# taz.de -- Kinky Friedman in Deutschland: Der ungeliebte Mister Marple
       
       > Er ist das Enfant terrible der Literatur, der Countrymusik und Politik.
       > Sein einziges Deutschlandkonzert gibt der Texaner auf dem Festival „Hip
       > im Exil“.
       
 (IMG) Bild: Sah schon früher aus wie John Wayne auf Acid: Kinky Friedman.
       
       Der amerikanische Entertainer Kinky Friedman nennt sich selbst einen
       „jüdischen Unruhestifter“. Ein Titel, den man von keiner Kulturbehörde
       nachgeworfen bekommt, und eine Behauptung, für die man etwas mehr bieten
       muss als ein paar lockere Sprüche in Talkshows.
       
       „Die Deutschen sind mein zweitliebstes Volk“, steht in einigen seiner
       Bücher, „mein liebstes ist jedes andere.“ So war es verständlich, dass sich
       Friedman jahrelang weigerte, in Deutschland aufzutreten, selbst als seine
       Kriminalromane hier fast so populär wie in den USA waren. Ehe er sich 1998
       zu zwei Shows in der Berliner Passionskirche überreden ließ und zu ein paar
       mehr im Jahr darauf.
       
       Das ist jetzt länger her, als die Nazis regieren durften – was hat sich in
       Friedmans zweitliebstem Land inzwischen getan? Die Zahl derer, die den nach
       eigenen Angaben „letzten jüdischen Troubadour“ mindestens mit einem
       Auftrittsverbot belegen würden, wenn sie könnten, ist heute erheblich
       größer.
       
       Der 68-jährige Texaner, der schon als junger Künstler aussah wie John Wayne
       auf Acid, hat gleich in drei Sparten, in denen man ohne starke Sprüche
       nichts werden kann, auf den Putz gehauen: Countrymusik, Kriminalroman und
       Politik. Er tritt dabei immer als Querschläger auf, der angesichts der
       allgemein akzeptierten Regeln wie ein Kind fragt: Was soll der Quatsch? Und
       immer auch als Komiker, der plötzlich traurigste Wahrheiten ins Gelächter
       wirft. Das hat mit dem berechenbaren Gewitzel des deutschen Comediantentums
       wenig zu tun, und man darf’s wohl nicht nur als Ereignis, sondern auch als
       Signal sehen, dass dieser große Sohn der Marx Brothers das Festival „Hip im
       Exil – Facetten des Judentums“ startet.
       
       ## Sex und Kokainberge
       
       Als sich Kinky Friedman 2006 als parteiloser Kandidat um das Amt des
       Gouverneurs von Texas bewarb, hatte der längst berüchtigte Spinner und
       Scherzkeks erst hart daran arbeiten müssen, seine Ernsthaftigkeit zu
       beweisen. Als es dann ernst wurde, brauchte sein Hauptgegner, der
       republikanische Amtsinhaber Rick Perry, kein Team zu engagieren, um die
       schlimmen Geschichten des Kinky-Lebens an die Öffentlichkeit zu bringen.
       
       Der populäre Krimiautor, zu dessen Fans sich sogar Bill Clinton und George
       W. Bush zählen, hatte alles gestanden: Kokainberge, Sex ohne Trauschein,
       lange Arbeitslosigkeit und das Verstecken polizeilich gesuchter Freunde. Es
       gibt Autoren, die alles erfinden, er wirbt damit, dass in seinen Büchern
       außer den Morden nichts erfunden sei. Ob der (nach eigenen Angaben) „neben
       Jesus einzige bekannte Jude in Texas“ deswegen mit 12,8 Prozent der Stimmen
       nur Fünfter wurde? Wohl eher waren ihm politische Ziele wie die
       Legalisierung der Schwulenehe in die Quere gekommen, für die er sich mit
       dem Slogan einsetzte: „Warum sollte es ihnen besser gehen als dem Rest von
       uns?“
       
       Die Frage, ob ein großer Künstler aus der Politik wieder unbeschadet
       herauskommt, kann leider auch The Kink nicht wirklich beantworten: Bei der
       nächsten Gouverneurswahl ging er für die Demokraten ins Rennen, die er
       zuvor, wie alle Berufspolitiker, beschimpft hatte, und zog am Ende seine
       Kandidatur zurück. Ehe er als Landwirtschaftsminister kandidierte,
       erfolglos. Als sein Lieblingsfeind, Gouverneur Rick Perry, dann für die
       Republikaner gegen Obama antreten wollte, unterstützte er ihn plötzlich und
       meinte, er würde sogar „einen Präsidenten Charlie Sheen Obama vorziehen“.
       Was nur irgendwie verständlich ist, wenn man ihm zustimmt, dass Perry ein
       besserer Freund Israels ist als Obama.
       
