# taz.de -- Die Wahrheit: Sozusagen, quasi
       
       > Am Ende des Tages läuft man eventuell Gefahr es mit einem Vertreter der
       > „Sozusagen“-Fraktion aus der Füllwörterhölle zu tun zu bekommen.
       
 (IMG) Bild: So sah es in Pjöngjang vor seinem Relaunch zum Steuerparadies aus
       
       Deutschland gilt ja als Land der Vereine, weshalb wohl getrost davon
       ausgegangen werden darf, dass die Leser mit den Ritualen einer
       Mitgliederversammlung vertraut sind. Pardon, natürlich hätte das jetzt laut
       neuer Straßenverkehrsordnung geschlechtsneutral korrekt „die, die lesen“
       heißen müssen, aber egal, zurück zur MV. Gewöhnlich folgen auf die
       Rechenschaftsberichte von Vorstand und Kassenwart die Vorträge einzelner
       Referenten zu Sonderthemen.
       
       Während eines solchen durfte das gequälte Mitglied kürzlich diesen
       Stilblüten lauschen: „Am Ende des Tages haben wir dann dasunddas Ergebnis
       gehabt. Am Ende des Tages ist es besser, dass …“ Gefühlte fünfzigmal. Das
       Mitglied überkam der dringende Wunsch, am Ende des Tages unbedingt ein
       neues Vorstandsmitglied zu wählen. Ist aber auch keine Lösung, denn es
       besteht die Gefahr, es mit einem Vertreter der „Sozusagen“-Fraktion zu
       ersetzen.
       
       „Sie sind ja sozusagen ein Experte.“ Ja, was denn nun? Ist er oder ist er
       nicht? Oder auch: „Die Muttergottes hat die Mönche sozusagen an diesen Ort
       geführt.“ Echt jetzt? Zitatenschatz, nicht etwa vom Restvorstand auf der
       MV, sondern von Deutschlandradio, einem Hort der deutschen Sprachkultur.
       Darunter ein Juwel, das die ganze Kreativität der Texter versammelt: „Zehn
       Tänzer des kubanischen Nationalballetts haben sozusagen den Absprung
       geschafft und sind in den USA geblieben.“ Da lachen die Herzen der den
       Sprachwitz Liebenden!
       
       Der Häufignutzer kommt inzwischen nur noch mit Konsonanten aus und zischelt
       in regelmäßigen Abständen ein „szsgn“. Früher sagte man einfach „quasi“.
       Ist total aus der Mode. Gibt’s szsgn nicht mehr. Oder „praktisch“! Das war
       doch mal ein Wort! Schon der Kaiser oder Olli Dittrich setzte es mit
       Kennerschaft ein: „Der Trapattoni, der ist ja praktisch ein Italiener.“
       Genau. Praktisch klingt noch handwerklich-haptisch. Haptisch ist übrigens
       auch sehr beliebt, ein Wort, von dem es in Verkäufersprache heißen würde
       „Kann ich sehr empfehlen, das wird immer gern genommen.“ Ach ja. Wer
       benützt sie noch, die Worte zum Anfassen statt dieser armen Dinger, die
       quasi sozusagen irgendwie als ewige Stellvertreter im Raum schweben? Darf
       man noch träumen?
       
       Und dann, aus heiterem Himmel, neulich am Bosporus: Was hält Istanbul, die
       Stadt am Goldenen Horn, nicht alles an Wundern bereit! Herrliche Moscheen,
       fantastische Paläste, großartige Panoramen, köstliche Schlemmereien … und
       mitten im verwinkelten Basar und tief im Gespräch mit der Reisebegleitung
       ereilt einen plötzlich das Größte von allen. Ein freundlicher Basarwanderer
       heftet sich an die Fersen der touristisch Schlendernden und beglückt sie
       strahlend mit folgenden Worten: „Deutschland? Was suchen? Mensch …
       Schicksal … keine Angst …“ Einfache Worte voller Weisheit, die jahrelange
       Therapien ersetzen könnten!
       
       So lassen wir uns denn am Ende des Tages, wenn es Nacht wird im deutschen
       Sprachzentrum, von einem türkischen Sprachhüter den Weg aus dem Basar der
       Füllwörter weisen. Szsgn.
       
       11 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
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