# taz.de -- Garzón und die internationale Justiz: Wenn der Moment günstig ist
       
       > Der spanische Richter Baltasar Garzón spricht über Strafverfolgung. Er
       > erläuert internationale Fortschritte, aber auch die Grenzen der Justiz.
       
 (IMG) Bild: Nicht alle Ermittlungen sind erwünscht: Garzón verlor seinen Richterposten, weil er über das Franco-Regime recherchierte.
       
       Es war ein wichtiger Tag für die internationale Verfolgung von Verbrechen
       gegen die Menschlichkeit: Am 16. Oktober 1998 wurde der chilenische
       Diktator Augusto Pinochet in London festgenommen.
       
       Ein Novum, das niemand erwartet hätte. Selbst der damalige
       Untersuchungsrichter Baltasar Garzón war skeptisch. „Alles hätte innerhalb
       von Minuten zusammenbrechen können“, erinnerte sich der spanische Jurist am
       Montag auf einer Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus an den Moment,
       in dem er den Haftbefehl ausstellte.
       
       Gute Kontakte, günstige juristische Voraussetzungen und nicht zuletzt die
       politische Lage in Großbritannien sorgten für den Erfolg. „Im Parlament und
       in der Labour-Regierung standen viele der Anti-Pinochet-Bewegung nahe“,
       erklärte der britische Professor David Sugarman. Heute, da sind sich Garzón
       und Sugarman sicher, wäre eine solche Verhaftung undenkbar.
       
       16 Monate saß Pinochet im Gefängnis. Schließlich wurde er nicht nach
       Spanien ausgeliefert und auch nie ernsthaft für seine Verbrechen belangt.
       Dennoch hatte Garzóns Verfahren auch für die internationale Strafverfolgung
       große Bedeutung. „Zum ersten Mal fühlten sich die Opfer ernst genommen“,
       beschrieb die ehemalige politische Gefangene Beatriz Brinkmann den über 200
       Zuhörerinnen und Zuhörern, wie Garzóns Einsatz in Chile wahrgenommen wurde.
       
       ## Kritik an ungleiche Standards
       
       Mittlerweile hat die Strafverfolgung Fortschritte gemacht: In Argentinien
       stehen dank der Linksregierung Militärs vor Gericht, der Internationale
       Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag verhandelt gegen afrikanische Täter. Was
       aber passiert mit den Verantwortlichen für das US-Gefangenenlager
       Guantánamo? Warum werden jene nicht verfolgt, die unter dem spanischen
       Diktator Franco Oppositionelle terrorisiert haben?
       
       Garzón selbst verlor seinen Richterposten, weil er Verbrechen des
       Franco-Regimes ermitteln wollte. Auch deshalb kritisiert er die ungleichen
       Standards. Sugarman erklärt die internationale Strafverfolgung gleich zur
       neuen Form des Imperialismus, solange der Westen die Regeln vorgibt.
       Dennoch halten beide an dieser Justiz fest. „Die Bewegung ist nicht
       aufzuhalten“, meint Garzón. Wenn die Konstellationen günstig sind, würden
       auch „die Großen“ belangt.
       
       Immerhin: Derzeit verhandeln argentinische Richter erstmals über
       Menschenrechtsverletzungen, die unter der Franco-Herrschaft begangen
       wurden.
       
       1 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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