# taz.de -- Prozess um Zwischenlager Brunsbüttel: „Mit der Stange im Nebel“
       
       > Vor Gericht beruft sich das Bundesamt für Strahlenschutz auf
       > Geheimhaltung. Mittwoch wird das Urteil vorgelegt.
       
 (IMG) Bild: Kann Terroranschlägen möglicherweise nicht standhalten: das Atommüllzwischenlager in Brunsbüttel.
       
       SCHLESWIG taz | Eigentlich findet Anke Dreckmann Atomkraft großartig. „Man
       kann damit das Universum erklären“, sagt die 70-Jährige, „aber leider auch
       die Erde zerstören.“ Um auf diese Gefahr hinzuweisen, kämpfen die
       Brunsbüttlerin und ihr Mann – der aus gesundheitlichen Gründen vor Gericht
       fehlte – seit fast zehn Jahren gegen das Atommüllzwischenlager in ihrem
       Heimatort.
       
       Gestern stand Dreckmann erneut vor dem Schleswiger Oberverwaltungsgericht.
       Es geht um die Frage, ob das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) im Jahr
       2003 alle Risiken korrekt geprüft hat. Ehepaar Dreckmann und ihr Anwalt
       Ulrich Wollenteit bezweifeln, dass das Zwischenlager, das in einem Gebäude
       nahe beim Reaktor untergebracht ist, Terroranschlägen standhalten könnte.
       Die Experten des BFS gerieten gleich am ersten Verhandlungstag auf eine
       Frage des Richters ins Schleudern – unter anderem, weil sich das Amt auf
       Geheimhaltung beruft.
       
       ## Politische Gründe
       
       Warum berechnete niemand, welche Folgen der Absturz des Riesenflugzeugs A
       380 hätte, das im Jahr 2003 bereits im Bau war, wollte der Vorsitzende
       Richter, Dierk Habermann, wissen. Von einem „Wechselspiel der
       Institutionen“ nach dem 11. September 2001 sprach der BFS-Anwalt Harmut
       Gaßner vage, der BFS-Sachverständige ergänzte, es hätten noch nicht alle
       Daten vorgelegen. Falsch, sagte Wollenteit: Zeitschriften hätten
       Zeichnungen des Airbus veröffentlicht. Und auf das Argument, der A 380 sei
       so groß, dass er gar nicht vollständig das Gebäude treffen könnte, sagte
       die Gegen-Sachverständige Oda Becker: „Das Lager misst 83 Meter, der Airbus
       79.“ Sie sah weniger technische, als politische Gründe: „2003 gab es keinen
       Auftrag, den Airbus 380 einzubeziehen.“
       
       Ein Grundproblem des Gerichts sei, dass es „mit der Stange im Nebel
       stochert“, so Richter Habermann. Der Senat solle zwar keine sachlichen
       Probleme klären – aber um zu bewerten, ob das Amt korrekt gehandelt habe,
       müsse es dessen Entscheidungen nachvollziehen. Das aber könne es nur
       teilweise, weil die Behörde nicht alles offenlegt – immerhin geht es um die
       Abwehr von Terror. Das Gericht sieht ein Dilemma: Das Amt unterliegt
       entweder, weil es seine Position nicht beweisen kann, oder es nennt
       Abwehrstrategien und zeigt damit Angreifern einen Weg. Aber Habermann
       machte auch deutlich, dass die Beweislast bei der Behörde liegt. Und
       Wollenteit, der seit langem Atom-Verfahren begleitet, sah in der
       Geheimhaltung eine Prozessstrategie: „Der Kurs geht seit einigen Jahren zum
       Mauern.“
       
       ## Wettstreit der Gutachter
       
       Der Prozess ist ein Wettstreit der Gutachter: Die Sachverständigen des BFS
       erklären, sie hätten stets „konservativ“, also vorsichtig gerechnet, nehmen
       aber nicht „in jedem Szenario den schlimmsten Fall“ an. Gegen-Gutachterin
       Becker sah dagegen gerade an ihrer Meinung nach entscheidenden Punkten
       Mängel, etwa bei der Frage, wie lange ein abgestürztes Flugzeug brenne und
       wie viel Hitze dabei entstehe. Der Gegen-Experte fand die „Frage der
       Thermik nicht so relevant“.
       
       Heute wird weiterverhandelt, es geht dabei um die Risiken eines
       Terrorangriffs mit Waffen. Am Mittwoch will das Gericht ein Urteil fällen.
       Die Entscheidung könnte weitgehende Folgen für die Landes und Bundespolitik
       haben, da die Landesregierung den Standort Brunsbüttel als Zwischenlager
       für Castor-Behälter aus der Aufbereitungsanlage Sellafield angeboten hat.
       Bekämen die Kläger Recht, wäre dieser Plan gescheitert. Die politischen
       Folgen sieht Dreckmann pragmatisch: Fiele Brunsbüttel als Zwischenlager
       aus, könne das Land auf Krümmel oder Brockdorf ausweichen. Grundsätzlich
       sei klar: „Wir müssen den Atommüll zurücknehmen.“
       
       17 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Gorleben
 (DIR) Castor
       
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