# taz.de -- Verlags-Vertreterin Heckel über linke Buchläden: "Die linke Szene ist geschrumpft"
       
       > Ihre abgeschabten Sessel waren Orte der der politischen Sozialisation.
       > Doch wie lange wird es die linken Buchläden noch geben? Mehr in der
       > taz.am.wochenende.
       
 (IMG) Bild: Marx-Leserin: Ein Auslaufmodell?
       
       taz: Frau Heckel, kann ich mit linken Büchern noch reich werden? 
       
       Judith Heckel: Das konnte man noch nie. Aber dem Buchhandel insgesamt geht
       es nicht gut und bei linker Literatur gehen die Zahlen noch deutlicher
       zurück.
       
       Wegen der Konkurrenz des Internets? 
       
       Nicht nur. Auch die linke Szene ist kleiner geworden und das Bedürfnis der
       Linken, Bücher zu lesen. Heute reicht es vielen, online etwas zu lesen,
       eine Zeitung durchzublättern und einmal im Monat auf eine Veranstaltung zu
       gehen. Ein akademisches Publikum, das sich noch vor 20 Jahren jede
       Neuerscheinung zur politischen Ökonomie gekauft hat, gibt es heute auch
       nicht mehr.
       
       Warum nicht? 
       
       Weil die alle emeritiert sind und nicht für Nachwuchs gesorgt haben.
       
       Aber es gibt doch noch Linke, denen Theorie wichtig ist. 
       
       Klar, es gab eine kleine Marx-Renaissance, von Michael Heinrichs
       Marx-Einführung hat der Schmetterling-Verlag ziemlich viele verkauft.
       Trotzdem ist es kein Vergleich zu dem, was in den 70ern an Ernest Mandels
       oder W. F. Haugs Einführungen ins Kapital verkauft wurde. Von einem
       Antifa-Buch verkaufen sich heute vielleicht noch 1.000, wo es früher 3.000
       waren.
       
       Es gibt doch auch linke Verlage, denen es gut geht, oder? 
       
       Der einzige der mir so einfällt, ist Nautilus. Und die haben ihr Geld nicht
       mit linken Büchern, sondern mit Andrea Maria Schenkel verdient. Davon
       abgesehen ist es fast immer prekäre Selbstausbeutung.
       
       Und was geht verloren, wenn linke Buchläden verschwinden? 
       
       Neben dem Sortiment auch die Strukturen. Die meisten Läden sind als
       Kollektiv organisiert, mit der Idee, eine Alternative zu leben. Für linke
       Buchläden war es immer wichtig, ein Ort für Veranstaltungen zu sein und
       dass ein Netzwerk aufgebaut wird.
       
       Das ginge auch im Internet. 
       
       Im Buchladen stehst du vor einem Regal, drehst dich um und denkst: „Was ist
       denn das für ein blaues Buch?“ Dann nimmst du es in die Hand und bist
       woanders. Das kann online nicht funktionieren, dort gibt es keine Zufälle.
       Ein Buchladen prägt und vernetzt im echten Leben. Selbst wenn es auch dort
       nicht immer an den Verkauf von Büchern gekoppelt ist.
       
       Nein? 
       
       Wenn ich zum Beispiel bei „Schwarze Risse“ in Berlin sitze, kommen viele
       Leute rein, die nur zum Flyertisch gehen. Sie holen Plakate ab, kaufen
       Busfahrkarten oder legen Flyer aus und sind wieder weg.
       
       Dennoch: Müsste es linken Buchläden nicht besser gehen, weil sie ein
       besonderes Profil haben? 
       
       Buchhändler jammern gern. In Hamburg oder Berlin gibt es eine Reihe von
       Läden, deren Umsätze wachsen und die Leute einstellen. Für „Zapata“ in Kiel
       oder „Guten Morgen“ in Braunschweig ist die Szene nicht so groß und so
       einig, dass sie die Läden allein mit Solidarkäufen über Wasser halten
       könnte. Die neue Generation fühlt sich den Läden nicht mehr automatisch
       verbunden. Es gibt unterschiedliche Strategien, damit umzugehen.
       
       Wie sehen die aus? 
       
       Ein Beispiel aus Bremen ist der Ostertor-Buchladen. Der erlebt auch keine
       goldenen Zeiten, versucht aber auch nicht, alle fünf Jahre die
       nachgewachsene linke Szene anzulocken. Er ist mit seinem Publikum älter
       geworden. Wenn die nun alle Psychotherapeuten werden, gibt es halt eine
       große Abteilung zur Psychotherapie. Die haben nun Geld um zu reisen, also
       gibt es eine große Reisebuch-Abteilung.
       
