# taz.de -- Kommentar zum Urteil gegen Nawalny: Russland ändert sich trotz Repression
       
       > Putin lässt den Regierungskritiker Alexei Nawalny wegsperren. Was nach
       > Stärke aussieht, ist aber ein Zeichen von Verunsicherung.
       
 (IMG) Bild: Polizisten führen den Oppositionellen Alexei Nawalny nach der Urteilsverkündung ab.
       
       Fünf Jahre Lagerhaft, das ist mal eine Hausnummer. Begründung des Urteils:
       Veruntreuung. Dieser in Kirow gefällte Richterspruch gegen den russischen
       Oppositionellen und Antikorruptionskämpfer Alexei Nawalny ist dabei nichts
       anderes als eine Retourkutsche für den Nachwuchspolitiker und
       Netzaktivisten, der es immer wieder verstand, die politische Führung unter
       Druck zu setzen und die Bereicherungsstrategien des Establishments als
       treibendes Motiv der russischen Politik zu entlarven.
       
       Fünf Jahre Lagerhaft sind fünf Jahre Verschnaufpause. Vielleicht rechnet
       die herrschende Kaste sogar mit dem endgültigen Ende des Protests. Ist erst
       mal der Volkstribun in Haft, wird auch die Gefolgschaft langsam bröckeln,
       so das Kalkül. Auch bei der nächsten Präsidentenwahl 2018 könnte Putin
       wieder ohne Gegenkandidaten durchmarschieren.
       
       Bedenken, mit dem Urteil einen neuen Märtyrer zu schaffen, sind also der
       Sicherheit gewichen, dass bislang mehr als die Hälfte der Bevölkerung immer
       noch hinter dem gnadenlosen Zaren steht.
       
       Was nach Stärke aussieht, ist jedoch ein alarmierendes Zeichen von
       Verunsicherung. Das System ist überfordert und verschwendet Energien nur
       noch für den Machterhalt. Nicht einmal notdürftig wird versucht, Unrecht zu
       kaschieren. So wenig wie den Widerspruch. Gestern schwang sich Putin noch
       zu Snowdens Schutzpatron auf, heute verurteilt er Nawalny auf Grundlage
       unzulässig gesammelten Materials der eigenen Späher. Eine trübe Mischung
       aus Überheblichkeit, Wahn und politisch-gesellschaftlicher
       Perspektivlosigkeit, ja Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Land liegt
       hier vor.
       
       Nicht das erste Mal in der russischen Geschichte übrigens. Was aber auch
       zur Hoffnung Anlass geben könnte: Denn Staat und Repräsentanten
       vermeintlicher Stabilität verschwinden gern im Orkus, wenn niemand damit
       rechnet.
       
       Und dennoch setzt sich die Evolution der russischen Gesellschaft fort,
       daran ändert auch die repressive Politik des Kreml nichts – im Gegenteil.
       Russland braucht aber einen tiefgehenden Wertewandel, um sich vom
       historischen Joch zu befreien. Mit der Auswechslung politischer
       Führungskräfte wäre noch nicht viel gewonnen. Auch der Weg zur Emanzipation
       hält noch manch unappetitliche rassistische oder chauvinistische
       Überraschung parat. Damit muss man vorerst leben.
       
       18 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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