiges.
       
       Die erste Botschaft ist die totale Niederlage, die ein bestimmtes Europa
       bei den italienischen Wahlen erlitten hat – das der Troika, der Frankfurter
       Banker und der Kanzlerin Angela Merkel. Es handelt sich nicht einfach um
       ein persönliches Desaster Mario Montis, also des Professors, den die nun
       geschlagenen europäischen Eliten wie aus einem Zauberhut hervorholten und
       den Italienern im November 2011 ohne jede demokratische Legitimierung als
       Regierungschef vor die Nase setzten.
       
       Apropos: Wenn jetzt immer über die „mangelnde Stabilität“ der neuen
       politischen Konstellation in Italien geseufzt wird, darf daran erinnert
       werden, dass Silvio Berlusconi durch einen schlichten Putsch zum Rücktritt
       gezwungen wurde, obwohl er über die stabilste parlamentarische Mehrheit
       verfügte, die je ein Regierungschef in der italienischen Republik sein
       Eigen nennen durfte.
       
       ## Monti, Freund der Eliten
       
       Mario Monti hatte die Unterstützung des italienischen Establishments (Fiat-
       Boss Sergio Marchionne, Ferrari-Boss Luca Cordero di Montezemolo und viele
       andere), des deutschfreundlichen Europas und der internationalen
       Finanzbranche (Monti arbeitete als Berater bei der größten Privatbank der
       Welt, Goldman Sachs), ja sogar der Vatikan und die italienische
       Bischofskonferenz standen ihm zur Seite – eine Verbindung, die man nun
       endgültig als überschätzt für den Ausgang italienischer Wahlen betrachten
       darf.
       
       Die Niederlage der Troika, Merkels und des Europas der Banken wird aber
       noch eklatanter, wenn man das Wahlergebnis mit denen in den anderen
       europäischen Krisenstaaten vergleicht, den sogenannten Pigs. Die
       italienischen Wähler haben als Einzige dem Druck aus dem Norden
       widerstanden und die deutsche Austeritätspolitik rundum abgelehnt.
       
       Im „realen Kapitalismus“, der Europa heute prägt, haben die Italiener als
       Erste die Banker offen herausgefordert – ein Mut, den weder die Griechen
       noch die Spanier, noch die Portugiesen hatten, die brav Regierungen nach
       Wunsch von Frankfurt und Berlin wählten. Sogar das mächtige Frankreich hat
       mit der Wahl François Hollandes nur leise protestiert.
       
       ## Antideutsche Botschaft
       
       In Italien haben die Gruppierungen, die gegen den deutschen Sparwahn, gegen
       Merkel, gegen die Diktatur des Spreads angetreten sind, 57 Prozent der
       Stimmen für das Abgeordnetenhaus geholt, also eine klare absolute Mehrheit.
       Die antideutsche Botschaft dieser Wahlen drückte schon ein Plakat des
       Berlusconi-Bündnisses aus: „Über die italienische Regierung entscheiden die
       Italiener.“ Darauf war ein Bild von Mario Monti zu sehen, der Merkel innig
       die Hand drückt.
       
       Die Botschaft also ist klar: Zumindest die Italiener lassen sich nicht dazu
       bewegen, der eigenen Verelendung ihren demokratische Segen zu erteilen. Und
       vielleicht werden andere Völker Europas ihnen demnächst folgen.
       
       Aber die italienischen Hofnarren haben noch eine zweite Botschaft im Gepäck
       – und die betrifft den Populismus. In den letzten Jahren hat nämlich die
       üble Tendenz Schule gemacht, alles, was die Leute tatsächlich wollen und
       brauchen, als Populismus zu bezeichnen. Ein bezahlbares und modernes
       Gesundheitssystem für alle? Du bist aber populistisch (insbesondere in den
       USA)! Eine Rente, von der man im Alter leben kann? Purer Populismus! Gut
       ausgestattete Universitäten, die Studierende und Eltern nicht in den Ruin
       treiben? Ich wusste doch, dass sich in dir ein Populist verbirgt!
       
       Wem das Etikett des Populismus erst mal anklebt, der wird es so leicht
       nicht mehr los. Und es hilft auch nichts, wenn man darauf besteht, dass man
       doch nur soziale Grundbedürfnisse einfordert. Nun, am vergangenen
       Wochenende haben die Italiener mehrheitlich Populisten gewählt, pittoreske
       gewiss wie Grillo; und sie haben das getan, weil diese ihnen – zu Recht
       oder zu Unrecht – als die Einzigen erschienen, die die sozialen Rechte der
       Bevölkerung auf ihrer Agenda hatten.
       
       ## Das Europa der Arbeitslosen
       
       Nobelpreisträger Paul Krugman hat es so formuliert: „Niemand will die
       Bunga-Bunga-Politik verteidigen, aber diese einfache Frage muss man doch
       stellen: ’Was hat die Politik, die mit Monti heute als notwendig verkauft
       wird, eigentlich Italien Gutes getan oder auch Europa als Ganzes?‘ Monti
       war doch der von Deutschland eingesetzte Gouverneur, der einer ohnehin
       schon blutleeren Volkswirtschaft die Austerität als Heilmittel verschrieb;
       und nur wer diese totale Austerität betreibt, gilt in den herrschenden
       europäischen Kreisen als respektabel.“
       
       Die italienischen Clowns haben nun ganz Europa gezeigt, dass der, der nicht
       breit ist, auf populäre Forderungen einzugehen, Populisten ernten wird –
       eine Erfahrung, die aus einer großen Wirtschaftskrise der Vergangenheit
       eigentlich noch allen geläufig sein müsste, insbesondere den Deutschen.
       
       Die abschließende Botschaft dieser Wahl ist schließlich, dass das große
       Rennen Richtung Zentrum seinen Höhepunkt überschritten hat. Die Diktatur
       der Mitte hat abgedankt, nachdem uns die Politologen aller Länder
       jahrzehntelang in den Ohren lagen, dass man Wahlen in der Mitte gewinne,
       dass man gemäßigt sein und die extremen Flügel der Parteien kaltstellen
       müsse.
       
       Schon George W. Bush hat auf seine Art bewiesen, dass es sich hierbei nur
       um Gemeinplätze handelte. Von der Mitte aus kann man sich vielleicht an der
       Regierung halten, aber mit gemäßigten Positionen kann man keine Wahlen mehr
       gewinnen – jedenfalls nicht bei 36 Prozent erwerbslosen Jugendlichen
       (Italien) oder bei 50 Prozent (Spanien), bei 60 Prozent (Griechenland) und
       wahrscheinlich auch nicht in Frankreich bei 20 Prozent. Für diese jungen
       Menschen gibt es keine „gemäßigten“ Lösungen, denen sie irgendetwas
       abgewinnen könnten.
       
       1 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco D'Eramo
       
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