# taz.de -- Sexarbeit: "Katastrophale Vorstellung"
       
       > Seit der Tatort-Doppelfolge wird wieder über das Prostitutionsgesetz
       > diskutiert. Sozialarbeiterinnen finden das völlig unnötig, die Debatte
       > werde nicht sachlich geführt
       
 (IMG) Bild: Prostitution in St. Georg.
       
       Die neue Diskussion um die Verschärfung des Prostitutionsgesetzes löst bei
       den Beratungsstellen für Sexarbeiterinnen in Hamburg Unverständnis aus.
       „Das ist eine katastrophale Vorstellung“, sagt Veronica Munk vom Netzwerk
       „Tampep“, das gerade die Ergebnisse ihrer zweiten Indoors-project-Studie
       über Sexarbeit in Europa vorgelegt hat (taz berichtete). „Das Ganze wird
       nur moralisch und nicht sachlich diskutiert“, kritisiert Munk.
       
       Auslöser der Debatte war eine Doppelfolge der Krimiserie Tatort, in der es
       um Menschenhandel von osteuropäischen Frauen gegangen ist, die dann in der
       feinen Gesellschaft sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Die
       Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, Alice Schwarzer, nutzte im
       Anschluss eine Talkrunde bei Günther Jauch, um die These aufzustellen, dass
       das 2002 verabschiedete rot-grüne Prostitutionsgesetz, (siehe Kasten) die
       „Zwangsprostitution“ gefördert habe.
       
       „Alice Schwarzer hat offenbar nichts anderes zu tun, als immer wieder das
       gleiche Unwahre zu erzählen“, sagt Gudrun Greb von der Beratungsstelle
       Ragazza für drogenabhängige und sich prostituierende Frauen. Würde in der
       Gesellschaft die Prostitution endlich als Arbeit anerkannt, würde
       sexualisierter Gewalt der Boden entzogen. Was in St. Georg jedoch zu
       verzeichnen sei, ist, dass aus EU-Ländern ganze Clans kommen, bei denen von
       „Zuhälter-ähnlichen Verhältnissen“ gesprochen werden könnte. „Die Frauen
       arbeiten als Prostituierte, die Männer spielen Akkordeon und andere gehen
       betteln“, sagt Greb. „Das hat aber nichts mit dem Prostitutionsgesetz zu
       tun.“
       
       Auch Emilija Mitrovic vom Projektbüro „Arbeitsplatz Prostitution“ der
       Gewerkschaft Ver.di nennt die Schwarzer-Thesen „völligen Blödsinn“. Die
       Situation habe sich durch das Prostitutionsgesetz nicht verschärft, sondern
       eher verbessert. Das Problem seien vielmehr die staatlichen „aggressiven
       Maßnahmen“ wie die Sperrgebietsverordnung für St.Georg und neuerdings das
       Kontaktverbot für Freier. „Das aggressive Vorgehen gegen Prostituierte
       führt dazu, dass sich Frauen auf den Schutz von Zuhältern angewiesen fühlen
       – zumindest subjektiv“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Mitrovic.
       
       Auch die als Zwangsprostitution bezeichneten Fälle, die die
       Koordinierungsstelle Frauenhandel (Koofra) in Hamburg bearbeitet, sind nach
       taz-Information in den vergangenen Jahren rückläufig. „Es ist aber schwer
       zu erfassen, wo Zwang dahinter steckt, wenn die Frauen nicht aussagen“,
       sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Krasse Fälle, bei denen Minderjährige
       zur Prostitution gezwungen werden, seien in letzter Zeit nicht bekannt
       geworden, sagt Vehren: „Das ist Bordellbetreibern zu heiß, weil das schnell
       auffliegt.“ Veronica Munk vom Indoors-project fordert, die Diskussion um
       die Prostitution zu versachlichen. „Sexarbeit ist Arbeit, Menschenhandel
       ist ein Verbrechen“, sagt Munk, „der kommt aber auch in der Gastronomie
       vor.“
       
       20 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) EU
 (DIR) Prostitution
       
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