# taz.de -- Pro und Kontra Christian Wulff: Ist Wulff nur ein Opfer der Medien?
       
       > Das Verfahren gegen den Ex-Präsidenten wird möglicherweise gegen eine
       > Geldbuße eingestellt. Juristisch bleibt von den Vorwürfen nicht viel
       > übrig.
       
 (IMG) Bild: Für Wulff ein Schwarzer Freitag: Die Rücktrittserklräung im Fernsehen.
       
       ## Ja, die Medien sind schuld
       
       Ja, Christian Wulff hat Fehler gemacht. Er vermochte es nicht, zwischen
       seinen öffentlichen Ämtern und seinen persönlichen Interessen klar zu
       trennen. In seiner Zeit als Ministerpräsident suchte er die Nähe zu
       solventen Geschäftsleuten und machte sich vom Wohlwollen der Bild-Zeitung
       abhängig.
       
       Insbesondere Letzteres ist ihm zum Verhängnis geworden: Wulff hat sein Amt
       verloren, sein Ruf ist ruiniert, seine Ehe ging in die Brüche. Das ist eine
       ziemlich große Strafe dafür, dass ihm echte Verfehlungen bis heute nicht
       vorgeworfen werden können.
       
       Viele der Anschuldigungen wirkten von Anfang an monströs überzeichnet. Ist
       es schon Bestechung, wenn man ein Bobby-Car geschenkt bekommt? Nach
       aufwändiger juristischer Prüfung bleibt kaum mehr etwas von den Vorwürfen
       übrig.
       
       Die Justiz hat sich von einer überhitzten Medienberichterstattung treiben
       lassen. 13 Monate lang hat die Staatsanwaltschaft in Hannover jede Akte
       umgedreht. Dieser Aufwand war zu keinem Zeitpunkt angemessen, wie sich
       jetzt deutlich zeigt.
       
       Am Ende steht sie mit einer Einladung zum Oktoberfest da, für die sich
       Christian Wulff seinerseits mit einem Gefälligkeitsbrief im Sinne seines
       Gönners bedankt haben soll.
       
       Man kann das anrüchig finden, aber Korruption sieht anders aus. Und was
       sind schon die paar hundert Euro, die der Filmproduzent David Groenewold
       für seinen Freund Christian Wulff in München springen ließ, gegen die
       25.000 Euro, die ein Peer Steinbrück von den Stadtwerken Bochum bekam, weil
       er in einer Gesprächsrunde auftrat?
       
       Die Firma ist in der Hand einer Stadt, die von der SPD regiert wird –
       solche Gefälligkeiten unter Genossen haben eine ganz andere Größenordnung.
       
       Von der Wulff-Affäre bleibt am Ende ein überdrehter Medienhype, der an den
       moralischen Maßstäben vieler Journalisten zweifeln lässt. Wulff wurde von
       der Bild-Zeitung auch deswegen abgestraft, weil er sich als Präsident nicht
       mehr vor ihren Karren spannen lassen wollte.
       
       Dass sich das Blatt genau in dem Augenblick gegen ihn zu wenden begann, als
       sich Wulff mit seiner „Islam gehört zu Deutschland“-Rede der allgemeinen
       Sarrazin-Hysterie entgegenstellte, verleiht der Bild-Kampagne gegen ihn
       auch im Nachhinein noch einen bitteren Nachgeschmack.
       
       Bitter ist auch, dass so viele Zeitungen in diese Kampagne einstimmten und
       sogar Wulffs unglücklichen Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann zur
       Staatsaffäre aufblähten, statt die Motive des Blatts zu hinterfragen.
       
       Auch dies ist ein Ausdruck der Medienkrise – dass sich Zeitungen und
       Magazine angesichts schwindender Auflagen zu einer haltlosen
       Skandalberichterstattung hinreißen lassen, deren Grundlage mehr als
       zweifelhaft ist.
       