       Ist das dann noch „links“? 
       
       Von außen vielleicht nicht mehr, aber vom Selbstverständnis her schon. Auch
       bei Reiseliteratur und Wissenschaft gibt es linke Ansätze. Ein anderes
       Beispiel in Bremen ist der Golden Shop. Ich würde den immer als linken
       Buchladen bezeichnen, er hat auch diese soziale Funktion. Aber die
       Abgrenzung funktioniert nicht mehr ausgewiesen über das Politische.
       
       Ein linker Buchladen, der nicht über politische Bücher funktioniert? 
       
       Natürlich gibt es dort auch Antifa- und Tierrechts-Titel und alles, was aus
       linken Verlagen kommt. Aber die Abgrenzung funktioniert eher ästhetisch,
       über den literarischen und musikalischen Geschmack. Die Inhaberin ist total
       entschieden in der Belletristik, ihrem Comic-Sortiment oder darin, welche
       Foto-Bände sie verkauft. Vielleicht haben sich in einer urbanen Linken auch
       Kriterien geändert.
       
       Inwiefern? 
       
       Womöglich ist eine ästhetische Distinktion heute wichtiger als eine
       inhaltliche. Also, dass man sich einem Laden eher zugehörig fühlt, wenn da
       die eigene Musik läuft und Literatur empfohlen wird, die cool ist. Das ist
       wichtiger, als dass jemand hinter dem Tresen steht, der sich wahnsinnig gut
       mit Trotzkismus auskennt. Wenn ein Laden nur ein paar Bücher aus dem
       Unrast-Programm da hat, ein bisschen Nautilus und noch ein bisschen
       Christoph Links und Dampfboot, ansonsten aber mit Krimis bestückt ist und
       so langweilig wie Thalia, dann ist das nicht interessant.
       
       Sind linke Buchläden auf dem Land wichtiger als in der Stadt? 
       
       Ich weiß von relativ wenigen auf dem Land. Einer ist „Peter Panter“ in
       Meldorf im Kreis Dithmarschen. Das war aber auch klassisch eine Gegend, wo
       die linke Stadtflucht aus Hamburg hingegangen ist. Die haben da so ein
       bisschen Öko-Kram gemacht, gegen AKWs protestiert und Antifa auf dem Land
       gemacht. Aus solchen Strukturen ist dann der Laden entstanden. Meldorf ist
       klein, vom Sortiment her könnten die da als rein linker Buchladen nicht
       leben. Trotzdem war immer klar, es ist der Ort, wo die Linken hingehen, wo
       man Infos austauscht, wo man sich vernetzt, wo man eben auch mal ein
       Anti-AKW-Buch und die passenden Aufkleber und ein Antifa-Buch kaufen konnte
       und auch immer noch kann.
       
       Wie weit kann dieser Kompromiss gehen? 
       
       Das ist die Kröte des Selbstwiderspruchs, die man immer schlucken muss,
       wenn man ein linkes Projekt macht: dass man gleichzeitig auch ökonomisch
       funktionieren muss. Es würde sowieso niemand zum Beispiel in den
       Schanzenbuchladen in Hamburg gehen und da nach dem neuen Sarrazin fragen.
       Aber es gehen dort Leute hin und wollen „50 Shades of Grey“. Das liegt zwar
       nicht aus, aber sie kriegen es dort bestellt. Dass der Schanzenbuchladen
       gut funktioniert liegt daran, dass er eine Institution in der Hamburger
       linken Szene ist, aber auch daran, dass die Schanze voll ist mit Touristen
       und er auf dem Schulterblatt der einzige Buchladen ist. Das wissen sie und
       deswegen werden die Touris auch nicht rausgeschmissen.
       
       Also muss ein linker Ladeninhaber seine Kunden gar nicht immer anmuffeln? 
       
       Du musst auch einen gewissen Missionierungs- und Erziehungsauftrag haben
       wollen. Aber nicht zu viel. In meiner ersten Lieblingsbuchhandlung in Mainz
       hat der Inhaber am Telefon jemanden rund gemacht, der versucht hat, einen
       Mondphasen-Kalender bei ihm zu bestellen. Er wollte nicht jeden Schrott
       verkaufen. Das hat doch was
       
       Lesen sie mehr in der taz.am.wochenende. Oder im e-Paper [1][hier].
       
       31 May 2013
       
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