# taz.de -- Sexarbeits-Gesetz: Bordelle sind wie Imbissbuden
       
       > Das rot-grüne Bremen will als erstes Bundesland ein eigenes
       > Prostitutionsgesetz erlassen - und damit die Lücken füllen, die die
       > eigene Bundesregierung hinterließ.
       
 (IMG) Bild: Auch ohne Prostitutionsgesetz geordnet: traditionelle Prostitution in der Bremer Helenenstraße.
       
       BREMEN taz | Der rot-grüne Bremer Senat will noch vor der Sommerpause ein
       eigenes Prostitutionsgesetz verabschieden. Bremen wäre damit – nach eigenen
       Angaben – bundesweit Vorreiter: Bislang habe kein anderes Bundesland eine
       solche Regelung, heißt es bei der SPD. Ihre Bürgerschaftsfraktion beschloss
       gestern einen entsprechenden Entwurf, der der taz vorliegt; die Grünen
       wollen demnächst folgen. Bundesweit gibt es seit 2002 ein sehr allgemein
       gehaltenes Prostitutionsgesetz.
       
       Der Bremer SPD geht es dabei weniger um die Rechte der SexarbeiterInnen als
       vielmehr um den Kampf gegen Zwangsprostitution. Es solle „unterbunden“
       werden, dass Prostituierte unter „menschenunwürdigen Bedingungen“ arbeiten
       müssten, sagte Sybille Böschen, gleichstellungspolitische Sprecherin der
       SPD-Fraktion. Sie sieht die eigene Gesetzesinitiative, über die bereits
       seit 2011 debattiert wird, selbst nur als „kleinen Schritt“ an. Man könne
       „Missbrauch“ auch künftig nicht ausschließen, wolle ihn jedoch „deutlich
       erschweren“, so Böschen. In der Vergangenheit war umstritten, ob Länder
       hier überhaupt eine eigene Gesetzgebungskompetenz haben. Bremen hat nun für
       sich eine Entscheidung getroffen – Rechtsprechung dazu gibt es nicht.
       
       Prostitutionsstätten, wie es im Gesetzentwurf offiziell heißt, brauchen
       künftig eine offizielle Erlaubnis, die befristet vergeben und an eine
       Sperrstunde gekoppelt werden kann. Wer schon mal einschlägig strafrechtlich
       in Erscheinung getreten ist, soll keine Erlaubnis bekommen. Wer sich nicht
       an den geltenden Gesundheits, Arbeits und Jugendschutz hält, auch nicht.
       Selbst wenn „zu befürchten“ ist, dass derlei Vorschriften umgangen werden,
       soll die Genehmigung versagt werden. Außerdem müssen Bordelle und
       Modellwohnungen Telefone, Notrufsysteme sowie eigene Sanitär, Schlaf und
       Aufenthaltsräume für die SexarbeiterInnen haben. Und sie dürfen einerseits
       „nicht derart abgeschieden“ liegen, dass Bedrohte nicht zumindest „zeitnah“
       Hilfe holen können. Andererseits soll verhindert werden, dass
       Prostitutionsstätten in reinen Wohngebieten liegen. Oder in jenen Ecken der
       Stadt, die der allgemeinen Erholung dienen.
       
       Zugleich werden Bordelle und Modellwohnungen zwar dem „nichtstörenden
       Gewerbe gleichgestellt“, sie können jedoch Auflagen bekommen – zum Schutz
       vor Lärm oder „erheblichen“, indes nicht näher bezeichneten „Nachteilen,
       Gefahren oder Belästigungen“. Die Betreiber dürfen die Prostituierten laut
       Gesetz weder verpflichten, jeden Freier zu akzeptieren, noch zwingen,
       bestimmte Sexpraktiken mitzumachen.
       
       Wer gegen die Auflagen des Gesetzes vorsätzlich oder fahrlässig verstößt,
       soll wegen Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen von bis zu 5.000 Euro rechnen
       müssen, im Einzelfall sogar mit bis zu 25.000 Euro. Zuständig dafür wird in
       Bremen der Innensenator sein – und nicht etwa der ebenfalls von der SPD
       gestellte Wirtschaftssenator. Obwohl, wie Böschen sagt, Prostituierte als
       „normale Gewerbetreibende“ behandelt werden sollen, und ihre
       Prostitutionsstätten Anforderungen genügen sollen, die „auch an
       Imbissbuden“ gelten, wie Böschen sagt.
       
       Auch bei den Grünen ist die Prostitution Aufgabe des Innenpolitikers Björn
       Fecker – er war gestern nicht zu erreichen. Offenbar erhofft man sich von
       Stadtamt und Polizei eine stärkere Kontrolle. Sie sollten nun die
       „Handhabe“ bekommen, die sie schon bisher gerne gehabt hätten, sagt
       Böschen.
       
       Im Vorfeld der Gesetzesinitiative wurden zwei Bremer Initiativen angehört.
       Eine von ihnen ist Nitribitt, eine Beratungsstelle, mit gegründet von
       (ehemaligen) Prostituierten. Sie wollte sich gestern nicht zu dem Entwurf
       äußern. Auch die Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und
       Zwangsprostitution bei der Inneren Mission war vorab beteiligt. Für sie sei
       das Gesetz aber von „nicht so großer Bedeutung“, sagte eine Sprecherin
       gestern.
       
       Bis Ende 2012 registrierten die Bremer Behörden 19 Opfer von Menschenhandel
       und Zwangsprostitution, 2011 waren es 31, 2010 sogar 46 Fälle. Beinahe die
       Hälfte der Frauen hatte die bulgarische Staatsangehörigkeit. Bundesweit
       wurden im Jahr 2000 insgesamt 926 Opfer registriert, 2011 waren es 640. Das
       ergab jüngst eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der
       Grünen. „Die These, ein liberales Prostitutionsgesetz führe zu mehr
       Menschenhandel, ist widerlegt“, sagte daraufhin deren
       Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Volker Beck.
       
       SPD-Politikerin Böschen, die von sich sagt, sie wolle nicht als
       „Sittenwächterin“ auftreten, wünscht sich derweil, dass – nach
       skandinavischem Vorbild – Freier unter Strafe gestellt werden. Doch nicht
       einmal in ihrer eigenen Partei ist das aktuell mehrheitsfähig.
       
       11 Mar 2013
       
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 (DIR) Jan Zier
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