# taz.de -- Kommentar Protest in der Türkei: Die bessere Türkei
       
       > Das Vorgehen der türkischen Polizei ist brutal. Es erinnert an Krieg.
       > Erdogan muss sich bewusst sein, dass dieses Verhalten Folgen hat.
       
 (IMG) Bild: Erschöpft am Tag nach der Eskalation: Demonstranten am Rande des Gezi-Parks
       
       Das, was die türkische Polizei vergangene Nacht auf dem Istanbuler
       Taksimplatz veranstaltet hat, sah aus wie Krieg gegen die eigene
       Bevölkerung – und fühlte sich so an. Die Polizei nebelte ein provisorisches
       Lazarett mit Pfeffergas ein. Sie schoss auf einen Krankenwagen. Sie warf
       Steine auf Demonstranten. Die Polizei lief Amok, wie Ministerpräsident
       Recep Tayyip Erdogan zuvor schon rhetorisch Amok gelaufen war. Aus der
       Gewalt der Worte wurde echte Gewalt: Nun sind Hunderte verletzt, das Volk
       ist gespalten.
       
       Der brutale Einsatz der türkischen Polizei verdient alle internationale
       Kritik, die möglich ist. Ministerpräsident Erdogan muss wissen, dass die
       Welt hinschaut, wenn er friedliche DemonstrantInnen nieder prügeln lässt,
       dass sie zuhört, wenn er gegen Teile seiner Bevölkerung hetzt. Und: Dass
       dieses Verhalten Folgen hat für ihn. Er darf das nicht wieder tun. Das ist
       die eine Seite.
       
       Auf der anderen Seite steht ein Land, das sich durch Mut, Hilfsbereitschaft
       und Humor auszeichnet. Luxushotels öffnen ihre Foyers für Verletzte,
       freiwillige Ärzte versorgen Demonstranten, Anwohner nehmen flüchtende
       Aktivisten auf. Wäre das in Deutschland möglich? Und egal, wie viel
       Pfeffergas die Polizei zwischen die Zelte feuert: Im Gezipark wird weiter
       getrommelt und getanzt.
       
       Würdelos ist es, wenn sich Politiker aus der Union, wie der außenpolitische
       Sprecher der Bundestagsfraktion Philipp Mißfelder, keinen Tag gedulden
       können, um politisches Kapital aus den Bildern vom Taksimplatz zu schlagen.
       Noch während in Istanbul Verletzte mit Blaulicht in Krankenhäuser gebracht
       werden, verkündete Mißfelder, der EU-Beitritt der Türkei sei nun in weite
       Ferne gerückt.
       
       ## Erdogan kann schreien, so laut er will
       
       Deutlicher kann man nicht signalisieren, wie egal einem all jene Menschen
       sind, die friedlich und mit vollem Einsatz gegen die Willkür ihres
       Regierungschef aufbegehren: junge Studentinnen, Arbeiter, Banker,
       Fußballfans. Dieses Land hat eine Zivilgesellschaft, die sich wehrt.
       
       Und der Gezipark ist nicht nur ein Park: Er ist die bessere Türkei. Gezi
       zeigt, wie sich Menschen verhalten, wenn sie Verantwortung für etwas
       übernehmen, das ihnen wichtig ist. Gezi zeigt auch, dass Kurden neben
       türkischen Nationalisten zelten können, ohne dass sie sich die Köpfe
       einschlagen. Diese Vision ist nun in der Welt: Sie kann nicht mehr von
       Räumfahrzeugen beiseite geschafft, von Drohungen vertrieben, von Tränengas
       vernebelt werden. Da kann Erdogan schreien, so laut er will.
       
       12 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Dachsel
       
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