# taz.de -- Künstler Javier Mayoral über „Cheap Art“: „Was ich mache, ist nicht billig“
       
       > Er bietet seine Bilder für 9,99 Dollar im Netz an. Ein Gespräch mit
       > Javier Mayoral über das Verhältnis von Kunst und Geld, Gift im Rotwein
       > und Hitler.
       
 (IMG) Bild: „Outsider Folk Art Painting“ nennt Mayoral seine Arbeit. Sein selbstgewähltes Dasein als „Outsider“ am Kunstmarkt funktioniert bestens
       
       taz: Herr Mayoral, Sie malen surrealistisch anmutende Bilder mit
       lakonischen Kommentaren auf kleine Holzplatten und verkaufen sie auf der
       Internetplattform Ebay. Wie fing das an? 
       
       Javier Mayoral: Das war Zufall. Ich male schon immer, seit ich denken kann.
       Malen ist für mich totale Erholung. Ich wollte ein Format, das man einfach
       in einen Umschlag stecken und verschicken kann. Als meine Frau anfing, auf
       Ebay Vintage-Mode zu verkaufen und wir in Miami auf einer Messe waren, habe
       ich Bilder mitgenommen, und sie wurden mir aus der Hand gerissen. Seitdem
       biete ich sie für 9,99 Dollar bei Ebay an.
       
       Wie viele Bilder zeichnen Sie am Tag? 
       
       Fünf am Tag. Wenn ich meine Kinder in die Schule gebracht habe, schneide
       ich das Holz, streiche die Grundflächen, und sobald sie getrocknet sind,
       beginne ich zu malen, immer mehrere Bilder gleichzeitig. Das ist fast schon
       ein industrieller Prozess.
       
       Beschreibt der Begriff „Cheap Art“ Ihre Kunst? 
       
       Überhaupt nicht. Was ich mache, ist nicht billig, sondern hat seinen Wert.
       
       Seit die ersten Sammler angefangen haben, Ihre Bilder gezielt bei Ebay zu
       ersteigern, bekommt man kaum noch ein Bild für weniger als 100 oder 150
       Dollar. 
       
       Ja, es ist verrückt, wie der Markt funktioniert. Je mehr ich verkaufte,
       umso mehr produziere ich.
       
       Wie viele dieser kleinen Bilder haben Sie bisher gemalt? 
       
       Etwa 4.600.
       
       Unter dem neuen Label LappanArt hat der deutsche Cartoonist und Maler Til
       Mette jetzt das Buch „Mayoral“ mit Bildern von Ihnen herausgebracht. War
       das auch Zufall? 
       
       Ja, er war zufällig im Internet auf meine Bilder gestoßen, und er hat mein
       erstes Bild von Heino ersteigert.
       
       Was reizt Sie denn an dem deutschen Schlagersänger? 
       
       Ein Freund schickte mir einmal ein Foto, und ich war sofort begeistert.
       
       Wovon? 
       
       Er sieht wie ein Alien aus, und das gefällt mir. Er bleibt sich treu und
       ist ähnlich unglaublich wie Siegfried & Roy.
       
       Ihre Bilder muten wie naive Werbetafeln aus den 50er Jahren an. Welche
       Künstler inspirieren Sie? 
       
       Bei den großen Bildern, die ich auch male und nicht bei Ebay verkaufe,
       inspirieren mich surrealistische Künstler wie [1][Max Ernst] oder
       [2][Marcel Duchamp]. Bei den kleinformatigen Bildern gibt es keine
       Vorbilder. Ich kenne niemanden, der so etwas macht. Anregungen bekomme ich
       aus amerikanischen Zeitschriften aus den 40er und 50er Jahren, der
       Literatur, dem Kino. Was um mich herum passiert, liefert mir auch jede
       Menge Ideen, oder meine Frau und meine Kinder. Wissen Sie, was das Gute an
       den kleinen Bildern ist, die ich nicht lange zu Hause behalte?
       
       Na? 
       
       Ich kann nichts bereuen. Wenn sie verschickt sind, kann ich nichts mehr
       ändern, auch nicht, wenn ich Orthographiefehler im Englischen gemacht habe.
       
       Fällt es Ihnen schwer, sich von Ihren Werken zu trennen? 
       
       Nein. Man darf nicht daran hängen. Da ist Ebay hilfreich. Ich biete sie zum
       Verkauf an, und dann sind sie weg. Was viele Leute nicht wissen: Ich biete
       auch Auftragsarbeiten an, für 250 Dollar.
       
       Wenn meine Tante Geburtstag hat, schicke ich Ihnen ein Foto von ihr, und
       Sie malen ein Bild von ihr? 
       
       Genau. Die Gefahr besteht nur darin, dass es sein kann, dass die Tante
       nicht genau so aussieht, wie der Auftragsgeber es sich vorgestellt hat.
       
       Dieses Angebot ist dann aber rein kommerziell. 
       
       Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich male diese Bilder, nicht um Geld
       zu verdienen. Ich habe drei Kinder, die ich ernähren muss. Es ist aber
       mehr. Das Feedback der Leute, die meine Bilder kaufen, gibt mir viel Kraft.
       Finanziell ist das schon lukrativ, aber ich lerne auch viel dabei. Der
       Verkauf der Bilder ermöglicht es mir, das zu tun, was ich am liebsten tue,
       und mich zu entwickeln. Wenn ich damit auch noch Geld verdienen kann:
       wunderbar.
       
