# taz.de -- Jurist über Eherecht und Einwanderung: „Die Brautgabe ist ein Vertrag“
       
       > Der Erlanger Jurist Mathias Rohe erklärt, warum deutsche Gerichte ihre
       > Scheidungsurteile bisweilen auf iranische Art fällen.
       
 (IMG) Bild: Die berühmteste Scheidung auf iranische Art: der Shah von Persien und seine damalige Ehefrau Soraya, von der er sich wegen Kinderlosigkeit trennte.
       
       taz: Herr Rohe, das Oberlandesgericht Hamm hat jüngst einen Deutschiraner
       aus Siegen dazu verurteilt, seiner Exfrau eine „Brautgabe“ im Gegenwert von
       800 Goldmünzen zu zahlen; dazu hatte er sich bei der Heirat im Iran
       verpflichtet. Das klingt doch nach 1.001 Nacht, oder? 
       
       Mathias Rohe: Nein, das ist juristischer Alltag bei uns. In Deutschland
       leben 100.000 Iraner, da lassen sich immer wieder welche scheiden.
       
       Die „Brautgabe“ ist im iranischen Familienrecht festgeschrieben, das auf
       dem islamischen Recht der Scharia gründet. Warum wird dieses Recht in
       Deutschland angewandt? 
       
       Dass wir hier iranisches Recht anwenden, ist unsere eigene Entscheidung und
       geht auf das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen von 1929 zurück. Er
       gilt auch umgekehrt: Iranische Gerichte wenden bei deutschen Paaren deshalb
       auch deutsches Recht an.
       
       Warum gilt für sie nicht das deutsche Scheidungsrecht, wenn beide Partner
       inzwischen Deutsche sind? 
       
       Es kommt darauf an, als was man ihre Regelung betrachtet. Wenn man darin
       einen schlichten Ehevertrag sieht, ist das Recht maßgeblich, das zum
       Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt. Vertrag ist Vertrag, das ist ein
       weltweit anerkanntes Prinzip.
       
       Verstößt es nicht gegen die guten Sitten hierzulande, die Ehe mit einer
       finanziellen Verpflichtung zu verbinden? 
       
       Wenn es eine Art Kaufpreis für die Braut gewesen wäre, dann wäre das in der
       Tat sittenwidrig. Aspekte fremden Rechts, die unseren Wertvorstellungen
       widersprechen, müssen wir nicht übernehmen, dafür sorgt der sogenannte
       ordre public. 
       
       Aber ein Vertrag, der die Absicherung der Frau nach einer Scheidung regelt,
       korrespondiert mit deutschen Wertmaßstäben und verletzt die Würde der Frau
       nicht. Er wäre auch nach deutschem Recht möglich – etwa wenn ein
       Unternehmer im Fall einer Scheidung seiner Ehefrau lieber eine Abfindung
       zahlen will, als ihr Anteile an seiner Firma zu überlassen.
       
       Welche Rolle spielt die Brautgabe im iranischen Recht? 
       
       Diese Klausel ist für die Ehefrau die einzige Möglichkeit einer
       finanziellen Absicherung im Fall einer Scheidung. Im Iran ersetzt diese
       Klausel das nacheheliche Unterhaltsrecht. Nach der Ehescheidung ist der
       Mann meist nur verpflichtet, für drei Monate Unterhalt zu zahlen. Danach
       muss die Frau selbst sehen, wie sie über die Runden kommt.
       
       Und in Deutschland? 
       
       Wenn die Frau einen Anspruch auf Unterhalt hätte – etwa weil sie keine
       Ausbildung oder keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat –, dann muss man
       diesen Anspruch wohl auf die Brautgabe anrechnen, um eine Doppelzahlung zu
       vermeiden.
       
       Der Exmann klagt, dass er nicht über das nötige Geld verfügt. Hat das
       iranische Eherecht für die Frau auch Nachteile? 
       
       Ja, eindeutig. Die Brautgabe ist das „Zuckerl“. Ansonsten herrscht im
       iranischen Familienrecht eine starke Benachteiligung der Frau wegen der
       patriarchalen Rollenverteilung. Sie erinnert an das deutsche Recht in den
       50er Jahren, als der Mann noch als Vorstand des Haushalts, Ernährer der
       Familie und Vormund für die Kinder galt. Es gibt noch viele Rechtsordnungen
       in der Welt, die ähnlich patriarchalisch strukturiert sind – nicht nur im
       islamischen Raum.
       
       Was raten Sie Paaren, deren Ehe im Iran geschlossen wurde, die aber lieber
       nach deutschem Recht verheiratet wären? 
       
       Sie könnten im Hinblick auf finanzielle Fragen auf vertraglicher Basis ein
       entsprechendes Arrangement treffen, zum Beispiel durch einen neuen
       Ehevertrag. Sie sollten das aber notariell beurkunden lassen. Viele wissen
       das leider nicht.
       
       18 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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