# taz.de -- Flüchtlinge in Deutschland: Wo ein Heim, da Protest
       
       > Kaum ein Ort in Deutschland, wo Flüchtlingsheime ohne Gegenwehr der
       > Anwohner errichtet würden. Doch es gibt auch Alternativmodelle.
       
 (IMG) Bild: Die Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf
       
       BERLIN taz | Hellersdorf ist kein Einzelfall. Seit einem Rekord-Tief 2008
       hat sich die Zahl der ankommenden Asylbewerber etwa verdreifacht. Auch wenn
       viele direkt wieder abgeschoben werden, müssen die Kommunen mehr
       Unterkünfte bereit stellen als bislang.
       
       Und wo ein Flüchtlingsheim eingerichtet werden soll, lassen rechte Proteste
       meist nicht lang auf sich warten. Oft taucht früher oder später auch die
       NPD auf und versucht die ohnehin fremdenfeindliche Stimmung für ihre Zwecke
       zu nutzen.
       
       Im mecklenburg-vorpommerschen Wolgast etwa richtete die Stadt im Herbst
       2012 ein erstes Flüchtlingsheim mitten in einer renovierten
       Plattenbausiedlung ein. Die Gemeinde wollte die Asylsuchenden ausdrücklich
       nicht am Stadtrand isolieren. Doch die Alteingesessenen waren unbegeistert.
       
       Das Heim wurde mit rechtsextremen Sprüchen beschmiert, die NPD kündigte
       einen Fackelzug an. Der NDR strahlte Szenen aus, wie Flüchtlingskinder im
       Hof spielten, während arbeitslose deutsche Nachbarn sie mit Liedern wie
       „Zick, Zack Kanackenpack, haut den Türken auf den Sack“ beschallten.
       
       Im gutbürgerlichen Berlin-Reinickendorf wehren sich Anwohner juristisch und
       auf Stammtischniveau gegen die neuen Nachbarn: Als acht Kinder im
       Flüchtlingsheim an Windpocken erkrankten, hingen überall Flugblätter, die
       vor Seuchengefahr warnten. Die Hauseigentümer haben nach Einzug der
       Flüchtlinge ihren Spielplatz eingezäunt und „melden“ Heimbetreiber und
       Bezirk, wenn trotzdem Flüchtlingskinder darauf spielen.
       
       ## Lange Liste der Beispiele
       
       Sie wollen zudem juristisch erstreiten, dass das Heim wieder schließt. Nähe
       zur NPD weisen die Reinickendorfer Wutbürger allerdings weit von sich. Sie
       wurden hingegen lange von CDU-Lokalpolitikern in ihrer Flüchtlingsabwehr
       unterstützt.
       
       Im hessischen Butzbach brachte der Landkreis Bürger auf, weil er 40
       Asylbewerber in einer Turnhalle unterbringen wollte. Sportvereine hätten
       dann weniger Trainingsmöglichkeiten gehabt. Prompt bildete sich eine
       Bürgerinitiative, die ihren Protest als Parteinahme „für die Flüchtlinge“
       verstanden wissen wollte, weil das Leben in einer Turnhalle „unzumutbar“
       sei.
       
       Die Liste solcher Beispiele ist lang. In der Regel wird dann protestiert,
       wenn Flüchtlinge zentral, also in Heimen untergebracht werden. Was ihnen
       meist selbst am wenigsten gefällt, auch wenn das Asylverfahrensgesetz dies
       als Regelfall vorsieht. Doch einige machen von ihrem Recht gebrauch, von
       dieser Regel abzuweichen. Leverkusen beispielsweise hat mit dezentraler
       Unterbringung gute Erfahrungen gemacht.
       
       Das Rezept: So früh wie möglich ziehen die Flüchtlinge in private Wohnungen
       ein – zu Mieten auf Hartz-IV-Niveau. Das als „Leverkusener Modell“ bekannt
       gewordene Prinzip habe sich bewährt und sogar Geld gespart, betont die
       Gemeinde. Einige Städte wollten das Modell deshalb kopieren. Doch das geht
       nicht überall: Der Wohnraum im Niedrigpreissegment ist in vielen Städten
       knapp.
       
       21 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berlin-Hellersdorf
 (DIR) Flüchtlinge
 (DIR) Protest
 (DIR) Anwohner
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Berlin
 (DIR) Unterbringung von Geflüchteten
 (DIR) Berlin
 (DIR) Berlin-Hellersdorf
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) NPD agitiert gegen Asylsuchende: Zusammen gegen die Schwachen
       
       Neonazis haben ein neues Rezept: Sie protestieren gegen Asylbewerberheime.
       Mit Erfolg, denn Hilfe bekommen sie oft auch von „NormalbürgerInnen“.
       
 (DIR) Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Zwangsumzug nach Hellersdorf
       
       Aus der Motardstraße in Spandau sollen Asylbewerber in das umkämpfte neue
       Heim ziehen. Sie haben Angst, aber die Behörden setzen sie unter Druck.
       
 (DIR) Stimmungsmache gegen Flüchtlinge: Grüne kritisieren Innenminister
       
       Hans-Peter Friedrich befördere mit seinen Äußerungen die
       ausländerfeindliche Stimmung, so der Vorwurf. Derweil fordert die
       Polizeigewerkschaft einen Krisengipfel.
       
 (DIR) Flüchtling über Asylheim in Hellersdorf: „Ein verstörender Ort“
       
       Der Palästinenser Karim H. war unter den ersten, die die von Rechten
       bekämpfte Notunterkunft in Hellersdorf bezogen – und sofort wieder
       verließen.
       
 (DIR) Diskussion um Asylbewerberunterkünfte: Sehr lax in Hellersdorf
       
       Die Proteste für und gegen ein Asylbewerberheim in Berlin halten an.
       Innenpolitiker Bosbach will einen Krisengipfel. Das Innenministerium hält
       dies nicht für nötig.
       
 (DIR) Nazis nahe Berliner Flüchtlingsheim: Hellersdorfer Zustände
       
       30 Nazis demonstrierten in Hellersdorf gegen das Asylbewerberheim – 800
       Linke hielten dagegen. Die Politik fordert zur Solidarität auf.
       
 (DIR) Kommentar Proteste gegen Asylbewerber: Eine explosive Mischung
       
       Trotz Gegenprotests schlagen Rechte in Berlin neu angekommene Flüchtlinge
       in die Flucht. Ein Szenario für das, was sich anderswo zusammenbraut.