# taz.de -- Gemeinden in Finanznot: Der Trend geht zur Spielbank
       
       > Flughäfen, Musicalhäuser, Freizeitbäder – mit immer neuem Betonschrott
       > hoffen Kommunen auf große Einnahmen. Jetzt wollen alle Kasinos.
       
 (IMG) Bild: Stadt-Kämmerer zocken gerne
       
       Ein Flughafen wie in
       //www.taz.de/Einweihung-von-Regionalairport/!113935/:Kassel-Calden, das
       hätte Niedernhausen gerade noch gefehlt. Dann hätte es vielleicht geklappt
       mit dem „Hollywood auf dem Lande“, von dem die Stadtoberen in der kleinen
       hessischen Taunus-Gemeinde einst träumten – zumindest für zwei Jahre.
       
       Mitte der 90er Jahre legten sie sich für 50 Millionen Mark ein
       Musicaltheater mit 1.500 Plätzen zu, das ihr Weg zum Glück werden sollte.
       Gebaut wurde es für Andrew Lloyd Webbers Melodram „Sunset Boulevard“. Für
       die Produktion gingen 19,7 Millionen drauf. Ein teures Vergnügen. Doch die
       Stadt war überzeugt, dass sich die Investition rechnet. Nach nur fünf
       Jahren würde es in den Kassen nur so sprudeln.
       
       Es kam anders. Nach 18 Monaten und 992 Vorstellungen fiel am 3. Mai 1998
       zum letzten Mal der Vorhang. Es kamen doch nicht so viele Besucher wie
       erwartet. Knapp 200 Mitarbeiter verloren ihren Job. Zur Eröffnung des
       Konkursverfahrens wurden die Forderungen der Gläubiger auf 28,5 Millionen
       Mark beziffert. Mangels Masse stellte das Amtsgericht Idstein das Verfahren
       schließlich Anfang 2006 ein.
       
       Niedernhausen ist ein Beispiel von vielen Kommunen, die in den 90ern ihr
       Heil in der Musicalwelle suchten. Berauscht von den Erfolgen von „Cats“ in
       Hamburg und „Starlight Express“ in Bochum sprossen allerorten
       Theaterneubauten aus dem Boden – kräftig subventioniert mit öffentlichen
       Mitteln. Auch Essen und Duisburg hofften, auf diesem Weg von ihrem
       Schmuddelimage wegzukommen. Ihre Ausflüge in die Musicalwelt endeten im
       Debakel.
       
       ## Nach der Wende kamen die Spaßbäder
       
       Ein ähnliches Phänomen erlebte die ehemalige DDR nach der Wende mit einer
       Invasion der Spaßbäder. Laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen
       Wirtschaft gibt es davon im Osten der Republik mehr als 90. Mittlerweile
       scheint es beispielsweise in Brandenburg kaum noch eine Ortschaft zu geben,
       die nicht über Sprudel-, Plantsch- und Blubberbecken verfügt. „Es gilt die
       Faustregel: Je trister die Lage, desto größer die Fun- und Freizeitanlage“,
       konstatierte unlängst der Spiegel. Die Folge: Es gibt ein zu großes Angebot
       für eine zu geringe Nachfrage. Der Grund für diese Überkapazitäten liegt in
       einer absurden Förderpolitik. So flossen allein in Brandenburg bis 2005
       fast 170 Millionen Euro Subventionen in Schwimmbäder.
       
       Es ist stets das gleiche Elend, das zu solch aberwitzigen Fehlplanungen
       führt. Die kommunalen Kassen sind leer, und Stadtkämmerer suchen
       verzweifelt nach Einnahmequellen. Dabei schauen sie sich nach erfolgreichen
       Geschäftsmodellen in anderen Städten um – und wollen allzu häufig nicht
       wahrhaben, dass diese sich möglicherweise nur deshalb an einem anderen Ort
       rechnen, weil der Markt begrenzt ist. So entstehen teure Moden. Das
       Repertoire reicht von einer Inflation von Multiplexkinos über völlig
       überflüssige Regionalflughäfen bis hin zu überdimensionierten
       Müllverbrennungsanlagen. Doch Modelle, die ein großes Einzugsgebiet
       verlangen, können nicht funktionieren, wenn die Konkurrenz um die Ecke
       wartet.
       
       Der neueste Trend sind Spielbanken. Doch kann man sich die glücklicherweise
       nicht ganz so einfach in seine Stadt holen. Wer den Zuschlag erhält,
       darüber entscheidet das jeweilige Land. Nordrhein-Westfalen hatte lange
       Zeit nur drei Spielbanken: in Aachen, Bad Oeynhausen und
       Dortmund-Hohensyburg. Vor Kurzem kam Duisburg hinzu. Jetzt soll auch noch
       ein Kasino in Köln entstehen. Das werde „eine weitere Besucherattraktion
       sein und neue Einnahmen für die Stadtkasse bringen“, jubilierte Kölns
       Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD).
       
       Interesse an diesem bizarren Kasino-Kapitalismus angemeldet hatten auch
       Düsseldorf, Münster, Königswinter und Neuss. Dabei verzeichnen die
       staatlich konzessionierten Glücksspielhöllen seit Jahren einen stetigen
       Ertragsrückgang. Doch das haben Stadtkämmerer mit Zockern gemeinsam: Sie
       hoffen unverdrossen, dass sie irgendwann das große Los ziehen
       
       4 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
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