# taz.de -- Neue Alben aus Großbritannien: Die Popdarlings sind zurück
       
       > Franz Ferdinand setzt wieder auf eckige Gitarren, Pete Doherty bleibt der
       > wilde Hund des Britpop und die Arctic Monkeys kommen nett daher.
       
 (IMG) Bild: Isst zum Frühstück gern Croissants: Pete Doherty von den Babyshambles.
       
       Seit Großbritannien mit den Beatles und den Rolling Stones in den
       Sechzigern zur „British Invasion“ des Pop ausgeholt hat, gilt auf der Insel
       das Selbstverständnis, im Rock ’n’ Roll den Ton anzugeben. In der jüngeren
       Vergangenheit hat man der Welt mit Dubstep immerhin eine großartige
       elektronische Pop-Innovation geschenkt, aber die letzte große Renaissance
       in Sachen Gitarrenpop liegt doch schon zehn Jahre zurück.
       
       Am Beginn der letzten Dekade zauberte die britische Musikindustrie noch im
       Zweijahrestakt junge Bands aus dem Hut. Sie sorgten für Aufsehen auch
       jenseits des einheimischen Gitarrenbiotops. Vorneweg die Libertines mit
       ihrem räudigen Debütalbum „Up The Bracket“ (2002), aufgeboten als britische
       Antwort auf den Powerpop der New Yorker Strokes.
       
       Zwei Jahre später traten dann Franz Ferdinand auf den Plan und brachten
       einen Sommer lang Indierocker dazu, von der Artschool zu träumen und
       „Schampus mit Lachsfisch“ zu singen, so lautete der deutschsprachige
       Refrain ihrer Debütsingle. Diese Hausse kulminierte 2006 mit den Arctic
       Monkeys aus Sheffield. Ihr Debüt war seinerzeit das am schnellsten
       verkaufte Erstlingswerk aller Zeiten.
       
       Seitdem ist die Quelle an neuen Bands jedoch versiegt, so dass das
       Augenmerk nun auf diesen Wochen liegt, kehren doch alle drei alte Helden
       mit jeweils neuen Alben zurück. Während die Arctic Monkeys mit fast
       calvinistischem Arbeitsethos im Jahrestakt neue Musik veröffentlichen,
       haben die beiden anderen eine Zeit des Zweifelns hinter sich. Ganz
       besonders Pete Doherty, der ehemalige Sänger der Libertines, der nach
       sechsjähriger Pause nun mit seiner Zweitband Babyshambles reüssiert.
       
       ## Dandy-Haltung, Drogen und Bling-Bling
       
       Inzwischen gilt Doherty vielen als tragischer Fall. Dabei wurde er schon
       als neuer Morrissey gehandelt. Doherty und sein gutes Aussehen
       personifizierten das Versprechen, ein Popstar tauge für mehr als nur zum
       Raushauen stilsicherer Songs.
       
       Dohertys Dandy-Haltung zeigte die Möglichkeit, sich in seinen Texten und
       Melodien zu verlieren und daraus eine eigene Welt zu schaffen. Drogen und
       Bling-Bling machten aus der gescheiten Ikone alsbald einen gescheiterten
       Exsänger, der sich kaum noch für seine eigene Musik interessierte, nach
       Paris zog und sich im Schauspielfach versuchte.
       
       Auch das neue Babyshambles-Album „Sequel to the Prequel“ wurde nur in
       Teilen von ihm selbst geschrieben und übertüncht an vielen Stellen das
       interessant Gebrochene seiner Vita mit einer viel zu glatten Produktion.
       Sie ist nur auf Hits aus, wo eher simple, aber geniale Skizzen zu finden
       sind.
       
       In seinen schlechtesten Momenten – wie beim Titelstück – klingt die Band
       des Wahlfranzosen wie eine zweitklassige Bistrocombo, die neben dem
       Croissantfach vor sich hin klimpert. Dohertys Gespür für bestechende Texte
       scheint angesichts von Zeilen wie „We could see monkeys / We could see
       snakes / We could see penguins / Penguins are great“ im Drogennebel
       abhanden gekommen zu sein.
       
