# taz.de -- Online-Lesegewohnheiten: Klick – und weg bist du
       
       > Die Aufmerksamkeitsspanne der Leser von Internetmedien ist sehr kurz, bei
       > mobilen Angeboten noch kürzer. Was bedeutet das für Journalisten und
       > Verlage?
       
 (IMG) Bild: Nachrichten „to go“.
       
       Überschrift lesen, Teaser lesen, bei Facebook, Twitter oder Google+ teilen,
       weg – so sieht der typische Nachrichtenkonsum online aus, beklagte das
       [1][US-Onlinemagazin „Slate“] vor wenigen Tagen. Ein Datenjournalist der
       Firma Chartbeat hatte für es herausgefunden, dass viele Slate-Leser einen
       Text schon nach Lektüre weniger Absätze über Twitter verbreiten oder ihn
       kommentieren, statt ihn bis zum Ende durchzulesen. Ein Verhalten, dass sich
       auf viele andere Nachrichtenseiten übertragen lässt, meint der
       Webseitenanalytiker von Chartbeat.
       
       Je mehr auf mobile Inhalte gesetzt wird, desto schwerer haben es lange
       Texte, online Leser zu finden. Ein 10.000 Zeichen langer Text wird wohl
       kaum auf einem Smartphone gelesen werden, während man auf einen Bus wartet.
       Und Auswertungen zur Verweildauer auf deutschen Newsseiten legen nahe, dass
       auch dort häufig Überschriften und Texte schnell überflogen werden:
       Überblick statt sorgfältiger Textexegese. Wir leben in einem Zeitalter des
       Scannens, schreibt Slate-Autor Farhad Manjoo.
       
       Es ist schlicht eine Überlebensstrategie: Nicht nur das Angebot an
       Inhalten, das den Usern im Netz zur Verfügung steht, auch die Anzahl der
       Seiten, die sie jeden Tag durchforsten, steigt ständig. Und durch mobile
       Geräte ist all das jederzeit verfügbar – wenn auch oft eben nur halb
       bemerkt.
       
       Wie die Medien darauf reagieren sollten? Schon vor einiger Zeit mahnte der
       Däne Jakob Nielsen, eine der führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der
       Benutzerfreundlichkeit von Webangeboten: Die Menschen lesen online anders,
       deshalb muss man eben auch anders schreiben.
       
       News im Netz anders zu präsentieren, anders zu erzählen – das fordern auch
       Journalisten häufig, wenn man ihnen die Fangfrage nach der Zukunft des
       Onlinejournalismus stellt. Denn auch den Textverliebtesten unter ihnen
       schwant allmählich, dass wir in einem stark visuell geprägten Zeitalter
       leben, in dem Videos, Bilder und Grafiken einfacher Aufmerksamkeit bekommen
       als „Bleiwüsten“.
       
       Und während klassische Verlage noch tüfteln, wie ihre Inhalte für mobile
       Nutzer auf Minibildschirmen, Tablets und hinter Bezahlschranken zu
       organisieren sein könnten, basteln eine Reihe von US-Websites und Apps
       schon fleißig daran, die Binsenweisheit von Nielsen konkret auszugestalten.
       
       ## Angenehm zu lesen und einfach zu teilen
       
       Die App [2][cir.ca] zum Beispiel bereitet Nachrichten gezielt für mobile
       Nutzer auf. Ihre Redakteure fassen das Wichtigste in wenigen Sätzen
       zusammen, sodass die Textchen garantiert auf einen Smartphonebildschirm
       passen. Aufgemotzt wird das mit Fotos, Grafiken, abgesetzten Zitaten und
       Links zu weiteren Artikeln für alle, die es etwas genauer wissen wollen.
       Das ist angenehm zu lesen und einfach zu teilen. Schwierig wird es erst,
       wenn man sich dafür interessiert, woher all diese Informationen eigentlich
       stammen. Erst das Antippen eines Infobuttons ruft verlinkte Quellenangaben
       auf.
       
       Das Blog [3][netzwertig.com] fürchtet deshalb, dass sich cir.ca etwas zu
       sehr an den Recherchen anderer Medien bedient, ohne sie zu nennen.
       Tatsächlich müht sich cir.ca sehr viel weniger als zum Beispiel Google
       News, den Redaktionen, deren Journalisten die Nachrichten erst ausgebuddelt
       haben, Leser auf die Seite zu spülen.
       
       Fraglich ist sicher auch, ob cir.ca für Berichte über komplexere Themen
       taugt. Oft wären mehr Differenzierung, diverse Stimmen und Einordnung
       nötig. Andererseits: Nach Lektüre einer Nachricht bei cir.ca ist man
       sicherlich besser informiert als nach der Lektüre eines Tweets, bei dem man
       mal wieder den angefügten Link nicht öffnen konnte. Oder als nach einem
       halbherzigen Scan über die Spiegel-Online-Startseite.
       
       Wie viel Potenzial in dieser Idee für Expressnachrichten steckt, zeigt auch
       eine der jüngsten Akquisen des US-Internetkonzerns Yahoo. Der kaufte im
       März für angeblich 30 Millionen Dollar die App Summly, die sich auf das
       Kürzen von Nachrichtentexten auf Smartphone-Bildschirmlänge von maximal 400
       Zeichen spezialisiert hat.
       
       ## Dutzende verschiedener Überschriften
       
       Und noch eine andere Entwicklung im Netz hat vor allem bei jungen Nutzern
       Erfolg: Binnen eines Jahres schaffte es [4][upworthy.com] auf mehr als zehn
       Millionen Klicks pro Monat. Auf der Seite werden Inhalte aggregiert, also
       gesammelt und angehäuft, gerne solche mit einer besonders emotionalen oder
       irgendwie gesellschaftspolitischen Botschaft. Meist werden Videos oder
       Bilder mit ein paar Sätzen angetextet – und Dutzende verschiedener
       Überschriften ausgetestet, um dies möglichst optimal anzupreisen.
       
       Aggregatorendienste wie Upworthy haben mit ihrem anarchischen Nebeneinander
       von Klatsch, Tränendrüsengeschichtchen und Politik wenig zu tun mit
       redaktioneller Auswahl, Übersichtlichkeit oder nachrichtlichem Vollangebot.
       Andererseits werden hier neue Netzhypes verbreitet, über die klassische
       Nachrichtenseiten Tage oder Wochen später ebenfalls berichten – einfach,
       weil Leser den Stoff lieben.
       
       Und: Die eine oder andere Idee, wie man auch noch morgen Nutzer unterhalb
       des Rentenalters anspricht, könnten sich traditionelle Newsseiten hier
       sicher auch abschauen. Etwa die Überschriften ähnlich sorgfältig zu
       optimieren, statt einfach auf den Genius eines Redakteurs zu vertrauen.
       Oder sich eben einzugestehen, dass manchmal ein einziger kurzer Absatz Text
       ausreicht, um den Nutzer für ein Thema, ein Video, eine Infografik zu
       interessieren.
       
       „Küchenzuruf“ haben Journalisten das einst genannt: eine Nachricht so eng
       zu verpacken, dass man ihren Kern noch im dicksten Kochlärmgeklapper
       erfassen kann. Also muss sie in einen Absatz passen. Danach klicken die
       meisten ja eh weiter.
       
       18 Jun 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.slate.com/
 (DIR) [2] http://cir.ca/
 (DIR) [3] http://netzwertig.com/
 (DIR) [4] http://upworthy.com
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meike Laaff
       
       ## TAGS
       
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