# taz.de -- Kampfradler in Städten: Weg da, ihr Arschlöcher!
       
       > Es ist Frühling – Zeit des Straßenkampfs. Radler brüllen Autofahrer an.
       > Fußgänger beschimpfen Radfahrer. Aber woher kommt diese Aggression?
       
 (IMG) Bild: 56 Prozent der Berliner haben Angst vor Radfahrern auf dem Gehweg. Wie ist es wohl in dieser Fußgängerzone in Frankfurt am Main?
       
       Und dann schreit da manchmal jemand auf einer Kreuzung mitten in der Stadt,
       als wäre das ein Fußballfeld, als wäre gerade jemand übel gefoult worden.
       Da schreit jemand so laut, dass sich alle nach ihm umdrehen.
       
       „Hey!“, „Mann!“, „Bist du blind!“
       
       Das schimpft jemand so sehr, dass er während eines Fußballspiels schon
       längst wegen Beleidigung vom Platz geflogen wäre. Rote Karte.
       
       „Hey! Du Arschloch!“
       
       Aber es gibt erst einmal keinen Schiedsrichter. Es gibt nur ein Auto, dass
       einen Radfahrer übersehen hat. Einen Radfahrer, der einen Fußgängern auf
       dem Gehweg fast über den Haufen gefahren hätte. Einen Fußgänger, der aus
       Versehen auf den Radweg gelaufen ist.
       
       „Hey! Du! Arschloch!“
       
       ## Familienpapa als Wrestler
       
       Es gibt beispielsweise diesen Mann mit dem Helm, der auf der Hamburger
       Reeperbahn gegen ein fahrendes Auto tritt, weil er den Eindruck hat, das
       sei ihm zu nahe gekommen. Er sieht aus wie ein Familienpapa, aber er
       benimmt sich wie ein Wrestler im Ring.
       
       Von Kampfradlern hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer einmal
       gesprochen. Er meinte vor allem Radfahrer, die sich nicht an Regeln halten.
       56 Prozent der Berliner fühlen sich von Radfahrern auf dem Gehweg bedroht.
       
       Der ewige Winter ist vorbei. Und auf den Straßen von Berlin, Hamburg und
       München beginnt wieder das, was manche einen Krieg nennen. Mindestens einen
       Kampf. Auto gegen Fahrrad gegen Fußgänger. Wir gegen uns.
       
       Spontan die Rollen zu wechseln und trotzdem das Aggressionslevel zu halten,
       fällt den meisten sehr leicht. Man kann am einen Tag als Radlerin ein Auto
       bespucken, weil es einem die Vorfahrt genommen hat. Am nächsten beschimpft
       man vom Auto aus die Radler-Idioten, die sich im Stau an einem
       vorbeidrängen.
       
       Woher kommt diese Aggression?
       
       Sind die Verkehrsplaner schuld, weil den Fahrradfahrern einfach nicht genug
       Platz eingeräumt wird, weil Radstreifen fehlen, weil Raum fehlt und weil so
       Stress entsteht?
       
       Oder wächst die Wut jedes Einzelnen, weil es auch mal gut tut, sich
       ungezügelt aufzuregen? Weil man im Büro nicht wirklich brüllen konnte und
       im Fitnessstudio käme das abends auch komisch. Nicht jeder spielt Fußball
       oder macht Kickboxen.
       
       ## Ein Kampfbegriff
       
       Manche Kampfradler nennen sich stolz so, [1][betreiben Blogs] und sagen,
       sie würden ein höheres Ziel verfolgen: eine autofreie Stadt. Ohne
       Feinstaub. Ohne Hupen und Motorenlärm.
       
       Auch sonntaz-Reporter Johannes Gernert nennt sich Kampfradler. Er versteht
       das aber nicht unbedingt als politischen Kampfbegriff. Er wundert sich eher
       ein wenig über die Wut, die ihn manchmal auf dem Rad packt. Deshalb hat
       sich auf die Suche nach den Ursachen gemacht.
       
       Er hat sich für die neue taz.am wochenende auf den Stuhl eines Therapeuten
       gesetzt, einen Verkehrspsychologen konsultiert, einen Technikforscher
       befragt und seine Fahrt durch eine der fahrradunfreundlichsten Berliner
       Straßen gefilmt - an einem eher ruhigen Morgen. Vor allem hat er sich
       selbst beobachtet: Was mache ich da eigentlich?
       
       Vielleicht ist ein Grund für den Ärger das Gefühl, den Autos und den
       Fußgängern überlegen zu sein, sagt der Verkehrssychologe JörgMichael Sohn
       in der neuen taz.am wochenende. Bis man merkt, dass man doch nicht so
       schnell vorwärts kommt. Weil ein Lieferwagen den Radweg blockieren.
       
       „Hey! Mann!“
       
       Weil Autos ohne zu gucken, rechts abbiegen.
       
       „Du! Arschloch!“
       
       Bis das Hochgefühl in Frust mündet.
       
       Kennen Sie das? Oder regen Sie sich auch jeden morgen über diese Deppen auf
       dem Rad auf? Weil sie Ihnen vors Auto fahren? Weil die Sie anbrüllen, wenn
       Sie nur mal kurz über den Radweg laufen? Weil sie an Ihrer Haustür
       vorbeischießen ohne Rücksicht auf Verluste? 
       
       Das ist die völlig falsche Perspektive, finden Sie? Man müsste mal die
       Kommunalpolitiker konfrontieren, die die eigentlich Schuldigen sind, weil
       sie alles immer aus der Sicht der Autos betrachten? Wir freuen uns über
       ihre Meinung. Über Anekdoten. Oder Wutausbrüche. Diskutieren Sie mit – hier
       auf taz.de. 
       
       Die Titelgeschichte „Die Ampel ist rot. Ich trete“ lesen Sie am 27. April
       in der neuen [2][taz.am wochenende.]
       
       26 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://kampfradler.blogsport.de/
 (DIR) [2] http://bit.ly/17vqaM6
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Maria Amberger
       
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