# taz.de -- Nach Brechmittel-Tod: Ein Denkmal für Laye Condé
       
       > Der dritte Prozess gegen den Arzt, der für den Brechmittel-Tod Laye
       > Condés verantwortlich ist, hat begonnen. Eine Initiative fordert ein
       > Mahnmal.
       
 (IMG) Bild: Proteste vor dem Beginn des dritten Brechmittel-Prozesses.
       
       In der vergangenen Woche hat der dritte Prozess gegen den Arzt begonnen,
       der dem aus Sierra Leone stammenden Laye Condé im Dezember 2004 so lange
       Wasser und das Brechmittel Ipecacuanha einflößte, bis er bewusstlos wurde
       und wenige Tage später starb. „Tod durch Ertrinken“, diagnostizierten die
       Ärzte – das Wasser war in Condés Lunge gelaufen. Der Polizei-Arzt Igor V.
       wollte den zuvor festgenommenen Mann dazu bewegen, verschluckte Drogen zur
       „Beweissicherung“ zu erbrechen – vier Kokainkügelchen förderte er auf diese
       Weise zutage, die fünfte Portion wurde bei Condés Obduktion gefunden.
       Gesamtwert: 100 Euro.
       
       Nicht nur Condés Tod hat die Bremer „Initiative in Gedenken an Laye-Alama
       Condé“ dazu bewogen, ein Denkmal zur Erinnerung an Condé zu fordern,
       sondern auch die Fülle von Skandalen, die mit diesem Fall verbunden ist.
       Nicht zuletzt die Tatsache, dass Igor V. bereits zweimal vom Bremer
       Landgericht freigesprochen wurde. Beide Male hob der Bundesgerichtshof
       (BGH) den Freispruch wieder auf, beim zweiten Mal bezeichnete er das Urteil
       als „fast grotesk falsch“. Und: Das Denkmal soll daran erinnern, dass
       Bremen „die europäische Hauptstadt der Brechmittelfolter“ war – so Gundula
       Oerter von der Condé-Initiative.
       
       In zwölf Jahren wurde rund 1.000 Mal in Bremen bei dem Verdacht auf
       Drogenhandel die Methode des Einflößens von Brechmitteln angewendet. Seit
       1995 auch zwangsweise per Nasensonde wie bei Condé– erst nach seinem Tod
       entschied der Koalitionsausschuss der Bremer Landesregierung, zukünftig auf
       die Vergabe unter Zwang zu verzichten. Dabei gab es in Hamburg vier Jahre
       zuvor einen Todesfall, und auch in Bremen mussten drei Festgenommene
       während der Prozedur notärztlich versorgt werden.
       
       „Henning Scherf war damals Justizsenator und hat sich“, sagt Oerter, „für
       das Verfahren der Brechmittel-Folter stark gemacht.“ Genauso der damalige
       Staatsrat und heutige Innensenator Ulrich Mäurer. Noch zwei Tage vor Condés
       Tod rechtfertigte der damalige Innensenator und heutige
       CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp Komplikationen bei der
       Brechmittelvergabe damit, dass „Schwerstkriminelle“ mit „körperlichen
       Nachteilen“ rechnen müssten. „Bis heute hat keiner dieser Politiker auch
       nur ein Wort des Bedauerns geäußert“, sagt Oerter. Und bei den von Röwekamp
       erwähnten „Schwerstkriminellen“ handelt es sich in der Regel um Konsumenten
       oder Kleindealer. „Condé war der Polizei vor seiner Festnahme gänzlich
       unbekannt“, so Oerter. Die Kokain-Menge, die er bei sich trug, hätte ihm
       wohl nicht mehr als eine Geldstrafe eingebracht.
       
       „Rassistische Polizeigewalt“ nennt die Initiative die Brechmittel-Einsätze.
       „98 Prozent werden an Schwarzen vollzogen“, sagt Oerter. Condé wurde seine
       Hautfarbe gleich doppelt zum Verhängnis: In der Begründung für die
       Aufhebung des Freispruchs durch den BGH im Jahr 2011 hieß es, der
       Polizei-Arzt Igor V. habe es „vorurteilsbedingt“ unterlassen, Condé zu
       untersuchen, als sein Zustand während der sogenannten „Zwangsexkorporation“
       kritisch geworden war. V. hatte später ausgesagt, er sei davon ausgegangen,
       dass „Schwarzafrikaner häufig simulieren und sich totstellen“. Und beim
       Auftakt zum dritten Prozess gegen V. am vergangenen Dienstag sprach ein als
       Zeuge geladener Polizist stets vom „Schwarzafrikaner“. „Wenn er mal etwas
       anderes gesagt hat, dann ’Patient‘“, so Oerter. „Nicht ein einziges Mal
       sagte er den Namen Laye Condé.“
       
       Vielleicht ist diese Entmenschlichung auch der Grund für ein ärztliches
       Vorgehen gewesen, bei dem der BGH in seiner zweiten Urteils-Aufhebung das
       „Gebot der Menschenwürde“ vermisst: Igor V. wollte, dass Condé
       „schwallartig“ erbrach, um die Drogenkugeln auszuspucken. Das tat der
       jedoch nicht – also traktierte V. den Mann noch zusätzlich mit einem Spatel
       und einer Pinzette im Rachenraum.
       
       „Wir möchten, dass die Verantwortlichen öffentlich bei den Hinterbliebenen
       von Laye Condé ihr Bedauern äußern und endlich damit beginnen, ihre eigene
       Politik kritisch zu reflektieren“, sagt Oerter. Die Forderung, mitten im
       Viertel – Condé wurde am Sielwalleck festgenommen – ein Denkmal für ihn zu
       errichten, werde vom Ortsamt unterstützt, erste Modalitäten für einen
       Künstlerwettberwerb liefen. „Das Denkmal soll gleichzeitig ein Mahnmal
       sein“, so Oerter, „denn auch das ist Teil der Bremer Stadtgeschichte: Hier
       ist ein Mensch im staatlichen Auftrag getötet worden, und so etwas darf nie
       wieder passieren.“
       
       15 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Brechmittel
       
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