# taz.de -- Debatte antirassistische Sprache: Es gibt keine „Sprachpolizei“
       
       > Sensibel über Differenz zu sprechen ist nicht so schwer, wie manche
       > denken. Die Angst vor einer „politisch korrekten“ Sprachlosigkeit ist
       > übertrieben.
       
 (IMG) Bild: Was hat der gesagt?
       
       Ist Sprechen ohne Diskriminierung vor allem ein Instrument der
       Spaßverderber, die sich eine moralische Überlegenheit auf die Fahnen
       schreiben, um andere besser gängeln zu können? Diese Debatte ist nicht neu,
       aber sie flammt immer wieder auf. In der taz zuletzt im Zusammenhang mit
       rassistischer Sprache.
       
       In seinem [1][Artikel „Infantile Sprachmagie“] schreibt Arno Frank, dass es
       eine Inflation von Regeln gebe, dass „sprachgesetzliche Novellen sich alle
       fünf Minuten selbst aktualisieren“ würden, und Weißen das Recht genommen
       werde, mitzureden. Dabei sei es nicht rassistisch, „Differenzen zu
       benennen“. Im Gegenteil, sie zu verschweigen wäre das Problem.
       
       Frank ist mit dieser Haltung nicht allein. Doch schon die Grundannahmen
       seines Textes sind falsch: Es gibt nicht dauernd neue Regeln für
       antirassistischen Sprachgebrauch. Im Gegenteil, Worte wie „Neger“,
       „Zigeuner“ oder „Farbige“ sind schon seit Jahren als diskriminierend
       identifiziert, da passiert gar nicht viel Neues. Auch ohne eine
       „Sprachpolizei“.
       
       Zudem gibt es einige Vorschläge, wie man im Kontext von Rassismus sensibler
       spricht: beispielsweise die Selbstbezeichnung „People of Color“, die Frank
       irrtümlicherweise mit der diskriminierenden Fremdbezeichnung „Colored“
       gleichsetzt. Auch würde kein seriöser Antirassist es Weißen verbieten, sich
       an der Diskussion über Rassismus zu beteiligen. Wie auch bei Sexismus und
       Homophobie ist die Verbindung von Betroffenen und Alliierten unerlässlich.
       Was aber oft verlangt wird, ist, dass Weiße auch zuhören.
       
       ## Infantiles Denken in Verboten
       
       Bei Frank ist von „Sprachpolizei“ die Rede, von „politisch korrekten
       Einsatzgruppen“, von „Ausschüssen“, von „Belehrungen“ und „Verboten“. Wer
       in Kategorien wie Verbot und Erlaubnis denkt verkennt, dass es nicht bloß
       darum geht, Worte zu ersetzen, Menschen anders zu adressieren. „Aber wie
       soll ich die jetzt nennen?“, diese Frage steht zwischen den Zeilen. „Die“,
       das sind die Neger, Fidschis und Zigeuner von früher. Doch diese
       Konstruktion der „Anderen“ gibt es in einem antirassistischen Weltbild
       nicht mehr, insofern gibt es für sie auch keinen neuen Begriff.
       
       Das rassistische Wort „Neger“ etwa beinhaltet nicht nur eine Abwertung,
       sondern auch eine Homogenisierung von allen schwarzen Menschen weltweit.
       Wer sensibel über schwarze Menschen sprechen will, muss nicht nur die
       Abwertung ablegen, sondern auch die Vereinheitlichung. Es reicht nicht, das
       „verbotene“ „Neger“ durch das erlaubte „Schwarze“ zu ersetzen: Wer das tut,
       bleibt im Raster der rassistischen Sprache.
       
       Entgehen kann man ihm mithilfe von Präzision: Wer genau ist gemeint?
       Spricht man über Afrodeutsche? Über Togolesen? Über Massai? Wir sprechen ja
       auch selbstverständlich von Italienern und Franzosen, um der Vielfalt auf
       dem winzigen Kontinent Europa gerecht zu werden. Wer dazu eine umfassende
       Anleitung fordert, hat womöglich weniger den Wunsch, möglichst wenig zu
       verletzen, sondern will eher vermeiden, ein „Rassist“ genannt zu werden.
       