       An diesem Geständnis des Zigarrenrauchers hat sich jedoch nichts geändert:
       Er selbst trage nie eine Waffe, und „wer auf mich schießen will, muss schon
       seine eigene mitbringen“. Damit wird man auch in Zukunft in Texas keine
       Politkarriere machen. Der Kinkster spielt gern mit Machosymbolen und
       -sprüchen, aber man muss fast blind sein, wenn man die Ironie übersieht.
       Echte Machos spüren es, wenn sie verarscht werden – es war eine
       Frauenorganisation, die ihm 1974 für seinen Song „Put your biskuits in the
       oven and your buns in the bed“ den Titel „Male Chauvinist Pig of the Year“
       verlieh.
       
       ## Witzigste Countryband
       
       Es waren aber nicht die Countrysongs, die ihn populär machten. Nach dem
       ersten Album und dem einzigen Top-Ten-Hit, „Sold American“, ging’s mit
       seiner Band „The Texas Jewboys“ nur noch bergab. Erst viel später wurde
       allgemein bekannt, dass es sich um die wildeste, witzigste und
       provozierendste Countryband gehandelt hatte. Damals jedoch weigerten sich
       sogar die jüdischen Plattenhändler, das Album zu verkaufen, sie hielten
       schon den Bandnamen für ein antisemitisches Statement.
       
       Dabei hätten sie nur hören müssen, was zwischen den schrillen Nummern,
       denen der Geruch der Sechzigerjahreproteste anhaftete, noch so auftauchte:
       „Ride ’em Jewboy“ zum Beispiel, ein Song über den Holocaust. Der im Country
       bekanntlich seltener besungen wird als Schnaps und Beziehungsprobleme.
       
       Höhepunkt von Friedmans Musikkarriere waren einige Konzerte mit Dylans
       „Rolling Thunder Review“. Anfang der Achtziger war er ein abgehalfterter
       Countrysänger, der sich in New York mit Solokonzerten durchschlug, bis ihn
       auch kein Marschierpulver mehr antrieb. Erst die Erfolge der Krimis haben
       ihn die Songs wieder ausgraben lassen, natürlich nur, um aus „Lesungen“
       ordentliche Shows zu machen.
       
       Was nicht heißt, er hätte seinen Status als Excountrysänger je aufgegeben.
       Auf den CDs der letzten Jahre gab’s keine neuen Songs, und auf dem
       aktuellen Album zur Tournee, „Live at Woodstock“, gibt es nur einen: „The
       Ballad of Kevin Barry“, ein altbekannter IRA-Protestsong.
       
       ## Wie eine Filmkulisse
       
       Mit seinen Krimis habe er nur weitere Songs geschrieben, sagt der Autor.
       Und kümmerte sich auf diesem Gebiet wenig um das, was üblich war. Als 1986
       „Greenwich Killing Time“ erschien, markierte hard-boiled James Ellroy den
       Trend zu mehr Blut. Während Kinky verkündete, so was wie die neue Miss
       Marple geben zu wollen, mit einem Hobbydetektiv, der als Ebenbild des
       Autors mit Cowboyhut durch New York latscht und weder Kanone noch
       Sekretärin hat.
       
       17 Folgen schrieb er – die hier bei Haffmanns, dann bei Edition Tiamat
       erschienen – und wurde berühmt. Obwohl er sich für seine Plots nicht
       übermäßig interessierte. Schon eher, in der Tradition eines Lenny Bruce,
       für das so intelligente wie schmutzige Palaver mit seinen Kumpels Larry
       „Ratso“ Sloman (der auch im echten Leben unter diesem Namen ein Buch über
       Dylan veröffentlichte) oder Rambam (der im echten Leben echter Detektiv und
       echt einer der erfolgreichsten Nazijäger ist).
       
       Diese Krimis sind wie eine Filmkulisse aufgebaut: Davor geht’s um Abbie
       Hoffman, den obersten Spaßguerillero der amerikanischen Anarchisten, dem
       der Detektiv (wie der Autor) bei der Flucht vor dem FBI hilft; über das
       traurige Leben der Country-Ikone Hank Williams oder über das Verhältnis von
       Christen und Juden.
       
       Es gibt keinen komischeren Krimiautor als Kinky Friedman. Oder einen, der
       zwischen den Zeilen mehr darüber geschrieben hätte, dass seine Familie
       nicht von den Nazis gekillt wurde und Deutschland trotzdem nicht zu seinen
       vielen liebsten Ländern gehört. Weiß der Henker, wie er dazu kommt.
       
       ## ■ Kinky Friedman, am 2. Mai live im Frankfurter Hof in Mainz. „Hip im
       Exil“, bis zum 22. 8. Infos:
       
       30 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Dobler
       
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