# taz.de -- Gentechnisch modifizierte Babynahrung: Gemüse aus dem Labor
       
       > Was ist Gentechnik? Den Streit darüber facht ein Fund in Babynahrung neu
       > an. Ein Hersteller nimmt Ware vom Markt. Ein anderer will nachforschen.
       
 (IMG) Bild: Gen aus dem Glas? Das muss nun geprüft werden.
       
       BERLIN taz | Nach Berichten über gentechnik-ähnliche Verfahren in
       Babynahrung hat einer der betroffenen Hersteller das beanstandete Produkt
       vom Markt genommen. Händler sollen Gläschen des Demeter-Herstellers Holle
       „Brokkoli mit Vollkornreis“ aus den Regalen räumen und Kunden eine Rückgabe
       ermöglichen, teilte Demeter gestern mit.
       
       Anlass sind Recherchen der ZDF-Sendung „Wiso“. Die Tester haben Produkte
       von Hipp, Demeter, Alnatura und Bioland unter die Lupe genommen. Bei allen
       Proben von Holles „Brokkoli mit Vollkornreis“ und einem Viertel der
       insgesamt 18 Proben von Hipp entdeckten sie dabei sogenannte CMS-Hybride.
       Das sind Sorten, die im Labor hergestellt werden, trotzdem aber nicht als
       Gentechnik gelten. Hersteller Hipp gab an, den Hinweisen „nachzugehen“.
       
       CMS steht für cytoplasmatisch-männliche Sterilität. Sie verhindert, dass
       sich die Pflanzen selbst bestäuben können. So lassen sich leichter Hybriden
       züchten, die meist eine bessere Erträge bringen – für Züchter eine
       attraktive Eigenschaft. Die CMS wird allerdings mittels Zellfusion
       übertragen. Die gehört zwar nach europäischem und deutschem Recht zum
       Bereich der Gentechnik, allerdings mit einer Ausnahme: Wenn das
       Verschmelzen grundsätzlich auch in der Natur vorkommen kann, gilt die im
       Labor durchgeführte Zellfusion nicht als Gentechnik – und genau das ist
       hier der Fall.
       
       Angewandt wird dieses Verfahren vor allem bei Kohlsorten. Das Merkmal CMS
       kann so etwa von einem Rettich auf Brokkoli übertragen werden. Die
       „Wiso“-Redaktion ließ daher gezielt Produkte untersuchen, die Blumenkohl
       oder Brokkoli enthalten.
       
       „Bei den CMS-Sorten hat man keine Übertragung einzelner Gene wie
       normalerweise in der Gentechnik“, sagt Christoph Then vom
       gentechnik-kritischen Institut Testbiotech. Er bezeichnet die Technologie
       als „Grenzbereich“ – zwischen der natürlichen Kreuzung und gentechnischer
       Veränderung.
       
       ## Test erst seit wenigen Monaten
       
       Während im konventionellen Anbau und auch bei Pflanzen mit EU-Biosiegel
       CMS-Hybride erlaubt sind, haben Bioland und Demeter CMS-Sorten untersagt.
       Schon als im August CMS-Kohl von Demeter gefunden wurde, kündigte der
       Verband intensivere Kontrollen an. „Bei den jetzt beprobten Baby-Gläschen
       handelt es sich um Ware mit Brokkoli, der Ende 2012 beziehungsweise Anfang
       2013 verarbeitet wurde“, sagt Demeter-Sprecherin Renée Herrnkind.
       
       Tests, die eine sichere Aussage darüber erlauben, ob es sich bei einer
       Pflanze um einen CMS-Hybriden handelt, gebe es erst seit wenigen Monaten.
       Demeters wichtigster Gemüsehändler habe nun selbst Proben genommen und
       zugesichert, dass unter dem aktuell auf den Feldern und in den Läden
       befindliche Gemüse keine CMS-Hybriden seien.
       
       Gesundheitliche Folgen für den Verbraucher sieht Herrenkind nicht – der
       Verband lehne das Verfahren aus anderen Gründen ab. So widerspreche es dem
       ganzheitlichen Gedanken einer Unverletzlichkeit und Würde der Pflanze.
       Zudem gehe es um wirtschaftliche Interessen: Die CMS-Hybride machten
       Anbauer abhängig von großen Saatgut-Produzenten und verschärften das Risiko
       für Monopole.
       
       Then sieht noch ein weiteres Problem: Das Verfahren könnte in die
       Genaktivität der Pflanzen eingreifen und so etwa zu einer höheren
       Anfälligkeit für Krankheiten führen. Er fordert daher, die Effekte genau zu
       untersuchen.
       
       7 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Gentechnik
 (DIR) Gemüse
 (DIR) Babynahrung
 (DIR) EU-Kommission
 (DIR) Biosiegel
 (DIR) Schwerpunkt Gentechnik
 (DIR) Schwerpunkt Gentechnik
 (DIR) Schlachthof
 (DIR) Schwerpunkt Monsanto
 (DIR) Schwerpunkt Genmais
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Bio-Lebensmittel-Verordnung: Dokument der Hilflosigkeit
       
       Die EU-Kommission hat mit dem Vorschlag neuer Regeln für das Biosiegel zum
       großen Wurf ausgeholt. Vertrauen der Verbraucher bringt das nicht zurück.
       
 (DIR) Biozertifikat in der Gastronomie: „Das System funktioniert nicht“
       
       Viele Gastronomen mit Bio-Angebot verzichten trotz Pflicht auf
       Öko-Inspektionen. So können Gäste nicht sicher sein, ob sie wirklich Bio
       bekommen.
       
 (DIR) Pharmamanager über Biotechnologie: „Grüne Gentechnik wird gebraucht“
       
       Innovationen und nicht knappe Ressourcen befördern die pflanzenbasierte
       Wirtschaft. Das meint der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung
       Biotechnologie.
       
 (DIR) Kommentar Laborgemüse in Babynahrung: Jetzt gibt es keine Ausreden mehr
       
       Wenn sogar im Bio-Baby-Brei gentechnik-ähnliche Verfahren genutzt werden,
       ist das ein Skandal. Die Verbraucher haben ein Recht auf Information.
       
 (DIR) Demo gegen Agrarindustrie: Schlachthof soll umzingelt werden
       
       Tausende Menschen wollen am größten Geflügelschlachthof Europas in
       Niedersachsen protestieren. Geplant ist auch eine Menschenkette um die
       Anlage.
       
 (DIR) Landwirtschaft: Der verunreinigte Hobbit
       
       Die umstrittene Syngenta AG musste Saatgut für zuchtoptimierte Wintergerste
       zurückziehen. Kritiker sehen ihre Vorbehalte an Gentechnik bestätigt.
       
 (DIR) Gentechnik soll Bienen retten: Den Teufel mit Monsanto austreiben
       
       Die Varroa-Milbe bedroht Honigbienen und vernichtet ganze Bienenvölker.
       Monsanto will den Schädling mit Mitteln der Gentechnik bekämpfen und erntet
       Kritik.
       
 (DIR) Genpflanzen in Europa: Monsanto setzt auf Importe
       
       Der US-Agrarkonzern kündigt an, in der EU keine Zulassungen mehr für neue
       Genpflanzen zu beantragen. Kritiker halten das für einen üblen Trick.