# taz.de -- Red Bulls Interesse an Leipzigs Fußball: Träume und Schäume
       
       > Red Bull wird wohl in Leipzigs Fußball investieren. Warum der Oberligist
       > SSV Markranstädt ins Visier der Österreicher kam und eingefleischten
       > Leipziger Fans die Haare zu Berge stehen.
       
 (IMG) Bild: Bald prall gefüllt? Das Leipziger Zentralstadion im Normalzustand.
       
       Sie sind verunsichert beim SSV Markranstädt. "Wir tappen völlig im
       Dunkeln", sagt der Platzwart. Vielleicht bringen die ja einen neuen
       Platzwart mit, einen besseren, einen echten Profi, fürchtet er. "Dabei ist
       unser Rasen eigentlich tipptopp." Die - das sind die Leute von Red Bull.
       Angeblich will der Brauseproduzent aus Österreich groß in den Leipziger
       Fußball einsteigen. Den SSV Markranstädt haben sie sich ausgeguckt, eine
       Oberligamannschaft mit nur einem Fanclub, den Blue Boys. Das sind acht,
       neun Anhänger, "aber ob die mit Red Bull weitermachen, bezweifle ich", sagt
       Sven Scholz. Geplant ist eine Komplettübernahme. Der SSV würde mit einem
       Happs geschluckt werden. Der Verein, der in drei Jahren sein
       Hundertjähriges feiert, würde den Brausemillionären das Spielrecht für die
       Oberliga spenden. Der SSV hieße dann, wahrscheinlich erst ab der Saison
       2010, Rasenball Leipzig, RB wie Red Bull. Das wäre so wie damals beim LR
       Ahlen, der hieß offiziell Leichtathletik und Rasensport Ahlen, doch standen
       die Initialen für ein Kosmetikunternehmen.
       
       "Wir sind gespalten", sagt der Platzwart, "wenn die kommen, dann wäre alles
       weg, was Kultur ist." Die Fußballkultur beim SSV ist nicht so groß, richtig
       hochklassig haben sie nie gespielt, die Kicker aus Markranstädt. Viel
       größer ist die Geschichte beim FC Sachsen Leipzig und bei Lokomotive, doch
       Red Bull dürfte es nicht ungelegen kommen, dass sie sich nicht mit der Last
       der Historie abplagen müssen, sondern die Herren im Haus sind, wenn sie
       ihren Masterplan verwirklichen wollen. Der Platzwart meint, dass die
       "Fanklubs von Sachsen und Lok alles abgeblockt hätten", und liegt damit
       völlig richtig. Ganz bewusst haben die Manager von Red Bull die
       Traditionsvereine gemieden - und eine Tingeltour durch die Vorstädte
       unternommen. Sie haben beim Zipsendorfer Fußballclub Meuselwitz e. V.
       angeklopft, bei Blau-Weiß und Eilenburg. Dass es letztlich Markranstädt
       werden könnte, das entbehrt in der an Insolvenzen, Irrungen und Wirrungen
       reichen Leipziger Fußballgeschichte nicht einer gewissen Komik.
       
       Doch aus dem Kleinklub am Rande der Messestadt soll ein Großklub werden,
       ein Verein, der das Zentralstadion füllt. Die Arena würde dann auch von den
       Getränkeleuten okkupiert, sie wollen sich angeblich die Namensrechte am
       Stadion, der Sporthalle in der Nähe und Festwiese sicher. Unterschrieben
       ist freilich noch nichts, alle warten sie auf die verbindlichen Verträge.
       Falls es zum Kontrakt kommt, würde die Getränkedose mit dem Bullen überall
       zu sehen sein. Ob jemals guter Fußball zu sehen sein wird, das ist
       ungewiss. Ein gewisser Mo Melzer im "Fan-Forum" des SSV Markranstädt sieht
       eine "ungewisse Zukunft" hereinbrechen und trauert jetzt schon um seinen
       "kleinen, feinen Verein", der den "unfähigen Machern von Leipzig" zum Opfer
       falle. Dirk Sander, Pressesprecher von Lokomotive Leipzig, sagt: "Lok hat
       große Skepsis." Er findet es nicht nachvollziehbar, "was da jetzt gehypt
       wird", vor allem die regionalen Zeitungen überschlügen sich geradezu.
       "Dabei hat Leipzig seine Erfahrungen mit großen Mäzenen und dem schnellen
       Erfolg gemacht", sagt er. Er meint: sehr negative Erfahrungen. "Man sollte
       gewarnt sein vor solchen Retortenprojekten. Die sind auf Sand gebaut." Er
       glaubt nicht, dass der längerfristig angelegte Plan der Österreicher
       aufgeht. "So etwas macht nur den Fußball kaputt, sehen Sie sich Austria
       Salzburg an." Der dortige Verein ist in der Hand von Dietrich Mateschitz,
       dem Boss von Red Bull, die echten Fans haben sich von Red Bull Salzburg
       abgewendet und die lilafarbene Austria neu gegründet. Unterklassig feiert
       die Basis sich selbst und den reinen Fußball, ganz oben feiert Mateschitz
       den Meistertitel.
       
       Vom Erfolg und einem im Glanz erstrahlenden Leipzig träumt auch Winfried
       Lonzen, 64, Immobilienverwalter aus Köln. Er sitzt im Vorstand des
       insolventen FC Sachsen und fungiert gleichzeitig als Chef der
       Betreibergesellschaft des Zentralstadions, ist ein Hintermann vom Michael
       Kölmel, dem Stadioneigner. "Schönes Stadion und grottiger Fußball, damit
       könnte es bald vorbei sein", sagt Lonzen. "Wir haben jetzt eine tolle
       Chance." Lonzen klingt müde, seine Worte, die Euphorie vermitteln sollen,
       passen nicht zu seiner Stimmung. Vielleicht liegts daran, dass sich die
       Verhandlungen mit Red Bull länger als erwartet hinziehen. Bereits am
       Dienstag sollte alles klar sein, jetzt verspricht Lonzen, dass es noch in
       dieser Woche klappen könnte. Schade findet er es, dass sich Red Bull nicht,
       wie schon einmal geschehen, an den FC Sachsen wendet, sondern an einen
       Leipziger Kleinklub. "Ich habe versucht, den FC Sachsen mit ins Spiel zu
       bringen, aber die wollten keinen Traditionsverein, sondern den dritten
       Weg." Der dritte Weg sei der einzige Weg, sagt Lonzen, "um in Leipzig auf
       absehbare Zeit Profifußball zu etablieren". Eine Fusion von Lok und Sachsen
       hätte auch etwas bewirken können, glaubt er, aber da die Feindschaft
       zwischen diesen beiden Klubs zu groß ist, müsse eben nun diese Variante
       her: die rein ökonomische. Lonzen würde sogar so weit gehen, die
       Jugendabteilung, "die unheimlich viel Geld verschlingt", an RB Leipzig zu
       verscherbeln, denn "die Traditionsvereine sollten in irgendeiner Form mit
       Red Bull kooperieren". So ergebe sich für alle eine "Win-win-Situation".
       
       In den vergangenen Jahren hat sich Fußball-Leipzig mit vier Insolvenzen und
       einer Vereinsliquidierung (VfB) auf Lose-lose-Situationen spezialisiert.
       Die eingefleischten Fans wollen nicht daran glauben, dass dies in Zukunft
       anders sein sollte.
       
       3 Jun 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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