# taz.de -- Frisches Blut für House: Bloody Mary mit viel Tomatensaft
       
       > Die junge Den Haager Produzentin Xosar alias Sheela Rahman programmiert
       > feisten House-Sound mit nerdiger Präzision, auch auf der Bühne.
       
 (IMG) Bild: Xosar im Unterholz: Irgendwo lauert eine Floppy-Disc.
       
       Für ihren Auftritt in der Berliner Panorama-Bar veröffentlichte Xosar
       kürzlich auf Facebook einen „unofficial flyer“. Darauf gab sie folgendes
       Equipment bekannt: „2 x Electribe S, 1 x Electribe EA, 3 x Kaoss Pad, 1 x
       OP1, 1 x Tiger Outfit.“ Mit dieser knappen Liste hat die Produzentin und DJ
       Sheela Rahman schon ein ganz passendes Porträt ihrer Künstlerfigur Xosar
       abgegeben.
       
       Xosar ist eine Synth-Pop-Techno-House-Lady. Wie auf dem Flyer angekündigt,
       holt sie für ihre Musik die Vintage-Gerätschaften der Neunziger hervor,
       zieht aus ihnen knarzende, elektronische Emotionen und mischt mit ihren
       Drummachines, Synthesizern und Effektgeräten einen manuell produzierten
       sinnlichen Clubsound heraus. Xosar ist ein Unikum.
       
       Am Laptop mit wenigen Clicks die Tracks zusammenzumischen liegt ihr nicht,
       und dem klassischen Bild eines DJs, der mit einer Ladung Vinyl die
       Plattenspieler bedient, entspricht sie auch nicht. Tritt Xosar im Club auf,
       dann lässt sie Rechner und Platten zu Hause. Allein auf einer bunt
       blinkenden analogen Apparatur aus Reglern und Tasten produziert sie ihren
       Sound, offen für spontane Eingebungen. Wenn nicht in einem zebragestreiften
       Minirock, so zeigt sich die Lady auch gern im Tigeroutfit.
       
       Dabei macht die in Den Haag lebende Sheela Rahman erst seit Kurzem, dafür
       aber umso intensiver auf sich aufmerksam. Unentwegt veröffentlicht sie seit
       2011 Tracks und 12-inch EPs. Stark nachgefragte Labels wie „L.I.E.S.“,
       „Rushhour“ oder „Crème Organization“ liegen der Frau, die ihr Alter trotz
       Internet geheim zu halten weiß, zu Füßen. Mit dem Niederländer Danny
       Wolfers alias Legowelt, auch er als Produzent und DJ ein vernarrter
       Anhänger der antiquierten Soundautomaten, gründete sie das Duo Xamiga. Für
       Exkursionen in den Deephouse nennen sie sich Trackman Lafonte & Bonquiqui.
       Im Frühjahr 2014 soll Xosars erstes, komplettes Album veröffentlicht
       werden.
       
       ## Kraftvoller Sound
       
       Mit ihren Vintage-Geräten produziert Xosar einen puristischen, aber
       kraftvollen Sound: klare Arrangements, straighte Beats und energetische
       Synthesizer-Einlagen, die trotz Old-School-Effekten und disharmonischer
       Melodien von viel Emotionalität geleitet sind. Stilistisch changieren ihre
       Tracks zwischen einem dunklen, sphärischen Techno und einem warmen
       Retro-House.
       
       Den musikalischen Retourlauf vertritt Sheela Rahman mit humoristischer
       Nostalgie. Kürzlich, auch das gab sie auf Facebook bekannt, soll sie für
       einen Xamiga-Track, ein originales Keyboard aus ihrer Kindheit, verwendet
       haben: Es handelte sich dabei um ein Mini Casio der „Baby Kermit Frog
       Edition“.
       
       Xosar, das ist die Musikerin zum einen, und das ist die Kunstfigur zum
       anderen. In ihrer Medienpräsenz stilisiert sie sich zu einer bunten, von
       einem wilden Eklektizismus geleiteten Gestalt. Im neuen Videoclip zu „The
       Calling“ gibt sie Anleitung, wie sich Kontakt mit Aliens aufnehmen ließe.
       Freilich ist der Clip in einer verrauschten VHS-Optik gedreht, und
       flimmernde Alien-Nachrichten auf Commodore-Bildschirmen oder Utensilien wie
       eine großformatige Floppy Disc dürfen nicht fehlen.
       
       Doch belässt Sheela Rahman es in ihren Inszenierungen nicht bei dieser
       amüsanten Adaption einer Neunziger-Ästhetik, die ohnehin gerade in der
       Popwelt um sich greift. Vielmehr geht sie, die ursprünglich aus dem
       hippiesken San José in Kalifornien stammt, ins Spiritistische über,
       betitelt ihre Tracks mit „Rays of Babylon“, „Voodoo“ oder „Ghosthaus“.
       
       ## Okkulte Tigerlady
       
       Auf ihrer Website zeigt sie sich mit langem schwarzem Haar neben einem
       weißen Tiger in lasziv liegender Pose, pro lectus – dekadent wie im antiken
       Rom – , während sich hinter ihr eine tropische Szenerie mit Wasserfall und
       Palmen eröffnet. Privat, so gibt die Neuropsychologin mit
       Berkeley-Abschluss zu, liebt sie die Natur. Aber sie mag es auch
       blutrünstig, die Blackmetal Band Burzum und das Cocktailgetränk Bloody Mary
       („je blutiger, desto besser“) gehören zu ihren Freizeitfavoriten.
       
       So ist es auch nicht abwegig, dass sie für ihre jüngste Veröffentlichung
       bei Crème Organization ihr wohlgezeichnetes Konterfei vor Knochen und
       Schädeln in einer Katakombe ablichten ließ. Xosar schließlich ist eine
       überkolorierte, technoide Folklore-Dame, Elemente von Science-Fiction,
       Okkultismus, Erotik, Antike und Exotik fließen bei ihr zusammen.
       
       Aus dem klar strukturierten und bretthart rhythmisierten Sound Xosars
       schimmert diese stilistische Crazyness mit verlorenen Gesangseinlagen,
       Tribalsounds und seltsam wabernden Synthesizergemischen durch. Als „Desert
       Seance“ oder „Bangladesh Acid“ bezeichnete Sheela Rahman ihre Musik selbst.
       Vor allem aber klingt alles bei ihr nach Vergangenem, in der verstaubten
       Synthetik nach einem Futurismus, der lange verschwunden ist und nicht mehr
       wiederkehrt. Dieser Widersprüchen aus Retro und gestrigem Zukunftsspirit
       bedient sich die Vintage-Musikerin und holt sie mit sagenhaftem Beat und
       wuchtiger Musik absolut präsent in die Gegenwart.
       
       27 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophie Jung
       
       ## TAGS
       
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