# taz.de -- Fußballkrieg in Leipzig: Spielabsage aus purer Angst
       
       > Den verfeindeten Leipziger Klubs Lok und Chemie entgleiten die Fans.
       > Gemeinsam beschließen die Vereine nun eine Spielabsage.
       
 (IMG) Bild: Jetzt gibt es zunächst gar kein Spiel
       
       Es ist ein einmaliger Vorgang: Auf Wunsch der BSG Chemie und dem 1. FC
       Lokomotive Leipzig wurde die Partie zwischen beiden Teams, die am Sonntag
       stattfinden sollte, vom Sächsischen Fußball-Verband abgesagt. Aus Angst vor
       Ausschreitungen ihrer Fans baten die Vereine um die Absetzung der
       Siebtligapartie.
       
       In den vergangenen Tagen zeichnete sich immer mehr ab, dass die
       Bezirksligabegegnung von der rechtsextrem unterwanderten Lok-Fanszene und
       der von der Antifa unterstützten Chemie-Anhängerschaft als
       Stellvertreterschlacht betrachtet wird. „Das ist politischer Klassenkampf
       auf dem Rücken der Vereine“, schimpft Lutz Mende, der beim sächsischen
       Verband für den Spielbetrieb zuständig ist.
       
       Vergangenes Wochenende bereits hinterließen Unbekannte im
       Alfred-Kunze-Sportpark der BSG, Davidsterne über dem Vereinswappen sowie
       Aufschriften wie „NSU“ und „Juden Chemie“. In der Nacht zum Mittwoch gab es
       einen erneuten Einbruch. Dieses Mal ätzten die Eindringlinge mit
       Unkrautvernichtungsmittel Hakenkreuze in den Rasen.
       
       Die BSG Chemie sieht sich als legitimer Erbe des im Jahr 2011 insolvent
       gegangenen Vereins Sachsen Leipzig. Und zu diesem Erbe gehört auch die
       Erzfeindschaft zu Lokomotive Leipzig, die aus DDR-Zeiten herrührt.
       
       ## „Unglückliches“ Datum
       
       Dass das erstmalige Aufeinandertreffen zwischen der BSG Chemie und der
       zweiten Mannschaft des 1. FC Lokomotive Leipzig vom Sächsischen
       Fußball-Verband ausgerechnet auf den 1. September terminiert wurde, an dem
       sich der deutsche Angriff auf Polen und damit der Beginn des Zweiten
       Weltkriegs jährt, bezeichnet Dirk Skoruppa, Vorstandsmitglied von Chemie,
       als „unglücklich“. In der rechtsextremen Fanszene habe man zuletzt
       bundesweit die Anhängerschaft für das Spiel in Leipzig mobilisiert. Als
       Reaktion auf diese Entwicklungen, so Skoruppa, habe dann auch die Antifa
       ihre Kräfte aktiviert.
       
       Schon bevor sich die Lage zuspitzte, hatte Chemie Leipzig einen Antrag auf
       Spielverlegung eingereicht. In den Besprechungen habe man auch auf die
       Problematik des Datums hingewiesen, versichert Skoruppa. Mende streitet
       dies ab. Er sagt: „Dies steht so in keinem Protokoll.“ Der Verband erklärte
       die Partie für durchführbar und lehnte eine Verlegung ab.
       
       Aber auch die Funktionäre von Lokomotive drängten vehement auf eine
       vorläufige Absage. In den letzten Wochen hatten Teile der eigenen
       Anhängerschaft beständig für negative Schlagzeilen gesorgt. Bei einem
       Freundschaftsspiel zündelten die Fans im eigenen Stadion nahe der
       Holztribüne, in Babelsberg kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen,
       rechtsradikale Gesänge wurden gegrölt, der Hitlergruß gezeigt. Der Verein
       belegte daraufhin die mächtigste Fangruppierung „Scenario“ mit einem
       Erscheinungsverbot. Von den Betroffenen wurde dies als Kriegserklärung
       aufgefasst.
       
       ## Finanzielle Probleme von Lokomotive Leipzig
       
       Zur Schieflage des Verhältnisses zu den eigenen Fans sagt Tom Franke, der
       Geschäftsführer von Lok: „Die angespannte Situation ist den finanziellen
       Problemen des Vereins geschuldet. Es ist einiges liegen geblieben.“ Im
       Sommer konnte eine Insolvenz nur dank der Spendenbereitschaft der treuesten
       Fans und Sponsoren abgewendet werden. Nach den Ereignissen in Babelsberg
       hätten erneut Sponsoren ihr Engagement eingestellt, berichtet Mende. Im
       Vorfeld des Lokalderbys bekannten Lok-Vertreter auf einer
       Sicherheitsbesprechung, sie hätten Angst, die Partie gegen Chemie könnte
       die letzte in der Vereinsgeschichte sein.
       
       Die Notlage ermöglichte indes Historisches. Die Lok-Funktionäre initiierten
       die erste gemeinsame Vorstandssitzung mit der Klubführung des Erzrivalen
       Chemie. Man wollte nun gemeinsam die Spielabsage vorantreiben. Dass dann
       auf der Sicherheitskonferenz am Montag der Sächsische Fußball-Verband durch
       Abwesenheit glänzte, dürfte die frisch geknüpfte Bande zwischen den
       Vereinen weiter gestärkt haben.
       
       Hinter vorgehaltener Hand argwöhnt man auf beiden Seiten, der Verband sei
       die Sicherheitsdebatten mit den Traditionsvereinen leid. Frei nach dem
       Motto: Lasst es ruhig krachen – diese Klubs brauchen wir eh nicht mehr. Mit
       dem Mäzenverein RB Leipzig verfügt die Region schließlich über einen
       Profiklub mit einem friedfertigen Familienpublikum. Im Falle von Randalen
       beim siebtklassigen Lokalderby hätte der Verband angesichts des
       ungewöhnlichen Schulterschlusses von Chemie und Lok mehr denn je in der
       Verantwortung gestanden.
       
       Auch das dürfte zu einem Umdenken beim Sächsischen Fußball-Verband geführt
       haben. Nun wird überlegt, unter welchen Bedingungen die Partie nachgeholt
       werden soll. „Vielleicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, sagt Lutz
       Mende.
       
       29 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
       
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