       In Ihren Bildern thematisieren Sie sowohl Alltagssituationen als auch
       Politiker. Adolf Hitler taucht mehrmals auf. Was reizt Sie künstlerisch an
       ihm? 
       
       Ich habe Hitler trotz seiner Gräueltaten und den Bedenken meiner Frau in
       meine Bilder aufgenommen, weil es für mich interessant ist, ihn in
       ungewöhnlichen Situationen darzustellen. Das erste Hitler-Bild habe ich für
       500 Dollar verkauft. Wollen Sie wissen, an wen?
       
       An einen Hitlerbewunderer? 
       
       An einen deutschen Sammler. Ich habe auch Bilder von Obama, Merkel,
       Berlusconi und Gaddafi gemalt. Es gefällt mir, die Lächerlichkeit von
       Personen mit großem Ego darzustellen.
       
       Sie haben keine formale Kunstausbildung absolviert, malen seit über 25
       Jahren und bezeichnen sich als „Outsider artist“. Was meinen Sie damit? 
       
       Einen Künstler, der sich nicht in dem Kreis aus Galerien, Werbung und
       Cocktails bewegt. Wenn ein Galerist ein interessantes Projekt machen will,
       das mir gefällt, nur zu. [3][Aber meine Welt ist Ebay, wo man
       Tennisschläger und Autos ebenso verkaufen kann wie Kunst].
       
       Ihre Bilder sind nicht signiert. Wieso nicht? 
       
       Es gibt Leute, für die ist das sehr wichtig. Für mich nicht. Der Beweis,
       dass die Bilder von mir sind, ist der Namenszug auf der Rückseite. Für die
       Komposition eines Bildes ist der Name nicht nötig. Im Gegenteil. Eine
       Unterschrift kann die Komposition kaputt machen. Wenn ein Käufer unbedingt
       eine Unterschrift auf der Vorderseite will, okay, dann mache ich das.
       
       Sie sind in Madrid geboren und leben seit 1990 in Miami. Warum sind Sie aus
       Ihrer Heimat weggegangen? 
       
       Ich bin stolz darauf, Spanier zu sein. Mein Humor ist auch sehr spanisch.
       Aber ich wollte raus aus der Klaustrophobie, die damals in Spanien
       herrschte. Als ich ins Ausland ging, zuerst nach Italien und Frankreich,
       konnte ich atmen. Am besten atmen konnte ich in New York. Und auch Miami
       ist faszinierend.
       
       Sie verdienen Ihr Geld als Koch für eine Familie auf einer privaten Insel
       vor Miamis Küste. Wie sind Sie dazu gekommen? 
       
       Ich bin kein ausgebildeter Koch, und auch das war Zufall. Als ich in New
       York war, arbeitete ich bei einer Firma für Künstlerbedarf. Die Arbeit
       gefiel mir, aber irgendwann war es Zeit für etwas Neues. Deshalb war es für
       mich nicht so schlimm, als die Firma bankrottging. Ein Jahr lang lebte ich
       von meinen Ersparnissen, bis ein Freund mir einen Job als Barkeeper bei
       einer Catering-Firma besorgte. Ich arbeitete bei einem Cocktailempfang in
       einem Museum und lernte ein älteres deutsches Ehepaar kennen. Als sie mich
       fragten, was ich gern machen würde, sagte ich, ich wollte immer ein guter
       Koch sein. Da gaben sie mir die Visitenkarte einer Frau, die ich anrufen
       sollte. Seitdem ist sie meine Chefin.
       
       Was ist das für eine Familie? 
       
       Eine reiche jüdische Familie, Multimillionäre.
       
       Kaufen die auch Ihre Bilder? 
       
       Ja, aber nicht die kleinformatigen. Deren Humor ist nicht jedermanns
       Geschmack. Sie kaufen größere, dadaistische Werke.
       
       Hoffen Sie, bald mit dem Kochen aufzuhören und nur noch zu malen? 
       
       Ja, ich koche seit so vielen Jahren für die gleiche Familie, zeitweise
       sieben Tage die Woche, dass es nichts Neues mehr ist. Jetzt koche ich drei
       Tage in der Woche und überlege, auf zwei Tage zu reduzieren. Auf keinen
       Fall will ich mit 60 Jahren noch als Koch arbeiten.
       
       Wenn Essen in Ihren Bildern vorkommt, vergeht einem der Appetit: Ein
       Mädchen preist ein Fruchtpulvergetränk an, das „eine Million Mal besser als
       frisch gepresster Orangensaft schmeckt“, ein Franzose mischt Saccharin in
       den Rotwein, weil es „das Bouquet verbessert“. Warum stellen Sie Essen auf
       diese Weise dar? 
       
       Es ist für mich interessanter, überraschender und auch attraktiver,
       Verschwendung, Schein oder Snobismus darzustellen. Aber ich urteile nicht
       darüber. Mir wurde nichts im Leben geschenkt. Deshalb ist der
       [4][Aufenthalt in Berlin anlässlich des Buchs] auch so beeindruckend für
       mich.
       
       Wieso? 
       
       Als ich als junger Mann in Berlin war, hatte ich überhaupt nichts und habe
       in besetzten Häusern geschlafen. Jetzt bezahlt alles der Verlag.
       
       12 Oct 2013
       
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