# taz.de -- Kunst als Handlung: Tanz bleibt Tanz
       
       > Alles durchdacht: Installationen, Objekte und Performances der
       > Choreographin Sasha Waltz im Karlsruher Zentrum für Kunst- und
       > Medientechnlogie.
       
 (IMG) Bild: Henry Purcell, „Dido & Aeneas“, Choreographische Oper von Sasha Waltz, 2005
       
       Eigentlich hätte sie keine Führung machen sollen. Sasha Waltz sagt das mehr
       zu sich selbst. Der Rundgang durch ihre Ausstellung im Karlsruher Zentrum
       für Kunst und Medientechnologie (ZKM) ist schnell vorbei. Alles ist
       durchdacht, alles hat eine Dramaturgie: Zu Beginn der im Rücken des Podiums
       sich langsam mit Luft füllende, riesige weiße Kubus, die „Cloud“. Sie ist
       Bühnenbild und Material einer Tanz-Sequenz aus Waltz’ Produktion „nobody“,
       in der skulpturale Themen wie das Spiel zwischen Innen und Außen,
       Schwerkraft, Volumen und Oberfläche tänzerisch erkundet und nahezu surreale
       Bilder erzeugt werden.
       
       Ihr Sinn für Dramaturgie macht einen wichtigen Teil des Erfolgs der
       momentan bedeutendsten Vertreterin des deutschen Tanztheaters aus. Da fällt
       es schwer, die Fäden aus der Hand zu geben, obwohl genau dies das Konzept
       der Künstlerin ist: Ihre Installationen, Objekte und Performances sollen im
       ZKM-Ausstellungsraum allein funktionieren.
       
       Mehrfach betont sie, dass es eine zentrale Herausforderung gewesen sei, die
       Aufmerksamkeit des Besuchers nicht zu lenken. Er soll sich frei bewegen
       können in der ehemaligen Munitionsfabrik.
       
       Wer durch die 15 Räume der Ausstellung flaniert, begegnet wie in einer
       Erinnerungsmaschine den zentralen Produktionen der von der bildenden Kunst
       inspirierten Choreographin. Die überzeitliche Schönheit ihrer bewegten
       Bilder ist überwältigend, sei es das von den Friesen des Pergamonaltars
       abgeleitete Tableau ihrer „Medea“-Produktion oder die an antike
       Vasenzeichnungen erinnernden Wasserspiele ihrer Inszenierung der
       Barock-Oper „Dido und Aeneas“. Die Körper der Tänzer mutierten zu
       lebendigen Skulpturen, vom Lehm beschwert in Zeitlupe agierend oder
       schwerelos durch das Bassin gleitend.
       
       ## Michelangelos Höllensturz
       
       Ihre schlafwandlerische Sicherheit in der Gestaltung solcher Bilder
       resultiert aus dem langen Prozess, an dessen Beginn die „Körper-Trilogie“
       stand, die Sasha Waltz zunächst an der Schaubühne entwickelt hat. Die
       Videoinstallation „Körper“ erzählt von dieser im Jahre 2000 durchaus als
       provokativ empfundenen Arbeit. Zu sehen sind Männer und Frauen, die um- und
       übereinander steigen, sich krümmen – ganz Leib – extremer räumlicher Enge
       ausgesetzt. Im Kontext der Kunst stellt sich bei diesem, wie ein Tafelbild
       inszenierten Werk die Assoziation des Sixtina-Höllensturzes von
       Michelangelo ein, ein manieristisches Körpergewimmel, expressiv und
       theatralisch. Für Waltz war ihre damals live aufgeführte Choreographie ein
       abstraktes Körperbild, das die Bedingungen des Körpers erforschte.
       
       Wo nun beginnt die bildende Kunst und wo hört der Tanz auf? Für ZKM-Chef
       Peter Weibel mündet alles in eine „Kunst als Handlung“. In der
       zeitgenössischen Kunst würde sich bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts
       ein Trend zum Körper, zur Performance und zum Tanz abzeichnen. Er verweist
       auf Jackson Pollocks Dripping-Bilder, die Körpereinsatz gefordert hätten
       und an feministische Performances der Sechziger- und Siebzigerjahre, auf
       Tino Sehgal, der 2005 das Biennale-Publikum im deutschen Pavillon mit
       Aktionen überraschte. Nach der „performativen Wende“ in der Kunst, hätte
       sich nun mit Sasha Waltz’ Ausstellung im ZKM die „installative Wende“ der
       darstellenden Künste ereignet.
       
       Sasha Waltz gibt sich da weit nüchterner. „Ich war an der Grenze meiner
       Bühnenmöglichkeiten angelangt“, sagt sie. Das Ausstellungsprojekt im ZKM
       sei für sie eine Möglichkeit gewesen, ihre bisherige Arbeit zu reflektieren
       und zu analysieren. Der Reiz hätte auch darin gelegen, das zeitbasierte
       Tanztheater in „autarke Objekte“ zu verwandeln. Das ist ihr meist gelungen.
       
       ## Zuviel Ästhetik trainierter Körper
       
       In ihrem Reigen zeitlos erscheinender Bühneninstallationen wirken allein
       die Live-Performances, die fast täglich in der Ausstellung aufgeführt
       werden sollen, künstlich. Das verwundert kaum, denn Performances finden zu
       Eröffnungen oder speziellen Terminen statt, sind umgeben von der Aura der
       raren Präsenz des Künstlers. Der auf Wiederholung angelegten ZKM-Aufführung
       des „Stammbaums“ etwa aus Waltz interdisziplinärer Produktion „insideout“
       haftet dagegen zu sehr die Ästhetik trainierter Körper an. Sie sind immer
       schön, selbst wenn Sandpolster Beine und Füße der Protagonistin beschweren.
       Bei dieser Arbeit hätte eine Video-Dokumentation der Live-Aufführung 2003
       in Graz einen stärkeren Eindruck gemacht.
       
       Der Medientheoretiker Weibel, der in seinem früheren Leben als Künstler
       Stacheldrahtrollen ins Publikum geworfen hat, also über Erfahrung als
       Performer verfügt, sieht sich gleichwohl nahtlos in seiner Theorie
       bestätigt. Er interpretiert Waltz’ Bühneninstallationen als Kunstwerke,
       entdeckt „eine Kette von Gegensatzpaaren“, sieht im Text des
       Ausstellungsflyers sogar ihr Werk als Choreographin auf die bildende Kunst
       – die dauerhafte Installation– zu laufen. Geplant ist ein die
       Installationen dokumentierender Katalog; vielleicht gibt die Publikation
       Gelegenheit, das Thema differenzierter zu darzustellen.
       
       30 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carmela Thiele
       
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