# taz.de -- Einwanderung von Bulgaren und Roma: Noch ärmer als Hartz IV
       
       > Der deutsche Städtetag fordert ein „zügige Problemlösung“. Doch die
       > Zahlen der einwandernden Bulgaren und Rumänen täuschen. Die meisten
       > Migranten gehen wieder.
       
 (IMG) Bild: Nur ein Bruchteil der Einwanderer aus den Balkanstaaten landet bettelnd auf der Straße.
       
       BERLIN taz | Roma-Familien wie diese dienen als Aufreger: zu siebt in eine
       kleine Wohnung in Berlin-Neukölln gepfercht, tauchen sie in
       Fernsehberichten auf und schwärmen vom Kindergeld, das sie nun in
       Deutschland bekommen. Der Deutsche Städtetag fordert jetzt in einem
       Positionspapier eine „zügige Problemlösung“ angesichts der sogenannten
       Armutszuwanderung aus Südosteuropa. In einem Positionspapier nennt der
       Kommunalverband eine Zahl von 147.000 Personen, die aus Rumänien und
       Bulgarien im Jahre 2011 nach Deutschland eingewandert sind, Tendenz
       steigend.
       
       Doch die Zahlen täuschen. Ein großer Teil der Herkommenden verlässt
       Deutschland alsbald wieder, weil viele der Migranten als
       Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe ackern.
       Rechnet man die Fortziehenden ab, bleibt im Jahre 2011 nur ein Saldo von
       58.000 Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien übrig, Kinder sind
       miteingerechnet.
       
       Viele sind reguläre Arbeitskräfte oder Studierende, Rumänen und Bulgaren
       dürfen bereits in Deutschland als Saisonarbeitskräfte und in Mangelberufen
       wie der Pflege arbeiten und dann, wenn sie Hochschulabsolventen sind. Nach
       einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
       gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 120.000
       sozialversicherungspflichtig, kurzfristig oder geringfügig Beschäftigte aus
       Rumänien und Bulgarien.
       
       Dem standen 28.000 Empfänger von Hartz-IV-Leistungen gegenüber, wobei dort
       auch „Aufstocker“ mit zu geringem Arbeitslohn eingerechnet sind. „Damit ist
       die Arbeitslosigkeit der Bulgaren und Rumänen deutlich geringer als im
       Durchschnitt der Ausländer in Deutschland“, sagt Herbert Brücker,
       Migrationsexperte beim IAB.
       
       ## Die Angst wächst
       
       Dennoch wächst die Angst vor der „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Denn
       in den vergangenen Jahren kamen auch Tausende Migranten mit schlechten
       Jobchancen, darunter viele kinderreiche Roma-Familien, aus Rumänien und
       Bulgarien nach Deutschland. „Das ist ein Armutsmilieu noch jenseits dem der
       hiesigen Hartz-IV-Empfänger“, schildert Sebastian Müller, Aktivist im
       „Berliner Netzwerk gegen den deutschen Efa-Vorbehalt“, das sich um
       ausländische Arbeitslose kümmert.
       
       Rumänen und Bulgaren können sich als EU-Bürger frei in Deutschland
       niederlassen und haben mit der polizeilichen Anmeldung auf eine Adresse
       Anspruch auf Kindergeld. Hartz-IV-Leistungen wie Wohnkosten und Regelsatz
       bleiben den osteuropäischen EU-Migranten, die noch keine reguläre
       Beschäftigung hatten, allerdings versagt – es sei denn, sie melden ein
       eigenes Gewerbe an. Wirft dieses zu wenig ab, können sie theoretisch
       aufstockende Leistungen nach den Hartz-IV-Gesetzen beantragen. „Die
       Jobcenter ziehen aber die Daumenschrauben an“, berichtet eine Mitarbeiterin
       einer Sozialbehörde, die nicht namentlich genannt werden will. Wer mit
       seinem kleinen Baugewerbe, seinem Putzdienst oder dem Schrotthandel keine
       korrekten Rechnungen und Zahlungseingänge auf seinem Konto angeben kann,
       dessen Anspruch auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen wird nicht anerkannt.
       Manche Ämter versuchen bei den Gewerbeanmeldungen zu bremsen.
       
       ## Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2014
       
       Ab dem 1. Januar 2014 gilt für EU-Migranten aus Rumänien und Bulgarien
       jedoch die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dann könnten die EU-Zuwanderer in
       Deutschland – wie jetzt schon Italiener und Spanier – beispielsweise einen
       Minijob annehmen und beim Jobcenter ergänzende Hartz-IV-Leistungen
       beantragen. Doch „in der Praxis gewähren manche Jobcenter die aufstockende
       Leistung nicht, mit dem Hinweis, der Betreffende gelte als arbeitssuchend
       und habe daher keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen“, schildert Müller.
       
       Laut Sozialgesetzbuch II kann EU-Ausländern die Hartz-IV-Leistung versagt
       werden, wenn sie sich nur zum „Zweck der Arbeitssuche“ in Deutschland
       aufhalten, also keine Beschäftigungshistorie vorweisen können. Rechtlich
       ist das jedoch hochumstritten. Der Deutsche Städtetag fordert in seinem
       Positionspapier diesbezüglich vom Bund und der EU eine „Klarstellung der
       Rechtslage“.
       
       Das gigantische Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und der
       Lebenssituation der Roma in Südosteuropa verkleinert sich durch das
       behördliche Hin und Her allerdings nicht. Die Zuwanderer leben hier oftmals
       vor allem vom Kindergeld, bezahlen horrende Mieten für heruntergekommene
       Wohnungen an skrupellose Vermieter und hohe Gebühren für privat angeheuerte
       Übersetzer und Vermittler, die sich selbst in prekären Verhältnissen
       durchwursteln.
       
       Kommt die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Migranten aus den östlichen
       EU-Ländern, gibt es für sie mehr Jobchancen: „Es ist zu erwarten, dass dann
       vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zunimmt und nicht
       die Arbeitslosigkeit“, sagt der Forscher Herbert Brücker.
       
       3 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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