       Aber, es finden sich immer auch lichte Momente, wenn man sich nur
       vorurteilsfrei auf die Babyshambles einlässt: Gut die Hälfte der Songs
       bietet tolles Geschrammel bei gleichzeitig hoher Melodiedichte.
       
       ## Franz Ferdinands Experimentierphase ist vorbei
       
       Das Doherty’sche Durchwurschteln war nie etwas für Franz Ferdinand. Das
       Quartett aus Glasgow verfolgte schon immer einen Masterplan, den sie mit
       ihren jeweiligen Alben verbanden. Umso schmerzhafter muss es sich für die
       Band angefühlt haben, dass ihre Ausflüge in Dub- und Discogefilde, die noch
       das letzte Album dominierten, von der breiten Masse verhalten aufgenommen
       wurden.
       
       Wenig verwunderlich ist also ihre Rückkehr zu den Wurzeln auf „Right
       Thoughts, Right Words, Right Action“. Nun setzen die Songs wieder auf
       eckige Gitarren und zackige Melodien. Mit „Love Illumination“ und „Stand on
       the Horizon“ finden sich auch zwei tolle Songs, die den Spagat aus
       Pop-Hookline und schneidender Postpunkhärte schaffen.
       
       Franz Ferdinand vereinen so nonchalant das Runde mit dem Eckigen, das
       Markenzeichen ihrer frühen Hits wie „Matinee“ und „Take Me Out“. Frisch wie
       einst im Frühling 2004 klingt das natürlich nicht mehr, und trotzdem, die
       Routine, die Franz Ferdinand mit „Right Thoughts, Right Words, Right
       Action“ an den Tag legen, nervt nicht.
       
       Die Band mit dem kommerziell größten Potenzial bleiben die Arctic Monkeys.
       Ihr neues Werk präsentiert soliden Indierock, der sich nur dank der am
       HipHop geschulten Reimkünste von Sänger Alex Turner von der Konkurrenz
       abhebt. Musikalisch ist leider Stillstand im Affenhaus.
       
       „AM“, das schlicht betitelte, fünfte Album schließt direkt an seinen
       Vorläufer „Suck it & see“ an: Trockene Gitarrenriffs und vorne platzierte
       Drums dominieren das Klangbild. Aber wie „Suck it & see“ ist auch „AM“ ohne
       jeden Überraschungseffekt. Im Gegensatz zu früher fehlt der Biss, oder
       wenigstens ein Killersong, die klassische Single, die die Arctic Monkeys
       bisher noch immer aus dem Handgelenk schüttelten.
       
       Lediglich „No. 1 Party Anthem“, der ruhigste Moment des Albums, sticht
       heraus und erinnert daran, dass Alex Turner vor zwei Jahren mit seiner
       Solo-EP zum Film „Submarine“ einmal erfolgreich einen anderen Weg
       eingeschlagen hatte. Schade, die Arctic Monkeys sind zu einem Lieferanten
       von netten, aber harmlos durchschnittlichen Songs geworden.
       
       ## Charmante Songs der Babyshambles
       
       Franz Ferdinand haben ihre Experimentierphase scheint’s endgültig
       abgeschlossen, bleiben so aber nur für ihr Publikum relevant. Und Pete
       Doherty? Der ist und bleibt der wilde Hund des britischen Pop. Jedoch, die
       Zeit, als er seine Skandale mit schlauen Texten und schönen Melodien
       ausgleichen konnte, ist vorbei.
       
       Allem Chaos zum Trotz sind auf dem Babyshambles-Album äußerst charmante
       Songs zu finden. Zum Finale in „Picture Me in a Hospital“ behält Doherty
       eben doch recht, wenn er trotzig-beschwingt seinen verfrühten Totengräbern
       ein „False alarm / There’s still a song for me / And I’m still here
       singing“ entgegenschleudert.
       
       Zum Hauptact auf den Festivalbühnen wird es allemal reichen, ob die drei
       britischen Popdarlings der Post-Everything-Generation noch Neues erzählen
       können? Großbritannien wird ohnehin Ausschau halten, ob nicht doch junges
       Blut für eine erneute Glanzzeit sorgen kann.
       
       29 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Ihle
       
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