# taz.de -- Urban-Farming im Container: Der Barsch von nebenan
       
       > In einem Schiffscontainer züchten Berliner Enthusiasten Fische. Deren
       > Abwasser nährt das Gemüse. Ihre Mission: die Lebensmittelversorgung
       > verbessern.
       
 (IMG) Bild: Christian Echternacht und sein Gemüse, das von den Abwassern der Fischzucht lebt.
       
       BERLIN taz | Es ist das erste Mal, dass Christian Echternacht die
       Wassermelone sieht. Die Frucht ist gerade mal so groß wie eine Fingerkuppe,
       an einem Ende noch mit einem Rest der Blüte und nur am typischen
       Streifendesign zu erkennen. „Abgefahren“, sagt Echternacht und zu der
       zukünftigen Melone: „Herzlich willkommen in der Containerfarm in Berlin.“
       
       Ein altes Fabrikgelände, im südlichen Teil der Stadt. Neben den Filialen
       von Möbelhäusern ragen in die Jahre gekommene Gebäude in die Luft.
       Dunkelroter Backstein, graue Liefertüren. Nur die kleinen Plastikschilder
       am Eingang weisen darauf hin, dass sich hier, wo bis in die 90er Jahre Malz
       produziert wurde, nun junge kreative Unternehmen niedergelassen haben, die
       Strickmode herstellen, Tourneen planen oder Schmuck designen.
       
       Christian Echternacht und seine beiden Kollegen züchten Fische. Und bauen
       Gemüse an. Beides zusammen, in einem alten Schiffscontainer, den die
       Jungunternehmer von Hamburg aus nach Berlin transportieren ließen. Die
       Fische schwimmen in einem Becken unten im Inneren des Containers, das
       Gemüse wächst obendrauf, unter einem Dach aus Plexiglas.
       
       Dazwischen Wasserkanister, Becken und eine Menge Schläuche. Denn mit dem
       Abwasser der Fische wird das Gemüse bewässert und gedüngt. So wollen die
       drei Unternehmer die städtische Lebensmittelversorgung wenn schon nicht
       revolutionieren, dann zumindest verändern. Verbessern. Nachhaltiger machen.
       
       ## Nachhaltiger Einkauf
       
       „Nachhaltig“ ist ein Wort, das Echternacht oft sagt, und manchmal klingt er
       dann ein bisschen wie die Bundeslandwirtschaftsministerin. Wenn man ihn
       fragt, warum er auf einem Parkplatz zwischen Fabrikgebäuden, Autos und
       einem abgedeckten Boot einen alten Schiffscontainer stellt und darauf
       Landwirtschaft betreibt. Wenn er über die Nachteile von Steinwolle und die
       Vorteile von kompostierbarem Bio-Plastik als Pflanzengefäße spricht.
       
       Wenn er erzählt, wie viel Futter ein Rind bekommt, um ein Kilo Fleisch zu
       produzieren, und wie viel es bei den 150 Barschen ist, die in dem
       Wasserbecken schwimmen. 1,2 Kilo Futter für ein Kilogramm Barsch, das sei
       doch ein gutes Verhältnis. Und da ist auch der Unterschied zur Ministerin:
       Er schafft es, dem Phrasenhaften des Begriffs etwas Inhalt zu verleihen.
       
       Echternacht steigt eine steile Holztreppe an der Seite des Containers
       hinauf. Während es unten im Container nach Aquarium riecht, plätschert oben
       das Wasser, das aus den Tanks hochgepumpt wird. Hier wächst Minze über
       Rosen, Salat gegenüber von Tomaten und mittendrin Erdbeeren, Basilikum und
       die Wassermelone.
       
       Es ist nicht viel mehr als das, was man mit intelligentem Stapeln auch auf
       einem großen Balkon unterbringen würde. Mit dem Unterschied, dass dank
       Gewächshaus schon unterarmgroße Gurken an den Pflanzen hängen, während auf
       einem Balkon gerade erst die Frucht sichtbar würde.
       
       ## Kürzere Transportwege
       
       „Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Nahrungsmittelproduktion in die Stadt
       kommt“, sagt Herbert Lohner, Naturschützer vom Bund für Umwelt und
       Naturschutz Berlin. Urban Farming – das Bewirtschaften von Flächen in der
       Stadt – werde immer populärer. Und das nicht nur in Berlin, wo auf
       Dachterrassen, an Kreisverkehren und auf einem alten Flughafen gepflanzt
       und geerntet wird. Sondern auch in New York, wo Kinder in Stadtgärten
       wieder lernen sollen, wie eine Tomate wächst. Oder in Tokio, wo das Stapeln
       von Gärten ganz neue Dimensionen erreicht.
       
       Die Gedanken dahinter sind nicht nur ökologische: Mehr Grün in der Stadt
       wirkt sich positiv auf die Schadstoffkonzentration aus, und wer einen
       kleinen Garten betreibt und vorhat, das Gemüse selbst zu essen, wird kaum
       zu Pestiziden greifen. Sondern auch praktische und wirtschaftliche: Wenn
       das Gemüse näher am Verbraucher wächst, werden Transportwege kürzer oder
       fallen ganz weg. Die Ware ist frischer, weil reif geerntet, und je weniger
       Zwischenhändler daran verdienen, desto höher die Marge für den Landwirt.
       Oder den Stadtwirt.
       
