# taz.de -- Bittere Wahlniederlage: Wähler schicken FDP mit 65 in Rente
       
       > Die FDP unterbietet ihr schlechtestes Wahlergebnis von 1969. Sie scheidet
       > damit erstmals aus dem Bundestag aus. Eine Chance für Christian Lindner.
       
 (IMG) Bild: Verlässt die politische Bühne: Philipp Rösler
       
       BERLIN taz | Zuletzt half nicht einmal mehr Flehen: „Liberale!“, twitterte
       der FDP-Generalsekretär Patrick Döring um kurz vor 17 Uhr. „Die Wahllokale
       sind noch 70 Minuten geöffnet. Sie haben noch alle Chancen, der Freiheit im
       Bundestag eine Stimme zu geben.“
       
       Da hatte die Parteiführung schon von den sogenannten Exit Polls gehört, die
       seit etwa 16 Uhr die Katastrophe ankündigten. Und so kam es auch. Mit
       mageren 4,5 Prozent – ein Minus von 10,1 Prozent im Vergleich zum Wahlabend
       2009 – fliegt die FDP, 65 Jahre nach ihrer Gründung, zum ersten Mal aus dem
       Bundestag.
       
       Eine Dreiviertelstunde nach Schließung der Wahllokale trat Rainer Brüderle
       sichtlich angeschlagen vor Anhänger und Journalisten. „Das ist eine schwere
       Stunde für die FDP“, sagte der 68-Jährige. „Als Spitzenkandidat übernehme
       ich dafür die Verantwortung.“ Brüderles politische Karriere geht damit zu
       Ende.
       
       ## Erstmals unter fünf Prozent
       
       Parteichef Philipp Rösler sprach von der „traurigsten Stunde“ in der
       Geschichte der FDP. Zuvor hatte sich bereits Christian Lindner öffentlich
       geäußert. Noch vor der ersten Hochrechnung sprach der NRW-Landeschef von
       der „bittersten Stunde für die Liberalen seit Jahrzehnten“.
       
       Das zuvor schlechteste Ergebnis hatte die FDP 1969 eingefahren. Damals kam
       sie auf 5,8 Prozent. Auch deshalb bezweifelten Gegner wie Anhänger der FDP,
       dass es zur Katastrophe kommen könnte: Seit ihrer Gründung 1948 schrieben
       Journalisten so häufig vom „Totenglöckchen“, das der FDP läute, dass die
       Google-Bildersuche Anfragen nach „Totenglöckchen“ mit einem Foto von
       FDP-Chef Philipp Rösler beantwortet.
       
       Und doch blieb das Totenglöckchen – bis zum gestrigen Wahlabend – immer nur
       ein vermeintliches. Zuletzt offenbarte die Zweitstimmenkampagne, eilig
       losgetreten nach der desaströs verlaufenen Bayern-Wahl, das ganze Ausmaß
       ihrer Verzweiflung: Wählt uns, damit Merkel Kanzlerin bleibt
       
       ## Der Weg ist frei für Christian Lindner
       
       Genützt hat es nichts. Bei Wählern jedes Alters hat die Partei deutlich
       verloren. Zu wenige WählerInnen kauften Brüderle die Mahnung ab, dass
       allein eine Stimme für die Freidemokraten vor Rot-Rot-Grün schütze.
       Geschadet hat der FDP wohl auch das überraschend gute Abschneiden von Union
       (42,3 Prozent) und AfD (4,9 Prozent).
       
       Philipp Röslers Zeit als Parteichef ist abgelaufen. Die Zukunft gehört dem,
       der sich so beeilt hat, die Niederlage einzuräumen. Christian Lindner führt
       nicht nur den mitgliederstärksten FDP-Landesverband. In Nordrhein-Westfalen
       holte der heute 34-Jährige 2012 gegen den Bundestrend 8,6 Prozent der
       Stimmen. Der ehemalige Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt urteilte,
       Lindner werde eine wichtige Rolle beim Umbau der „Philosophie“ der FDP
       spielen. Vor seiner Zeit als Generalsekretär hatte er sich für eine Öffnung
       gegenüber Grünen und SPD ausgesprochen.
       
       Verfolgte Lindner tatsächlich einen neuen Kurs, wäre dies der tiefste
       inhaltliche Bruch seit 31 Jahren. 1982 entfloh die FDP der Koalition mit
       der SPD und lief zur Union über. Zwölf Jahre später war sie zum Wahlvehikel
       Helmut Kohls geschrumpft. Im Bundestagswahlkampf 1994 warb sie damit, eine
       Stimme für die FDP sei eine für Kohl. Ein Jahr darauf war die Partei gar
       nur noch in 3 von 16 Landtagen vertreten. Die FDP wurde verlacht als „Frau
       ohne Unterleib“, als Regierungspartei ohne Parteibasis – und ohne Inhalte
       
       ## Der neue Weg der FDP ist gescheitert
       
       Jüngere aus der FDP-Spitze wie Lindner und der scheidende
       Gesundheitsminister Daniel Bahr erzählen gern vom Gefühl der Schmach, das
       sie damals erfüllt habe. Als sie der Partei beitraten, so sagen sie heute,
       wollten sie die FDP wieder zu einer unabhängigen Kraft machen.
       
       Ihr großes Vorbild war der junge Generalsekretär Guido Westerwelle, der in
       den folgenden Jahren Parteichef Wolfgang Gerhardt von der Macht verdrängte.
       Westerwelle verkörperte in den Augen der Jüngeren das Versprechen, dass die
       FDP wieder einen eigenen Kurs einschlagen würde. Ausgerechnet Westerwelle.
       
       Denn als Parteichef führte er die FDP wieder in die Abhängigkeit von der
       Union. Nachfolger Rösler änderte daran nichts. Der Tiefpunkt schien
       erreicht, als die FDP, wie unter Kohl, um Zweitstimmen von Unions-Wählern
       bettelte. Dann kam der Wahlabend.
       
       22 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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