# taz.de -- Nach dem Zugunglück in Spanien: Fahrn fahrn fahrn mit der Eisenbahn
       
       > Der Zugunfall in der Nähe von Santiago de Compostela erinnert an die
       > ICE-Katastrophe von Eschede. Wie sicher ist der Schienenverkehr in
       > Europa?
       
 (IMG) Bild: Hätte moderne Computertechnik das verhindern können?
       
       BERLIN taz | Mindestens 78 Tote. Das Zugunglück in Spanien weckt böse
       Erinnerungen an das bislang tragischste Unglück in der bundesdeutschen
       Bahngeschichte, die ICE-Katastrophe von Eschede, bei der am 3. Juni 1998
       101 Menschen starben, als der ICE 884 entgleiste und einen Brückenpfeiler
       rammte.
       
       Bahnfahrer fragen besorgt, ob es auch in Deutschland möglich ist, dass ein
       Zug viel zu schnell unterwegs ist. Die Antwort lautet: Wahrscheinlich
       nicht. Ob die Bremssysteme der Deutschen Bahn mit denen in Spanien zu
       vergleichen sind, konnte ein Sprecher des Konzerns allerdings nicht sagen.
       
       Klar ist: Vorherrschend sind derzeit in Europa Fahrstrecken mit
       konventioneller Signalisierung – der Lokführer bestimmt die Geschwindigkeit
       - und solche mit sogenannter Führerstandsignalisation. Dort überwacht ein
       Computer die Geschwindigkeit und bremst den Zug automatisch, wenn er das
       vorgegebene Tempo überschreitet. Dies hätte den Unfall in Spanien
       wahrscheinlich verhindert.
       
       „Ein solches Mischsystem der Signalisierung kommt auch auf
       Hochgeschwindigkeitsstrecken in Frankreich, Italien oder Deutschland vor»,
       sagt Dirk Bruckmann, Experte für Eisenbahnproduktion und Sicherungssysteme
       an der ETH Zürich dem Schweizer Tagesanzeiger.
       
       ## Deutsche Züge fahren mit Automatik
       
       Alle Züge der Deutschen Bahn sind mit einer automatischen Beeinflussung der
       Geschwindigkeit ausgestattet. Zudem verfügen sie über eine
       Sicherheitsfahrschaltung. Diese überprüft, ob der Lokführer während der
       Fahrt handlungsfähig ist. Dazu muss der Lokführer alle 30 Sekunden eine
       Taste drücken oder ein Pedal betätigen, um dem System mitzuteilen, dass er
       alles im Griff hat. Auch wenn eines der Betätigungselemente länger als 30
       Sekunden gedrückt und ein optisches oder akustisches Warnsignal nicht
       beachtet wird, wird der Zug gebremst.
       
       Bei den Ermittlungen zum schwersten Zugunglück in Spanien seit dem Zweiten
       Weltkrieg rückt indes der Lokführer immer mehr in den Mittelpunkt. Der Mann
       wurde in Polizeigewahrsam genommen und sollte am Freitag erstmals zu dem
       Unglück verhört werden, das offenbar durch viel zu hohe Geschwindigkeit
       verursacht wurde. Einem Zeitungsbericht zufolge konnte der Lokführer nicht
       mehr rechtzeitig bremsen.
       
       Bei dem Zugunglück waren am Mittwochabend nach neuen Angaben der Polizei
       mindestens 78 Menschen ums Leben gekommen. Von den rund 180 Verletzten
       lagen am Freitag noch immer 83 im Krankenhaus, 32 von ihnen waren
       schwerverletzt. Der Lokführer hatte die Katastrophe mit leichten
       Verletzungen überlebt. Er war zunächst ins Krankenhaus gebracht und dort
       von Polizisten bewacht worden. Am Donnerstagabend wurde er dann in
       Polizeigewahrsam genommen.
       
       Als mögliche Unglücksursache gilt ein völlig überhöhtes Tempo, mit dem der
       Zug in eine Kurve vor dem Wallfahrtsort Santiago de Compostela raste und
       entgleiste. Der Zug soll 190 Stundenkilometer gefahren sein, dabei waren
       nur 80 Stundenkilometer erlaubt.
       
       Fakt ist: Zwar gibt es in Europa eine Vielfalt an Zügen, von Relikten aus
       dem Kommunismus in Teilen Osteuropas bis hin zu modernen
       Hochgeschwindigkeitszügen, die durch Frankreich düsen. Insgesamt gehören
       die Sicherheitsstandards aber zu den höchsten auf der Welt. Unfälle wie der
       in Spanien sind selten, sagt Sim Harris von der Fachzeitschrift Rail News
       in Großbritannien zur Nachrichtenagentur AP.
       
       ## 2.400 „bedeutende“ Unfälle
       
       Auch Spaniens Bilanz in Sachen Sicherheit liegt über dem Durchschnitt,
       betont Chris Carr, Leiter der Abteilung Sicherheit bei der Europäischen
       Eisenbahnagentur. EU-Statistiken zufolge sinkt die Zahl der Zugunglücke pro
       Jahr in der 28-Staaten-Union um etwa sechs Prozent. Das bedeutet einen
       Rückgang um 70 Prozent in der Zeitspanne von 1990 bis 2012.
       
       Dennoch besagt ein Bericht der Behörde vom Mai, dass jedes Jahr ungefähr
       2.400 "bedeutende" Unfälle passierten. Zum größten Teil handelt es sich
       dabei aber um Kollisionen mit Autos auf Bahnübergängen oder um Menschen,
       oft Selbstmörder, die von einem Zug getroffen würden. Derartige Vorfälle
       kosten dem Report zufolge jährlich etwa 1200 Menschenleben. Fast alle
       Todesfälle gingen auf Zusammenstöße auf Bahnübergängen und Suizide zurück.
       
       Mangelhafte Teile, schlechte Wartung und menschliche Fehler sind meist die
       Ursachen bei Unfällen. Ein Zugkollision 2012 mit 16 Toten in Südpolen wurde
       verbreitet auf die schlechte Ausbildung eines Zugverkehrskontrolleurs
       zurückgeführt. Einige machten jedoch auch Sparmaßnahmen auf Kosten der
       Sicherheit bei der Modernisierung des Bahnnetzes für das Unglück
       verantwortlich. Polens Bahnsystem schließt moderne Züge und Bahnstationen
       ein, aber auch Züge und Schienen aus der kommunistischen Ära.
       
       Aber auch Deutschland mit einem der dichtesten Schienennetze Europas hat
       Unfälle erlebt. Beim Unglück von Eschede glauben die Ermittler heute, dass
       ein einzelner Riss in einem Rad den Zug an einer Weiche von den Schienen
       springen ließ. 2011 kamen in Sachsen-Anhalt elf Menschen ums Leben, als ein
       Güterzug mit einem Passagierzug zusammenstieß.
       
       In Frankreich vermuten die Behörden, dass ein auf der Strecke liegendes
       Weichenteil am 12. Juli zur Entgleisung eines Intercity-Zuges am Bahnhof
       von Brétigny-sur-Orge führte. Untersuchungen darüber, warum sich das
       Verbindungsteil von der Weiche gelöst hatte, ob es etwa an losen,
       gebrochenen oder fehlenden Schrauben lag, dauern noch an. Auch in
       Frankreich überwachen Computer die Geschwindigkeit und bremsen den Zug
       automatisch, wenn er das vorgegebene Tempo überschreitet. Mit anderen
       Worten: Die moderne Führerstandsignalisation hätte den Unfall auch hier
       verhindert, sollte überhöhte Geschwindigkeit die einzige Ursache sein.
       
       26 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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