       ## Sprachlosigkeit und Schweigen?
       
       Zur Unterstützung, anders über Herkunft und Identität nachzudenken,
       existieren zahlreiche Texte und Überlegungen. Doch diese betrachten viele
       als „Belehrung“, die sie trotzig ablehnen.
       
       Belehrungen sind aber nur möglich, wenn jemand zuhören würde. Und das tun
       wenige. Man braucht nur das Gespräch über Rassismus beginnen und schon wird
       erklärt, dass „Negerküsse“ doch etwas Schönes seien, man habe als Kind das
       Lied über „Zigeuner“ ohne jede böse Absicht oder gar Vorurteile gesungen
       und überhaupt mache einen die ganze Diskussion um die richtigen Wörter doch
       ganz sprachlos.
       
       Sprachlosigkeit, Schweigen? Im Gegenteil: Viele Weiße können gar nicht
       aufhören, ihre Meinung über Rassismus kundzutun. Besonders schlechte
       Zuhörer sind dabei diejenigen, die sich ohnehin auf der richtigen Seite
       wähnen, weil sie ja nicht in Leipzig Iraker erstechen oder in Bad Schandau
       „asiatisch“ aussehende Jungen verprügeln. Für diese Mitglieder der
       ’gesellschaftlichen Mitte‘ beginnt der Rassismus erst bei
       Rechtsextremismus.
       
       ## Und Philipp Rösler?
       
       So allgemein wie „Infantile Sprachmagie“ das Thema zunächst behandelt, so
       konkret kann man das Problem an dem [2][umstrittenen taz-Interview] mit
       Philipp Rösler durchdeklinieren: In diesem wird der FDP-Chef auf sein
       „asiatisches Aussehen“ und seine „nichtdeutschen Wurzeln“ angesprochen.
       Dürfe man neuerdings nicht mehr „asiatisch“ oder „afrikanisch“ sagen, fragt
       auch Frank? Ist es wirklich so schlimm, über „Wurzeln“, also Herkunft zu
       sprechen?
       
       Rösler lebt seit seinem neunten Lebensmonat in Deutschland, wurde hier in
       einer deutschen Familie sozialisiert und hat zu seinen leiblichen Eltern
       keinen Kontakt. Welche Wurzeln sollen da besprochen werden? Seine Gene?
       Weil sie nichtdeutsch sind?
       
       Als Kronzeugin für „evident asiatisches“ Aussehen muss bei Frank die
       birmesische Oppositionelle Aung San Suu Kyi herhalten. Vermutlich fiel die
       Auswahl auf sie, weil sie für Frank Philipp Rösler ähnlicher sieht, als
       etwa die pakistanische Kinderrechtlerin Malala Yousafzai oder die
       Wahlinderin Mutter Teresa. „Asiatisch“, das sind drei Milliarden Menschen,
       die so unterschiedlich aussehen wie diese drei Frauen. Welche Differenzen
       werden denn mit einer solchen Wortwahl benannt? Wie viele kassiert?
       
       ## Sensibilität ist zumutbar
       
       Eine weniger pauschalisierende Sprache hätte auch bei besagtem
       taz-Interview geholfen. Die Fragen über Röslers „asiatisches Aussehen“ und
       seine „nichtdeutschen Wurzeln“ signalisierten: Deutsche sind weiß und die
       Abweichung muss benannt werden.
       
       Würde man ähnliche Fragen an den ersten migrantischen Ministerpräsidenten
       Deutschlands, David McAllister, richten? McAllister, der zweisprachig
       aufgewachsen ist, Dudelsack spielt und sich regelmäßig im Kilt
       fotografieren lässt? Vermutlich nicht, weil es unvorstellbar scheint, einen
       weißen Mann zu fragen, ob er gehasst wird, weil man ihm seine
       „nichtdeutschen Wurzeln“ ansieht.
       
       Es gibt viele Möglichkeiten, respektvoll und diskriminierungsfrei über
       Differenzen zu sprechen. Das will auch niemand verbieten. Doch die
       Forderung, dafür Gebote und Verbote zu formulieren, ist infantil.
       
       11 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!124934/
 (DIR) [2] http://blogs.taz.de/hausblog/2013/09/09/philipp-roesler-fragen-und-keine-antworten/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lalon Sander
       
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