# taz.de -- Fotoband über David Bowie: Er moderiert sein Verschwinden
       
       > Der Hype um den britischen Popstar David Bowie lässt nicht nach. Nun
       > erscheint ein Coffee-Table-Buch, das alle Stationen seiner Karriere
       > abbildet.
       
 (IMG) Bild: Kann auch Rot: David Bowie.
       
       Drunter machen sie es einfach nicht: „David Bowie Is Influencing Your
       Behaviour“ schreit es von einem Poster, mit dem die Ausstellung „David
       Bowie Is“ im Londoner Victoria & Albert Museum beworben wird. Ganz schön
       vermessen.
       
       Klar, Bowie hat Pop zu einer ergiebigen Spielwiese gemacht, als er vor über
       40 Jahren Theatralik in die Rockmusik brachte und sie so aus der
       Authentizitätsfalle rettete. Deswegen soll er aber unser aller Verhalten
       beeinflussen? Überrascht über mich selbst war ich, wie ich mich mit meiner
       durchschnittlichen Bowie-Sozialisation gefreut hatte, als im Januar sein
       neues Album „The Next Day“ angekündigt wurde.
       
       Als Kind der achtziger Jahre war ich im Schnelldurchlauf durch Bowies
       Siebziger gerauscht; dann folgte Distanznahme – doofe Alben, seine Ausflüge
       ins Tapetendesign und die schlimme Zeit mit der Muckerband Tin Machine.
       Dank „Heathen“ (2002) und großartiger Konzerte hatte ich aber doch Frieden
       gemacht mit dem Helden meiner Jugend. Bemerkbar macht sich das etwa bei der
       Lektüre des kürzlich erschienenen Schmökers „Bowie: Retrospektive“ von
       Paolo Hewitt, einem sorgfältig recherchierten Coffeetable-Buch.
       
       ## Seine doofen Alben
       
       Bowies Entwicklung vom hippiesken Folkie über den paranoiden Kokainisten
       bis zum „Renaissance Man“ der letzten Jahrzehnte lässt sich dank toller
       Fotos sinnesfroh nachvollziehen. Allein mit cleverem Marketing ist die
       große Resonanz auf Bowie freilich kaum zu erklären. Mit dem aktuellen Album
       auch nicht. „The Next Day“ scheint vor allem dem Umstand geschuldet zu
       sein, dass Bowie sein Verschwinden nun doch selbst moderieren will.
       
       Er zitiert sich durch sein Werk, malt nachträglich einen roten Faden rein
       und lässt Zitate zerspringen wie Seifenblasen – ganz ohne Pathos. Warum
       also interessieren sich so viele Menschen für ihn? Und wieso leiden manche
       Fans an einer Überidentifikation mit ihrem Idol, dass sie auf Kritik so
       humorlos reagieren? Liegt es daran, dass Bowie seine Bewunderer früh
       gepackt hat und das bis heute geblieben ist? Man konnte ja schon mit zwölf
       andocken an seinen mainstreamkompatiblen Pop, in dem viel Avantgarde
       steckt.
       
       ## Frischer Blick
       
       Liegt es daran, dass er seinen Fans erste Impulse gab, sich mit abseitigen
       kulturellen Sphären zu beschäftigen? Ob es nun das Kabuki-Theater war, auf
       das man durch „Ziggy Stardust“ kam, oder eine experimentelle
       Schreibtechnik, die von den Dadaisten erfundene und von William S.
       Burroughs – und eben Bowie – popularisierte Cut-up-Methode. Tatsächlich
       ermöglicht besagte Ausstellung einen frischen Blick auf diese Fragen.
       
       Man begegnet Bowie, dem jugendlichen Stubenhocker, dem Dandy, Geschäftsmann
       oder Cyborg – eine Erinnerung daran, dass man aus Versatzstücken dieser
       Identitäten seinen eigenen Entwicklungsroman basteln kann, mit
       Kontinuitäten, Abgründen und Neuerfindungen. Vielleicht liegt darin der
       Reiz dieser überanalysierten Popikone.
       
       Anders als bei den Beatles, die auch Transformationen durchliefen, sich
       aber analog zum Geist ihrer Zeit entwickelten, gibt es bei Bowie keine
       zwingende Dramaturgie. Der Rundgang fühlt sich nostalgisch an, obwohl man
       Stationen der eigenen Jugend besucht.
       
       ## Projektionsfläche für Kleinstadtkids
       
       Natürlich war Bowie auch Projektionsfläche für Kleinstadtkids, die sich als
       Außenseiter fühlten. Der befürchtete schale Beigeschmack bleibt jedoch aus
       – vielleicht, weil Bowies künstlerisches Programm vor allem
       Selbstermächtigung hieß, nicht Rebellion.Faszinierend in diesem
       Zusammenhang sind die Einblicke in seine frühen Jahre. Im Swinging London
       der Sechzigerjahre galt Bowie als verbranntes Gesicht, bevor er 1969 mit
       „Space Oddity“ einen ersten Hit hatte.
       
       Man hatte ihn viel probieren und kommerziell scheitern sehen. Wäre sein
       Durchbruch früher gekommen, hätte er sich kaum so nimmersatt durch die
       Einflüsse gegraben, mit deren Amalgamierung er später viele Türen aufstoßen
       sollte. Insofern trifft der Slogan auf Londons Werbetafeln doch irgendwie
       ins Schwarze. Weil Bowie eben auch Menschen beeinflusst, die mit ihm wenig
       am Hut haben. Die sich vielleicht für Mode interessieren. An
       Geschlechtergrenzen abarbeiten. Oder Lady Gaga toll finden.
       
       All den Interessierten, die nicht zur Londoner Bowie-Ausstellung können,
       sei das eingangs erwähnte Buch ans Herz gelegt. Es setzt zwar, wie der
       englische Originaltitel „Album by Album“ betont, bei Bowies musikalischer
       Entwicklung an. Weil Hewitt Hintergründe liefert, die weit darüber
       hinausgehen, kann man sich durch diesen Wälzer schön treiben lassen – mit
       einem ähnlichen Mehrwert, wie er sich beim Rundgang durch die Ausstellung
       einstellt.
       
       ## Paolo Hewitt: "Bowie: Retrospektive". Edel Germany, Hamburg 2013, 287
       Seiten, 29,95 Euro
       
       12 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stephanie Grimm
       
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