       Die Affäre Wulff zeigt: Die Nähe, die manche Politiker zu Geschäftsleuten
       pflegen, ist fragwürdig. Schlimmer aber ist ihre Abhängigkeit von
       Medienhäusern, die Stimmung zu machen vermögen. Darin steckt die weit
       größere Gefahr für unsere Demokratie. DANIEL BAX 
       
       *************************
       
       ## Nein, Wulff ist selber schuld
       
       Keine Frage: Juristisch ist von den Vorwürfen gegen Christian Wulff nicht
       viel übrig geblieben. Genau einen Fall von Bestechlichkeit werfen die
       Staatsanwälte dem Exbundespräsidenten nach einjährigen Ermittlungen noch
       vor.
       
       Dabei geht es darum, dass er – in seiner Funktion als niedersächsischer
       Ministerpräsident – Sponsorengelder für einen Film seines privaten Freundes
       David Groenewold einzuwerben versuchte. Und zwar unmittelbar, nachdem
       dieser Wulffs privaten Familienausflug zum Oktoberfest mit 800 Euro
       bezuschusst hatte.
       
       Dass Wulff damit aus heutiger Sicht Opfer einer Medienkampagne war und zu
       Unrecht zurückgetreten ist, wäre allerdings eine falsche Schlussfolgerung.
       Zum einen ist Korruption keine Frage der Summe, sondern der Haltung. Ein
       einziger Fall von Bestechlichkeit wäre Grund genug für einen Rücktritt.
       
       Zum anderen ging es bei den Vorwürfen gegen Wulff nie allein um juristische
       Fragen, sondern auch um politische und moralische. Dieser Unterschied ist
       wichtig, weil es eine verhältnismäßig breite Grauzone gibt, in der ein
       Verhalten zwar nicht rechtswidrig, aber für einen Spitzenpolitiker dennoch
       inakzeptabel ist.
       
       Christian Wulff hat diesen Anspruch selbst formuliert, als er noch
       Oppositionsführer in Niedersachsen war und SPD-Ministerpräsident Gerhard
       Glogowski wegen einer gesponserten Hochzeit in der Kritik stand.
       
       „Es muss der Anschein von Korrumpierbarkeit, von Abhängigkeiten, von
       Sponsoring von Politik und Politikern vermieden werden“, hatte Wulff damals
       erklärt. Politiker bräuchten „eine Grundsensibilität, dass man Dienstliches
       und Privates relativ strikt trennt“.
       
       An diesem Anspruch musste Wulff sich später selbst messen lassen. Wie
       deutlich er ihn verfehlte, darf nicht verklärt werden: Er suchte die Nähe
       zu Unternehmern und begab sich in Abhängigkeiten wie kaum ein Politiker vor
       ihm.
       
       Kredite von Freunden, die ihn dann auf Dienstreisen begleiteten,
       Einladungen von Unternehmern, für deren geschäftliche Interessen er sich
       später einsetzte – Wulff ließ jegliche Sensibilität für problematische
       Verquickungen von Politischem und Privatem vermissen. Und – das war der
       Auslöser der weiteren Nachforschungen – er belog das Parlament über diese
       Kontakte.
       
       Die Medien mögen auf dem Höhepunkt der Affäre auch mal übers Ziel
       hinausgeschossen sein. Doch insgesamt haben sie das getan, was ihre Aufgabe
       in einer Demokratie ist: das Geflecht von Wirtschaft und Politik zu
       analysieren, Politikerverhalten genau beobachten und hinterfragen,
       Widersprüche aufzuzeigen und Volksvertreter an ihren eigenen Maßstäben
       messen.
       
       Das Amt des Bundespräsidenten ist kein Job wie jeder andere. Es lebt davon,
       dass der Inhaber eine moralische Autorität ist, dessen Wort in der
       Öffentlichkeit Gewicht hat. Für diese Aufgabe, für dieses Amt war Christian
       Wulff charakterlich und politisch nicht geeignet. Daran gibt es auch ein
       Jahr später nichts zurückzunehmen. MALTE KREUTZFELDT
       
       19 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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