# taz.de -- Kolumne Macht: Manipulieren für Anfänger
       
       > Der Streit um den Armutsbericht der Bundesregierung zeigt: Fakten, die
       > alle kennen, kann man kaum fälschen. Vor allem nicht in Zeiten des
       > Internets
       
       Die Frage ist doch gar nicht, ob es unmoralisch, dreist, verlogen oder
       alles zugleich ist, aus politischem Kalkül heraus einen Bericht zu
       manipulieren. Die Frage ist, wie man so unbeschreiblich dumm sein kann, das
       vor aller Augen zu tun.
       
       Ein Teil der Empörung über Änderungen im Armuts- und Reichtumsbericht der
       Bundesregierung ist albern. Es ist kein Skandal, sondern Alltag, wenn ein
       Papier, an dessen Abfassung verschiedene Ministerien mitarbeiten, mehrfach
       redigiert wird und nicht gleich der erste Entwurf unter stehendem Applaus
       aller Beteiligten durchgeht.
       
       Dass ein Minister versucht, in einem Bericht seine Weltsicht
       unterzubringen, ist ebenfalls kein Skandal. Das gehört zu seinen Aufgaben.
       Es wäre ja eigenartig, wenn er im Amt die Überzeugungen nicht länger
       verträte, die ihn überhaupt erst auf seinen Posten gebracht haben.
       
       Aber eine politische Haltung hat nichts damit zu tun, missliebige Tatsachen
       zu unterdrücken. Und wenn sie damit gelegentlich doch etwas zu tun hat,
       dann sollte es wenigstens niemand merken.
       
       ## Die Glaubwürdigkeit ist dahin - so oder so
       
       Es gibt eine herzerwärmende Erkenntnis im Zusammenhang mit dem endlich
       veröffentlichten Armutsbericht der Bundesregierung: Auch
       Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat offenbar gute Freunde – oder
       zumindest loyale Mitarbeiter, die sich nicht davor fürchten, ihm
       unangenehme Wahrheiten zu sagen.
       
       Zum Beispiel die, dass es nichts mehr nützt, Informationen aus einem Papier
       herauszustreichen, die inzwischen sowieso alle kennen.
       
       So finden sich nun in der endgültigen Fassung des Berichts wenigstens
       einige der Fakten wieder, die zwischendurch im zweiten Entwurf plötzlich
       fehlten. Sie sind zwar ein bisschen umständlicher formuliert als in der
       Ursprungsversion und auch besser versteckt, aber immerhin. Sie stehen drin.
       Anderes fehlt nach wie vor, aber darauf kommt es gar nicht mehr an.
       
       Die Glaubwürdigkeit ist dahin – so oder so. Und das wird im Hinblick auf
       die wachsende Politikerverdrossenheit sehr viel weiter reichende Folgen
       haben, als wenn diese Bundesregierung noch mehr unerfreuliche Wahrheiten
       eingestanden hätte.
       
       ## Es gibt andere Quellen als die Bundesregierung
       
       Zum Beispiel, dass es eine wachsende Einkommensspreizung gibt, die das
       Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung verletzt. Eine solche Aussage ist
       zwar für jede Regierung peinlich, aber leider für die sie tragenden
       Parteien derzeit nicht bedrohlich.
       
       Da die Zahl der Nichtwähler ausgerechnet in den Teilen der Bevölkerung
       wächst, die in der Armutsfalle sitzen, muss die Koalition auf diese Leute
       immer weniger Rücksicht nehmen – und handelt entsprechend. Stimmen, die man
       ohnehin nicht bekommt, kann man nicht verlieren.
       
       Aber auch Wählerinnen und Wähler, denen es materiell gut oder gar besser
       geht als früher, regieren empfindlich, wenn sie für dumm verkauft werden
       sollen. Oder Anlass haben, an der Intelligenz derjenigen zu zweifeln, die
       sie regieren. Und wie klug sind Politiker, die glauben, frei zugängliche
       Tatsachen ließen sich im Zeitalter des Internets unterdrücken?
       
       Es ist ja nicht so, dass es keine anderen Quellen für Informationen gäbe
       als die Bundesregierung. Das Einzige, was durch den Koalitionsstreit über
       den Armutsbericht erreicht wurde, ist, dass solche Publikationen nicht mehr
       als verlässlich gelten. Das ist selbst für Gegner der Regierung eine
       schlechte Nachricht.
       
       8 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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