       Trotzdem. Wirtschaftlich ist die Containerfarm, wie sie Echternacht nennt,
       nicht. 32.000 Euro muss zahlen, wer sich so einen Container auf den
       Parkplatz oder in den Hof stellen will. „Das ist etwas für Enthusiasten
       oder einen Restaurantbetreiber, der ein Statement setzen will“, sagt er.
       Deshalb soll das nächste Projekt eine Nummer größer werden. Eine Stadtfarm.
       Und das gleich um die Ecke.
       
       Vom Container über den Parkplatz zwischen zwei Fabrikgebäuden hindurch
       läuft Echternacht auf eine Wiese. Grün, frühlingshaft, gemäht, 1.800
       Quadratmeter groß. Wenn es nach den Unternehmern geht, sollen hier im
       Herbst die Bauarbeiten beginnen. Ein großes Gewächshaus für das Gemüse und
       einen schattigen Teil für die Fische. Kosten: 1,35 Millionen Euro.
       
       ## Sie suchen Investoren
       
       Damit die Finanzierung nicht so prekär läuft wie beim Container – viel Geld
       aus Erspartem reinstecken –, suchen sie Investoren. Die ersten Gemüsekisten
       wollen sie Mitte nächsten Jahres ausliefern und dann auch Einnahmen haben.
       Und nicht nur selbst gezogene Gurken.
       
       1.800 Quadratmeter – was für städtische Verhältnisse groß klingen mag, ist
       in landwirtschaftlichen Dimensionen gerechnet ein Witz. Ein Betrieb mit 32
       Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, wie es sie in den südlichen
       Bundesländern gibt, gilt als klein. Und das sind schon 320.000
       Quadratmeter. Große Betriebe verfügen über mehrere hundert Hektar Fläche.
       
       Um tatsächlich eine nennenswerte Zahl an Kunden zu versorgen, bräuchte man
       also eine ganze Menge Farmen pro Großstadt. Doch wollen die Verbraucher
       überhaupt den Salatkopf aus dem Gewächshaus um die Ecke? Legen sie nicht
       vor allem Wert auf niedrige Preise? Warum sonst unterbieten sich die
       Discounter ständig mit neuen Tiefstpreisen bei Milch und Butter?
       
       ## Wohlhabende Kunden
       
       „Urban Farming spricht natürlich eine bestimmte Klientel an“, sagt Johannes
       Graupner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Das
       hatte im Jahr 2008 den Prototyp einer sogenannten Aquaponic-Anlage gebaut –
       und dabei erst einmal Fische mit Tomaten kombiniert.
       
       Der „Tomatenfisch“ bekam im Dezember vergangenen Jahres den Deutschen
       Nachhaltigkeitspreis, da hatten die Leute von der Containerfarm die Idee
       der Forscher gerade auf den Parkplatz gestellt und ihre erste Ernte
       eingefahren. Eine eher bildungsbürgerliche Klientel, urban orientiert, mit
       entsprechendem finanziellen Hintergrund sieht Graupner als Zielgruppe.
       
       Solche, die auch in den Bioladen gehen und vielleicht sogar wissen, welches
       Gemüse gerade Saison hat. Doch über Deutschland hinaus gedacht könne das
       Anbauen von Lebensmitteln in einer Stadt dazu beitragen, deren Bewohner
       überhaupt ausreichend zu versorgen. Denn gerade in schnell wachsenden
       Megacities mit fehlender Infrastruktur sei die Versorgung mit Lebensmitteln
       ein Problem.
       
       ## Containerlose Fisch-Gemüse-Farm
       
       So weit sind Echternacht und sein Team noch nicht. Sie wollen erst einmal
       vor der eigenen Haustür ernten können. Das heißt – nicht ganz vor der
       Haustür. „Supermärkte“, sagt Echternacht, wenn man ihn fragt, wo denn in
       Städten wie Berlin mal eben 1.800 Quadratmeter für eine Farm freigemacht
       werden sollen. Aber nicht Stadtfarmen an Stelle von Supermärkten, sondern
       auf den Dächern drauf. Und die Fische in den Keller, so viel Wasser wäre
       für ein Neubaudach zu schwer.
       
       Zur Veranschaulichung weist Echternacht über die gemähte Wiese, auf der ab
       Herbst die Testversion der containerlosen Fisch-Gemüse-Farm entstehen soll.
       Ja, von der Größe haut das hin, frei stehende Supermärkte in Großstädten
       sind in der Regel mindestens tausend Quadratmeter groß. Der Vorteil: Der
       Lieferweg vom Feld zum Händler würde praktisch wegfallen.
       
       Echternacht gerät ins Schwärmen, von frisch geerntetem Salat und Gurken,
       die so gar nicht wie die importierten Wassergurken schmecken würden. Dann
       wird er wieder ernst. Drei große Supermarktketten hätten bereits Interesse
       angemeldet. Und in Aussicht gestellt, das Konzept zu übernehmen, wenn sich
       die Stadtfarm rentiert.
       
       22 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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