# taz.de -- Fotografie und Mode: Welt zwischen Wachen und Träumen
       
       > Zwischen den Genres von Mode-, Kunst- und Dokumentarfotografie: Genau
       > dort bewegt sich die niederländische Fotografin Viviane Sassen.
       
 (IMG) Bild: Ausschnitt aus einem Modefoto von Viviane Sassen.
       
       „Flamboya“, ein kleines, nichtmal hundertseitiges Büchlein, 2008 in einem
       Kleinverlag erschienen, brachte die Fotografin Viviane Sassen ordentlich
       und anhaltend ins Gespräch. In gestellten Bildern präsentierte Sassen dort
       zumeist schwarze Afrikaner in grafischen Arrangements, die weder Ethnie,
       Geschlecht noch Identität gelten lassen. Mal zerschneiden ins Bild gerückte
       Spiegel verdrehte Körper zu anthropomorphen Skulpturen.
       
       Mal wirft die afrikanische Sonne tiefe Schlagschatten, die auf der Haut
       Konturen und Grenzen auswischt. Oder die Niederländerin arrangiert die
       Körper direkt in faszinierend-verstörender Weise, wie auf dem Titelbild,
       das einen am Meer stehenden Mann zeigt, der ein seltsam gekrümmtes Kind auf
       dem Kopf balanciert.
       
       Der Folgeband, „Parasomnia“, führte dieses Erfolgsrezept einer dunklen und
       gleichzeitig farbensatte Welt irgendwo zwischen Wachen und Träumen weiter:
       Schattenverschleierte Gesichter, verbogene Gliedmaße animierte Natur und
       Sujets, die Geheimkulten aus dem Anbeginn der Welt entnommen sein müssen.
       
       Der Clou dabei war und ist, dass Viviane Sassen sämtliche Fotoklischees des
       afrikanischen Kontinents vollständig geschluckt und verdaut zu haben
       scheint, den kolonialen Blick bewusst kitzelt und ihn mit einer hemmungslos
       überzeichneten Bullshitmythologie bezirzt.
       
       Ein 300 Seiten starker Wälzer zeigt nun, womit die Fotografin in den
       letzten Jahren ihren Lebensunterhalt bestritten hat. „In and Out of
       Fashion“ zeigt als Auftragsarbeiten für Modelabels und -magazine
       entstandene Arbeiten, die ohne die Markennamen und außerhalb ihres
       ursprünglichen Publikationskontextes Sassens künstlerischen Arbeiten in
       nichts nachstehen.
       
       ## Die persönliche Signatur
       
       Wie sonst vielleicht nur Guy Bourdin und Juergen Teller gelingt es ihr,
       trotz der verschiedenen Kundenwünsche jedem Bild ihre persönliche Signatur
       einzuprägen: ins Bild gehaltene Farbfilter, Spiegelungen, Modellkörper
       verknautscht und verknotetet, enigmatisch derangiert und häufig eingebunden
       in ein Spiel zwischen dreidimensionaler Wirklichkeit und dem
       zweidimensionalen Foto.
       
       Ihre Beiträge zu diesem Spiel gemahnen beinahe an die Techniken von
       Schwarzweißfotografen alter Schule, würden die Aufnahmen nicht die
       Farbverzückung von Mittagssonnenanbetung ausstrahlen. Kleider, Taschen,
       Schuhe – all das verkommt zum Beiwerk in diesen Bildern.
       
       Einmal mehr weiß ihr intensiver Einsatz von Schatten zu überraschen und
       gewinnt hier sogar narrative Dimensionen, wenn der Schatten sich durch eine
       Mulde im Lavagestein vom Modellkörper löst. Interessant an dieser Aufnahme
       ist zudem, dass besagtes Modell eben kein Model, sondern von Haus aus
       Stylistin ist.
       
       Die junge Frau, Roxane Danset, muss man wohl als Viviane Sassens Muse
       bezeichnen, erscheint doch zeitgleich zu „In and Out of Fashion“ ein dünnes
       Künstlerbuch namens „Roxane“. Darin wird Danset abgelichtet in
       architektonischen Kleidern von Pierre Cardin, in verwunschenen Sassenposen
       oder beidem zugleich.
       
       Dass nahezu alle diese Bilder dem Überblickswerk zur Auftragsarbeit
       entstammen, macht deutlich, dass Sassen selber nicht zwischen commissioned
       work und fine art photography unterscheidet. Eine Haltung übrigens, die sie
       mit Fotografen wie Roe Ethridge, Miles Aldridge oder eben Teller teilt, die
       ebenso munter Material zwischen den Feldern von Autonomer und
       Gebrauchskunst schieben.
       
       ## Distinktionsgewinn und Aufmerksamkeit
       
       Natürlich, nüchtern betrachtet sind diese Auftragsarbeiten keineswegs so
       subversiv wie „Flamboya“ oder „Parasomnia“. Denn Sassen unterläuft die
       Ikonologie dieser speziellen Form von Produktfotografie nur scheinbar und
       bestätigt das Muster vom Mädchen im Kleid indem sie es variiert, was den
       Auftraggebern den erwünschten Distinktionsgewinn und ergo Aufmerksamkeit
       beschert.
       
       Wer also in „In and Out of Fashion“ die theologischen Mucken des Kapitals
       am Werk sieht, hat zweifelsfrei recht. Sieht man jedoch darüber hinweg,
       entdeckt man hier eine Fotografin, die noch im Brotjob ihr künstlerisches
       Programm durchboxt. Und zudem eine große Portion Schönheit, oder - warum
       nicht: - Kunst in der Modefotografie jenseits des verphotoshopten
       Goldstandards der großen Labels.
       
       Viviane Sassen: "In and Out of Fashion". Prestel 2013. 296 Seiten, 49,95
       EUR; Viviane Sassen: "Roxane". Oodee 2012. 72 Seiten, 98,00 EUR
       
       17 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Scheper
       
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