# taz.de -- Opposition in Russland: Kreml will Soziologen kaltstellen
       
       > Das renommierte Lewada-Institut soll sich als „ausländischer Agent“
       > registrieren lassen. Angeblich üben die Forscher eine politische
       > Tätigkeit aus.
       
 (IMG) Bild: Ausländische Spione": Das Lewada-Institut in Moskau.
       
       MOSKAU taz | Der Kreml setzt die politische und gesellschaftliche
       Landschaftspflege in Russland zielstrebig fort. Nach den Wahlbeobachtern
       der Nichtregierungsorganisation Golos, den Aufklärern der
       antistalinistischen Organisation Memorial und Dutzenden anderer NGOs
       russlandweit erhielt auch das soziologische Forschungsinstitut
       Lewada-Zentrum die Aufforderung, sich als „ausländischer Agent“
       registrieren zu lassen.
       
       Seit November 2012 ist das Gesetz in Kraft, das NGOs mit Einnahmen aus dem
       Ausland und einer im weitesten Sinne politischen Ausrichtung verpflichtet,
       sich als Agenten selbst zu diffamieren. Das Lewada-Zentrum ist Russlands
       renommierteste soziologische Forschungsstätte und das führende unabhängige
       Meinungsforschungsinstitut des Landes. Den Vorwurf der Staatsanwaltschaft,
       das Institut würde eine politische Tätigkeit ausüben, wies Direktor Lew
       Gudkow zurück. Die Anschuldigung sei so absurd, wie wenn man die Behandlung
       einer Krankheit mit der Krankheit gleichsetzen wolle, meinte der
       Institutsleiter.
       
       Nach Angaben der Staatsanwaltschaft erhielt das Forschungszentrum zwischen
       Dezember 2012 und März dieses Jahres rund 3,9 Millionen Rubel (90.000 Euro)
       aus dem Ausland. Wie die Staatsanwaltschaft auf diese Summe gekommen sei,
       ist auch den Forschern noch ein Rätsel. Insgesamt entfallen zwischen 1,5
       und 3 Prozent des Jahresbudgets auf Auslandseinnahmen.
       
       Darunter fallen Gelder aus gemeinsamen Projekten mit ausländischen
       Universitäten, der Weltbank, dem Studentenaustausch und Honorare von
       nichtrussischen Auftraggebern. Dahinter verbirgt sich meist Marktforschung
       für westliche Firmen mit Sitz in Russland.
       
       Lewada erhält keine staatliche Unterstützung wie die kremlnahen
       Umfrageinstitute FOM und VZIOM. Bislang lieferte das Zentrum die
       verlässlichsten Daten über Zustand und Stimmung in der russischen
       Gesellschaft und stellte daher auch für den Kreml, der alle Brücken zur
       Gesellschaft abbrach, eine unverzichtbare Informationsquelle dar.
       
       ## Putin will Tabula rasa machen
       
       Inzwischen will Wladimir Putin, der Modernisierer, offensichtlich Tabula
       rasa machen und Misstöne nicht mehr vernehmen müssen. Lewada stellt Fragen,
       die andere nicht zu stellen wagen: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hält
       in jüngsten Umfragen die Funktionäre der Staatspartei Einiges Russland für
       „Diebe und Gauner“.
       
       Folgen die Soziologen der Warnung der Staatsanwaltschaft, müssten sie die
       Website schließen und die wissenschaftliche Zeitschrift einstellen.
       Gleichzeitig sollten sie nicht mehr öffentlich analysieren, publizieren
       oder kommentieren. Das Verbot erstrecke sich auch auf die Diskussion der
       Ergebnisse mit Fachleuten in Medien, auf Seminaren und Konferenzen, so
       Gudkow. Kurzum: ein Maulkorb für die Wissenschaft.
       
       Die ersten Konsequenzen sind schon spürbar: Einige Gruppen wie Beamte,
       Lehrer und Arbeitgeber stehen aus Angst vor Konsequenzen wegen des Labels
       „ausländischer Agent“ für Interviews nicht mehr zur Verfügung. Schon 2003
       versuchte der Kreml aus politischen Gründen, die sozialwissenschaftliche
       Schule um den Soziologen Juri Lewada mundtot zu machen, und spaltete das
       zuvor staatliche Institut. Die Kremltreuen wechselten daraufhin zum VZIOM.
       
       21 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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