# taz.de -- Tokios Bewerbung für Olympia 2020: Japan will sich profilieren
       
       > Tokio geht leicht favorisiert ins Rennen um die Sommerspiele. Doch es
       > gibt noch Probleme: Die Lage in Fukushima und Japans Diplomatie.
       
 (IMG) Bild: Tokios Gouverneur Naoki Inose wollte für Japan werben und löste ein Skandal aus, indem er den Mitbewerber Istanbul beleidigte.
       
       TOKIO taz | Es ist dieser Tage überall zu sehen. In der U-Bahn, als Nadel
       am Revers der zahllosen Anzugträger, in Werbespots und im Supermarkt. Das
       runde, fünffarbige Arrangement von Kirschblüten, das für den Versuch steht,
       die Olympischen Spiele 2020 nach Tokio zu holen.
       
       „Ich hoffe wirklich, dass wir es schaffen“, sagt Yuji Yamasaki. Der Student
       treibt nur gelegentlich Sport, ist auch kein fanatischer Anhänger
       irgendeines Klubs oder Athleten. „Aber ich würde mir schon gern die
       Wettkämpfe hier im Stadion ansehen.“
       
       Mit dieser Meinung steht Yamasaki derzeit für die Mehrheit der Japaner. Die
       Unterstützung für die Bewerbung ist über die letzten Monate stetig
       gestiegen. Vor den Olympischen Spielen von London 2012 war noch eine
       Mehrheit gegen die Austragung gewesen, in diesem Frühjahr unterstützten die
       Idee schon 70 Prozent. Dieser Tage ergab eine Umfrage schließlich einen
       Zustimmungswert von 92 Prozent. „Ich glaube, es wäre gut fürs Ansehen von
       Japan, wenn wir die Spiele organisieren“, sagt Yamasaki.
       
       Die Chancen stehen nicht schlecht. Zuletzt wurde Tokio auch als Mitfavorit
       gehandelt. Aber wie auch in Istanbul, wo die Regierung auf Demonstranten
       losging und das Land von einem Dopingskandal eingeholt wurde, und Madrid,
       das von der tiefen ökonomischen Krise Spaniens gebeutelt wurde, hat auch
       Tokio Schwachpunkte.
       
       ## Erstes Problem: Fukushimas nukleare Lecks
       
       Rund 200 Kilometer nördlich der Stadt hat sich die Lage um die havarierten
       Atomreaktoren von Fukushima weiter verschlimmert. Ende Juli wurde bekannt,
       dass seit Beginn der Katastrophe radioaktives Wasser in den Ozean fließt.
       Anfang August kündigte die Regierung an, ins Krisenmanagement einzusteigen.
       Seither wird von offizieller Seite immer wieder betont, die
       Kraftwerksbetreiberfirma Tepco habe die Lage nicht im Griff.
       
       Dies wird zwar von niemandem bestritten, ist von der Regierung aber auch
       eine strategisch gewählte Äußerung. Tepco soll als Sündenbock für die
       gefährlichen Missgeschicke dastehen und die Politik aus dem Schneider sein.
       Aber die dauernden nuklearen Lecks wirken sich auch negativ auf Tokios
       Chancen für die Olympischen Spiele aus.
       
       Wie keine andere Stadt hat die größte Metropole der Welt in ihrer Bewerbung
       Werte wie Sicherheit und Zuverlässigkeit betont. „Tokio ist eine der
       sichersten Städte der Welt“, hat Tsunekazu Takeda, Vorsitzender des
       Bewerbungskomitees, wiederholt gesagt.
       
       An der Fähigkeit der japanischen Hauptstadt, die Sommerspiele zu stemmen,
       wurden vom IOC nie Zweifel geäußert. Zudem würde Tokio nach Darstellung der
       Bewerber die ersten Spiele veranstalten, bei denen fast alle Sportarten in
       der Innenstadt ausgetragen werden. Das Gros der Infrastruktur bestehe
       bereits, stärker als je zuvor solle „Tokyo 2020“ die Umwelt schonen, auch
       die Finanzierung sei gesichert.
       
       ## Zweites Problem: Tokios Gouverneurs böse Zunge
       
       Nur könnte neben den weitgehend unbekannten Gefahren durch die Reaktoren in
       Fukushima auch Diplomatie ein Problem sein. Ende April sorgte Tokios
       Gouverneur Naoki Inose für einen mittelschweren Skandal, als er in einem
       Interview mit der New York Times den Mitbewerber Istanbul als ungeeignet
       und unterentwickelt bezeichnete.
       
       In der Türkei müsste noch zu viel an neuer Infrastruktur gebaut werden, und
       über muslimische Länder generell dachte Inose laut: „Das Einzige, was sie
       gemein haben, ist Allah und dass sie sich gegenseitig bekriegen.“ Indirekt
       sagte er auch, Tokio sei gastfreundlich, Madrid und Istanbul dagegen nicht.
       
       Erst als der Druck zu groß wurde, auch weil es laut IOC-Statuten verboten
       ist, Mitbewerber zu diffamieren, bat Inose um Entschuldigung. Tsunekazu
       Takeda, der Japan 1972 in München und 1976 in Montreal als Springreiter
       vertrat und heute Präsident des Nationalen Olympischen Komitees ist,
       kündigte daraufhin an: „Wir versprechen, ab jetzt nie wieder die Regeln zu
       brechen.“ In der Tat ist Tokio seither zahm gewesen. Aber ob das reicht,
       die Wogen zu glätten, ist aus noch einem anderen Grund ungewiss.
       
       ## Drittes Problem: Territorialkonflikte
       
       Unabhängig von Inoses Patzer verfügt Japan wohl nicht nur über Fürsprecher.
       Seit dem Streit um die unbewohnten Senkaku-Inseln im September 2012, auf
       die auch China und Taiwan Anspruch erheben, besteht ein hitziger
       Territorialkonflikt zwischen diesen Ländern. Auch mit Südkorea streitet
       sich Japan über Land im Pazifik. Ob diese Länder, von denen China und
       Südkorea mit jeweils mehr als einem Mitglied im IOC vertreten sind, für
       Tokio stimmen werden, gilt als zweifelhaft. Für vergangene Spiele verliefen
       die Abstimmungen in der Regel knapp, jede Stimme könnte zählen.
       
       „Ich glaube, dass die Probleme in Fukushima der größte Nachteil sind“,
       befürchtet Yuji Yamasaki. Trotzdem glaubt er, wie die meisten Japaner an
       Tokios Chance. Die häufig wiederholten Worte von Bewerbungschef Takeda
       gefallen Yamasaki ziemlich gut: „Nein, ich habe keine großen Befürchtungen,
       was unsere Bewerbung angeht. Ich bin zuversichtlich.“ Tokio habe
       schließlich die besten Unterlagen eingereicht. Die Anstecknadel mit den
       bunten Kirschblüten trägt diese Woche auch er an seiner Jacke.
       
       3 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lill
       
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