# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Fußball ohne Hurensöhne?
       
       > Der italienische Fußballverband gibt vor, Rassismus ahnden zu wollen.
       > Doch tatsächlich bestraft er nun Vereine für harmlose Schmähgesänge ihrer
       > Fans.
       
 (IMG) Bild: Brisantes Frisurenduell: AC Mailand (mit Mario Balotelli, links) gegen den SSC Neapel
       
       Als Mario Balotelli vor drei Jahren die Serie A verließ und von Inter
       Mailand zu Manchester City wechselte, gab es dafür noch einen weiteren
       Grund als die üblichen. Neben den drei wichtigsten Motiven (Geld, Geld und
       Geld) spielte auch eine Rolle, dass der Sohn ghanaischer Eltern in Italiens
       Stadien zur Zielscheibe der Rassisten geworden war. Fast allsamstäglich
       trafen den Nationalspieler die Hassgesänge, egal ob in Rom, Turin oder
       Florenz.
       
       Nach drei diesbezüglich sorgenfreien Jahren hatte es sich der kindsköpfige
       Kicker aufgrund unzähliger Eskapaden trotzdem so mit ManCity verscherzt,
       dass er den Weg zurück in seine Heimat nahm, zum AC Mailand. Immerhin: Der
       italienische Fußballverband hat sich seit dieser Saison auf die Fahnen
       geschrieben, genauer hinzuhören, was denn da aus den Kurven kommt.
       Ausgerechnet Balotellis neuer Klub wurde nun der erste, den die
       Sittenwächter an die Kandare nahmen.
       
       Doch was hatten sie gehört? Nicht etwa Affenlaute oder
       Mussolini-Sprechchöre; die Fans des AC hatten den beliebten Schmähgesang
       „Senti che puzza“ angestimmt, ein Lied, dass den Fans aus Napoli mitteilt,
       dass sie stinken. Und weil sie am darauf folgenden Spieltag noch mit dem
       niederschmetternden Chor „Wir sind keine Neapolitaner“ nachzogen, musste
       der Verband reagieren.
       
       Schließlich hatte er die Antidiskriminierungsparagrafen der Uefa übernommen
       und übereifrig durch Passagen ergänzt, die „Diskriminierungen aufgrund
       regionaler Herkunft“ verbieten. Ein Geisterspiel am kommenden Wochenende
       gegen Udine, so das Urteil des Sportgerichts gegen Milan.
       
       ## Normaler Bestandteil der Fußballkultur
       
       Doch etwas scheint der Verband grundlegend missverstanden zu haben, nämlich
       den Unterschied zwischen fußballtypischen Beleidigungen und
       Diskriminierungen. So wünschenswert das kompromisslose Einschreiten gegen
       rassistisches, antisemitisches oder homophobes Verhalten ist, so überzogen
       ist es, den Fans ihre Antigesänge gegen die andere Kurve nehmen zu wollen.
       Zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache, Lieder zu grölen, die hierzulande
       so sinnige Zeilen wie „Ihr seid Wessis, asoziale Wessis“ oder „BVB –
       Hurensöhne“ haben, aber zum Volkssport Fußball gehören sie dazu.
       
       Dass dem so ist, zeigten die Tifosi aus Napoli, die als Reaktion auf die
       Ermittlungen ein Banner mit der Aufschrift „Napoli Colera, jetzt schließt
       uns auch die Kurve“ entrollten, wobei der Hinweis auf die
       Infektionskrankheit ebenjenem Liedchen entnommen ist, das die Ultras aus
       Milano schmetterten. Und auch andernorts solidarisierte man sich. Von Turin
       bis zur Curva Nord von Inter wurde angekündigt, verstärkt auf derartige
       Gesänge zu setzen. Das Motto: „Das nächste Mal entscheiden wir, wann wir
       unseren Sektor schließen.“
       
       Während Strafen aufgrund tatsächlicher Rassismusvorfälle von den
       organisierten Kurven schweigend zur Kenntnis genommen wurden, kämpfen die
       Tifosi im aktuellen Fall um ihre legitimen Interessen. Sie wehren sich
       gegen einen Repressionskurs des Verbandes gegen die Ultras, der unter einem
       Antirassismus-Deckmäntelchen besonders verlogen daherkommt. Den Fans ist
       also durchaus Erfolg zu wünschen. Einen ersten Hoffnungsschimmer gibt es
       seit Freitag: Das Sportgericht setzte das Urteil gegen Milan vorläufig aus.
       
       13 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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